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N». 51.

K u n si - B l a t t.

Dienstag, 29. Juni 1 8 3 o.

lieber die Gruppe der Niobe und ihre ursprüngliche
Aufstellung ").

Von Johann Martin Wagner,
in Rom, Generalsekretär der k. B. Akademie d. b. K.

Wer vor wenig Jahren behauptet hätte, daß die Grie-
chen die Giebel ihrer Tempel nicht mit erhobenen Md-,
werken, sondern mit völlig runden oder freistehenden Bild-
säulen auszufüllen pflegten, wurde gewiß sehr wenig Bei-
fall und Glauben gefunden haben '). Nun herrscht der
umgekehrte Fall. Seitdem man sich durch die neuern
Entdeckungen, namentlich die auf Aegina im Jahr 18H
unternommene Ausgrabung und die dort gefundenen Bild-
werke überzeugt bat, daß die Griechen zur Verzierung
ihrer Tempel und deren Giebelfelder sich nicht der erho-
benen Arbeiten, sondern runder, freistehender Bildsäulen be-,
dienten, eine Wahrnehmung, die sich an den dem Parthenon
entnommenen Bildwerken und aus noch vorhandenen An-
zeigen des Theseustempels zu Athen'bestätigt: so ist es'
nun zur Mode geworden, zu Giebelgruppen umzutauchn,
was von weitem nur dazu einen Anschein hat, wie solches
Herr Ceckcrell, Architekt in London, mit der Gruppe'der
Niobe zu Florenz und kürzlich auch Herr Nibby, Professor
der Archäologie in Rom, mit der bekannten Bildsäule des
sogenannten sterbenden Fechters gethan.

*) Diese Abhandlung ist bereits im I. 1823 geschrieben,
betrifft jedoch einen Gegenstand, über welchen eine aus-
führliche Erörterung noch keineswegs überflüssig ist, da-
her wir den Freunden der alte» Kunst durch die Mit-
tycilung derselben einen wahrhaften Dienst zu leisten
glauben. Einige Hinweisungen ans spätere Nachrichten
und Meinungen, welche sich auf die Gruppe der Niobe
oder die Darstellung der Niobidenfabel beziehen, sind von
uns an den gehörigen Stellen beigefügt worden.

. Red.

>) Selbst Hr. Stieglitz i» seiner Archäologie der Bankimst
der Grieche» »nd Römer, so wie auch Böttiger in seinen
Andeutungen archäologischer Vorträge, spricht nur von
erhobenen Werken,, welche in den Giebeln griechischer
Tempel gestanden, keineswegs aber von runden.

Herr Nibby' sucht nämlich in einer Abhandlung * *),
die über diese Bildsäule bekannt gemacht hat, wahrschein-
lich zu machen, daß auch diese Bildsäule einst einer Gie-
belgruppe angehört habe. Seine Gründe für die Mei-
nung, baß dieses Kunstwerk keinen sterbenden Fechter,
wofür man solchen früherer Zeit gehalten, sondern einen
tödtlich verwundeten Gallier vorstelle, haben sehr viel Ein-
leuchtendes. Die fremdartige Gesi'chtsbildnna, der Cha-
rakter der Haare und die Form des Schnnrbarts, das
strickartige Halsband, die übrigen Beiwerke und sämmt-
lichen Umstände zusammengenommen, scheinen allerdings
diese Meinung Zn.bestätigen. Doch bleibt Hr. Nibby bei
seiner sonst sehr wahrscheinlichen Erklärung dieser Bild-
säule nicht stehen, sondern geht kühn in das schwankende
'Reich der Vermuthnngen über und findet es wahrschein-
lich, daß auch dieses Kunstwerk einst einer Giebelgruppe
iangehört habe, welche die Niederlage der Gallier auf. dem
Parnaß zum Gegenstand hatte. Zur Bestärkung dieser
Hypothese führt Nibby eine Stelle aus dem Properz an 3),
wo nach seiner Auslegung die in den beiden Giebelfeldern
des palatinischen Apollotempels ausgestellten Gruppen an-
gegeben werden, welcher zu Folge in dem einen "Giebel
das tragische Ende der Kinder der Niobe, in dem andern

s) Osservazioni arlistico - antiquarie sopra la stalua
volgarmente nppelJata il Gladiator Moribondo del
Prof. St. Nibby. — Roma 1821.

3) Nibby will diese Stelle des Proporz. Lib. II. eleg.
XXIH. also gelesen haben:

Quaeris cur vcniam tibi tardior? Aurea Plioebi
Porticus a Magno Caesarc aperta fuit.

Tola erat in spatium poenis digesta columnis:

Inter quas Danai foemina turba senis.

Hic equidem Phocbo visus mihi pulcbrior ipso
Marmoreus tacita carmen hiare Lyra
Atque aram circumsletcrant armenta Myronis
Quatuor artiiieis vivida signa boves.

Tum medium Clario surgebat ronrmorc templum
et palria Phocbo earius Ortygia.

Auro solie erat supra iastigia currus,
et valvae, Libyci nobile dentis opus.

Altera dejectos Parnussi vertice Gallos,
Altera moerebant funera Tantalidos olc.
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