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N°. 71

K u n st - B lat t.

Dienstag, 7. S e p t e m b e v 1 8 3 0.

Kunstausstellung in Mailand im Jahr 1829.

(Fortsetzung.)

Schmelz und Glanz der Farben zieht immer die Au-
gen auf die Bilder des Malers und Akademikers Franz
Hapez, und dies ist das vorzüglichste Verdienst seines
£cc° Homo von natürlicher Größe. Der Kopf ist schön,
bat einen Ausdruck der Milde, aber es fehlt ihm der
Charakter göttlicher Schönheit, den man an den Werken
griechischer Künstler bewundert, wenn sie ihre Götter oder
Helden darstellten. Sie haben selbst Vulkan dem Schmiede,
dem Herkules kräftige, stark ausgedrückte Muskeln gege-
ben, aber dabei Sorge getragen, die Formen zu mildern,
indem sie dieselben mit einem elastischen Fleische überzo-
gen. Sie würden gewiß nicht dem Halse eines Christus
Muskeln gegeben haben, die wie Stricke hervorstehen, noch
so emporragende Schlüsselbeine oder so abgemagerte Fin-
ger, wie sie nur ein durch Fasten schon ganz erschöpfter
Coenobitc haben kann. Eine schöne Purpur-Draperie und
ein im Lichte schimmernder Hintergrund reichen für einen
göttlichen Gegenstand nicht aus.

Seine heilige Jungfrau, gleichfalls von natürlicher
Größe, habe ich gerne gesehen, und in ihr die Mutter
Gottes gefunden.

Dieses Jahr haben wir keinen Mangel an büßenden
Magdalenen, denn man glaubt, daß zwei zum Himmel
emporgerichtete Augen, ein schönes blondes Haar, das
recht laug herabfällt, ein Todteukopf, eine Matte, alle
Wünsche eines Liebhabers befriedigen müßten. Man scheint
dabei zu vergessen, daß man dem Kunstrichter schöne Ar-
me, eine reizende Hand, wohlgestaltete Füße zeigen müsse.
Hrn. Cäsar Poggi ist, den ziemlich angenehmen Aus-
druck des Schmerzes im Antlitz eines hübschen Weibes
ausgenommen, nichts Höheres vor Augen getänden.

Eine dicke, plumpe, römische Bäuerin oder "Magd hat
zum Modelle der Magdalena des Hrn. Karl Arienti
gedient; sie ist von natürlicher Größe. Wenn man diese
ungeheuren Schenkel sieht, kann man kaum glauben, daß
der Künstler sein Bild in der Nahe von Meisterwerken

gemalt habe, die zu studiren er nach Rom gegangen
sepn soll.

Eine sehr schöne Jungfrau, welche in den lezten Jah-
ren ausgestellt war, und Alles übertraf, was man in die-
sen Sälen sah, versprach uns von dem Pinsel des Hrn.
Philipp Agricola aus Rom eine Magdalena, welche
alle übrigen verdunkeln würde, wie es das Portrait des
Dichters Monti gethan hatte. Aber wir erkannten in der
büßenden, heiligen Sünderin weder das Kolorit noch die
Zeichnung Agrikola's wieder: die Arme sind besonders
schlecht. Dieser Gegenstand ist für Niemand günstig ge-
wesen.

P r 0 f a n - G e s ch i ch t e.

Hier eröffnet sich der Malerei ein weites Feld, aber
die alte Geschichte und die Fabel sind gegenwärtig in un-
serer Schule ganz verlassen; außer dem Preise der Male-
rei und der Zeichnung bieten uns alle Bilder, groß und
klein, nur Scenen aus der modernen Geschichte oder aus
Walter Scott. Die Kunst gewinnt dabei nicht, denn
durch das Ausschließen des Nackten vernachlässigt man
das Studium der Zeichnung. Denn es ist nicht uothwen-
dig,. sich durch die Anatomie von der Lage und dem Laufe
der Muskeln zu unterrichten, um Helden zu zeichnen, die
mit dicken Rüstungen von Eisen oder mit Panzern bedeckt
sind, die man in Kleider, wieCollets u. dgl. hüllt, oder in
dicke Stoffe, wie Sammt, und von Stickereien schwere Tücher,
die man mit Korsetten, weiten Aermeln, mit bauschigen
Hemdekrausen, Hosen auf die Waden geklebt, ganz runden
oder mit Schleifen gezierten Scbuhen, kleinen Mänteln,
Pelzwerk u. s. w. bekleidet. Auf diese Art ist schnell eine
wohlgebaute Figur fertig. DaS ganze Talent des Zeichners
wird sich hier darauf beschränken, den Köpfen einen wah-
ren und gefühlten Ausdruck zu geben, die Hände mit
Grazie zu entwerfen, das übrige kann man aus einem
Tragkorbe nehmen. So werden die zahlreichen, in unfern
prächtigen Museen verbreiteten Modelle unnützlich, diese
kostbaren Marmore sind zu nichts mehr vorhanden, als
um in gelehrten Abhandlungen die Antiquare zu beschäf-
tigen. Wenn dieser Zustand fortdauert, wird man nichts
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