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N°. 1

u n st - B l a t l.

Dien st a g, Z. Januar i 8 3 o.

Neue Sale der Glyptothek in München.

Die gleichzeitige Vollendung von vier neuen Sälen
in der Glyptothek gibt uns die erfreuliche Hoffnung, in
diesem Jahr das ganze Gebäude beendigt und die Samm-
lung von Bildwerken, welche dasselbe aufnehmen soll, voll-
ständig ausgestellt zu sehen. Je mehr sich die Zahl der
antiken Denkmäler in Reihen und auf bestimmten Plätzen
ordnet, desto überraschender zeigt sich der Reichthum der.
so ganz neu gebildeten Sammlung; eigenthümliche Anord-
nung und Schmuck jedes Saals aber lassen immer mehr
und mehr die Idee, nach welcher das Innere des Gebäu-
des ausgeführt ist, überschauen, und man muß anerkennen,
daß die Architektur hier sowohl in Hinsicht auf Pracht,
als auf Schönheit und Bedeutsamkeit etwas Ausgezeich-
netes geleistet habe.

Der auf dem linken Flügel vollendete Saal ist eine
von oben beleuchtete Rotunde, vor dem Aeginetensaal ge-
legen, und wegen seiner Bestimmung, die Werke des äl-
testen griechischen Styls aufzunehmen, der Jncunabeln-
saal genannt. Zur Auszierung desselben hat der Ar-
chitekt einen bis jezt ganz ungewöhnlichen Farbenschmuck
gewählt. Die untere Wand besteht aus dunkelrothem
Stucco lnstro, der einen schönen Grund für die in Ni-
schen und auf Säulen aufgestellten Marmorwerke bildet;
die Cassaturen der Kuppel dagegen sind mit sternartigen
Verzierungen in Weiß und Gold auf azurblauem und
hochgrünem Grunde ausgefüllt , und stehen in heiterem
Eontrast mit dem Ernst des untern Theils. Der Fuß-
boden ist mit schwarzem und weißem, rvthem und brau-
nem Marmor eingelegt. Diese Zusammenstellung bunter
Farben, so wie die Form der Verzierungen selbst, erin-
nert augenblicklich an die alterthümliche Bemalung, die
wir an den Fragmenten des äginetischen Tempels und
mehrerer sicilischen, und ans Stackelbergs Zeichnungen
eines griechisch-etrurischen Grabes kennen gelernt haben.
Der Architekt, der in der Verzierung jedes Saals den
Charakter der darin enthaltenen Bildwerke anzudeuten
sucht, hat durch diesen Farbenschmuck auf die Eigenheit
der altgriechischen Architektur und Bildnerei hingewiesen,

welche sich nicht an der bloßen Form begnügte, sondern
zur Verstärkung ihrer sinnlichen Wirkung auch die bun-
teste Bemalung anzuwenden pflegte. Ernst und Pracht
vereinigen sich in der Wirkung, den dieser Saal ans das
Auge macht, auf überraschende Weise,, und der Anblick ist
um so eigenthümlicher, da man aus demselben den Aegi-
netensaal nud die drey ihm zunächst liegenden, einfacher
ansgezierten in perspektivischer Folge sieht. Der hier aus-
gestellten antiken Werke sind verhältnißmaßig wenige, weil
Denkmäler des ältesten griechischen Styls durchgängig sel-
ten sind, auch die mit hieher zu rechnenden Nachahmun-
gen des altgriechischen Styls aus römischer Zeit sich nicht
eben häufig finden; es sind daher noch einige Stellen für
künftige Erwerbungen leer geblieben.

1) Dem Eingänge gegenüber steht eine S p e s
von ächt-altgriechischer Arbeit. Figur in fast Lebensgröße,
aus weißem Marmor. Sie ist mit dem enggefalteten
Untergewand und dem geraden steiflinigen Obergewand be-
kleidet, das sie mit der linken Hand an der Hüfte hin-
aufhält. In der Rechten hält sie die Granatblüthe. Die
Haare sind in altgriechischer Weise gelockt und fallen hin-
ten breit über den Rücken herab. Der Kopf war abge-
brochen und läßt deshalb zweifelhaft, ob er ursprünglich
zur Statue gehört, der Tronk aber verrat!) seine altgrie-
chische Herkunft sowohl durch die Art der Ausarbeitung,
als hauptsächlich durch den Mangel der Hüften, der allen
weiblichen Statuen der altgriechischen Zeit eigen ist und
noch an das Acgvptische erinnert. Unter dem Knie war
die Figur abgebrochen und die Beine sind von da an
restaurirt.

2) Spes, Felicitas oder Abundantia, Figur
aus weißem Marmor, in halber Lebensgröße, römische
Nachahmung des griechischen Styls. Sie ist ähnlich der
vorigen drapirt und hält das Gewand an der rechten
Hüfte empor; im linken Arm trägt sie ein Füllhorn, das
an den äußeren Theilen zwar restaurirt, in der Mitte
aber antik ist. Ihr Haarputz ist ungefähr so, wie der an
der äginetischen Minerva geordnet, doch tragt sie ein
schmales Diadem über den Stirnlocken und in den Ohren
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