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N°. 27

Kunst-Bla t t.

Dienstag, 6. April i 8 3 o.

Deutsche Kunst in Genf.

(Fortsetzung von Nro. 62. v. I.)

Fünfte und lezte Epoche, von 1599 dis auf die heu-
tige Zeit. — Ich zeigte Ihnen in allgemeinen Umrissen,
daß die bildende Kunst am Ende des XV. und Anfang
des XVI. Jahrhunderts in Deutschland zu einer Höhe ge-
diehen war, die fast an die Herrlichkeit der Kunst jenseits
der Alpen um dieselbe Zeit erinnert. So sollte eö aber
nicht bleiben. Es zog ein Meteor den europäischen Hori-
zont herauf, das zuerst in Deutschland seine Blitze und
Donner entlud. Die Neformation theilte das Volk in
zwcp sich schroff und feindselig gegenüberstehende Halsten,
die drei Jahrhunderte lang vergaßen, daß der in Dichtung
und Kunst schaffende Geist nicht in die Kirche eingezwäugt
ist. Durch diese Spaltung litten die bildenden Künste so
sehr wie die Nationalliteratur. Man verfolgte sie in den
protestantischen Ländern und häufig wurden da die Mo-
numente, die Statuen und Gemälde zerstört, die an die
vergangene Zeit erinnerten. Zwar hielten die Katholiken
fortwährend an den Künsten und gaben ihnen an Hofen,
in Kirchen und Klöstern, selbst in Kriegszeiten zu thun.
Aber bald übten die Jesuiten auch auf sie einen nachthei-
ligen Einfluß. Von ihnen ging ein wunderlicher Stpl in
der Architektur, Skulptur und Malerei aus, dem man
lange im südlichen Deutschland gefolgt ist.

Die fünfte deutsche Kunstepoche ist die Zeit der §on-
traste, und in ihr spiegeln sich alle Phasen der politischen
rmd Nationalgeschichte wieder. Die Reformation, die bald
khren wahren nationalen Charakter und ihre Reinheit ver-
lor und in theologisches Gezänk ausartete, änderte nur
allzufrüh den deutschen Sinn. Vor der Neformation wa-
ren die Deutschen ein Volk voll Heiterkeit, Sang, Klang,
Poesie und Enthusiasmus für die Kunst. Wie ganz an-
ders war dies schon fünfzig Jahre nach Luther! Da er-
füllte Haß, .Galle und alltägliche Trockenheit die Gemüther.
Ehemalige Freunde und Nachbarn sahen sich nun mit Ab-
scheu oder Mißtrauen an. Kaum waren den Deutschen

noch Sprache und einige schwache Züge des Genies ge-
meinschaftlich.

Die Hofhaltung des Herzogs Albert V. von Bayern
war damals der Hauptverein der Gelehrten und Künstler
in Deutschland. Dieser Fürst kaufte auch schon Gemälde
zur Anlegung einer Sammlung an, die durch feine Nach-
folger bedeutend vermehrt worden ist. Später folgten
unsre Fürsten, selbst in protestantischen Ländern, z. B. in
Sachsen und in der Rheinpfalz, seinem Beispiel. Es ist
nicht zu verkennen, diese Sammlungen, so gering sie auch
im Anfang seyn mochten, haben ein großes Verdienst.
Denn in jenen langen Jahren der Wuth, der Kriege, der
Zerstörung, der Verarmung, der Verzweiflung und —
was schlimmer als alles andere ist — der Erniedrigung
haben sie, wie die Bibliotheken, wesentlich mit beigetragen,
Wissenschaften, Künste, Geschmack und mit ihnen die Ci-
vilisation zu erhalten.

Herzog Alberts Nachfolger, Marimilian I., bot in
München den Künsten ein glänzendes Asyl an. Palläste,
Kirchen und Klöster wurden gebaut und mit schonen Erz-
und Marmorwerken, oder mit Fresken und andern Ge-
mälden ausgeschmückt. Herrliche Monumente wurden er-
richtet. Hier arbeiteten viel Italiener in alten Fächern.
Unglücklicherweise war ihr Geschmack, der damals herrschte,
schon manierirt geworden.

Indessen hatten die Rheinufer einen Theil ihres al-
ten Knnstruhms erhalten, und in Kölln lebten sortgesezt
eine Menge guter und selbst ausgezeichneter Künstler.

Das protestantische Deutschland rechnete es sich fast
zum Ruhm, daß es sich ganz von den Künsten abgewandt
hatte, und daß sie bei ihm darniederlagen. Luther selbst
hatte nicht so gedacht, sondern wußte Kunstsachen recht gut
zu schätzen. Die Sprecher und Herren der Kirche betrach-
teten sie wie irreligiöse, oder doch wenigstens wie frivole
Dinge. Die Fürsten aber hatten mit ihrer politischen
Stellung zu viel zu thun und zu sorgen, um an die Kunst
zu denken. Sie waren überdies zu arm, um etwas zu
deren Aufmunterung zu thun. In Norddeutschland, de-
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