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mehr aus Homer für die Malerei entnehmen, und wir
werden bald Gelegenheit haben, dies zu beweisen.

Ein großes Gemälde von fünf bis sechs Fuß Breite,
von Hrn. Hayez gemalt, stellte Philipp Maria Visconti,
Herzog von Mailand, dar, wie er den zwei Königen von
Arragonien und Navarra, Gefangenen der Genueser, die
damals seine Unterthanen waren, ihre Kronen zurückstellt.
Der Herzog sitzt auf einem erhabenen Throne unter einem
reichen Baldachin. Die Kronen und Sccpter sind unten
am Thron auf einem schönen Sammtkfffen» davor ste-
hen die beiden Könige, die ihre vergoldeten Armstühle
leer gelassen haben, und deren perspektivische Stel-
lung ein wenia zweideutig ist. Einer der Könige leistet
den Eidschwur auf ein Evangelienbuch mit Miniaturen,
das ein knieeuder Page hält. Die übrige Scene füllen
Zuschauer, unter denen sich hübsche junge Frauen, auf
allen Seiten bewaffnete Wachen, und im Vordergrund ein
Kanzler befinden. Der leztere hält aufgeschlagene Akten,
und wird vom Rücken gesehen. Dieser Gegenstand ist aus
den Verhandlungen des Kanzlers Castiglioni genommen,
die der Ritter Ludwig Castiglioni in seinem Archive aus
bewahrt.

Man wird Hrn. Hapez den Geist der Erfindung
und eine schöne Anordnung nicht streitig machen können;
in allen seinen Bildern erkennt man eine lebhafte Einbil-
dungskraft, welche den venezianischen Malern aller Zeiten
so ziemlich cigenthümlich ist, jedoch geregelt durch eine
verständige Berechnung, mit Gewandtheit der Scene
Interesse zu geben weiß. Alles ist in Bewegung auf dein
Bi.de, wie wenig Bewegung auch ein Aktus dieser Art
unter den Zuschauern Hervorbringen kann. Man sagt, die
Phpsionomien des vornehmen Genueser drückten den Aer-
ger aus, sich in der Hoffnung auf ein großes Lösegeld, das
sie von diesen Gefangenen erwarteten, betrogen zu sehen. Alle
Stellungen sind ruhig, denn hier ist nichts Dramatisches,
keine große Leidenschaft bewegt die Handelnden, und wir
können also nur die Composition, die Anordnung, die Ko-
stüme, die Wirkungen des Lichts und die allgemeine Har-
monie bewundern. Die Leser wissen bereits aus früheren
Berichten, wie sehr Hr. Hayez in der Kunst zu drapi-
ren, und in der Nachahmung aller Stoffe, besonders der
mit Gold oder verschiedenen Farben durchwebten, sich aus-
zeichnet, und wir müssen auch dießmal wieder darauf zu-
rückkommen.

Die Zeichnung schien uns ein wenig vernachlässigt,
und wir denken nicht, wie ein Mailänder Journalist, wel-
cher behauptet, der Maler, von seinem Gegenstände dahin-
gerissen, könne nicht ausschließlich auf die Correktheit sein
Augenmerk richten, wenn es ihm gelungen sey, Interesse
zu erregen. Würde man einem tragischen Schriftsteller
eine Menge schlechter oder zu prosaischer Verse verzeihen,
weil er auffallende Theatercoups anzubringen gewußt hat?

Der Kopf des Herzogs ist zu klein. An seiner Seite steht
ein Bischof, der, wie es scheint, die Eidesformel spricht,
neben diesem ist ein geharnischter Soldat, der ihn fest an-
blickt, was vermuthen laßt, daß die Worte deo Prälaten
ihn beschäftigen. Dies angenommen, begreifen wir nicht,
warum die Figur des Bischofs ganz und gar jenen Heili-
genbildern gleicht, die an den Thoren der Kirchen, beson-
ders der gothischen, oder auf den Gräbern aus eben der
der Zeit, so roh ausgehauen sind? Warum die Fallen
so gleich, so perpendikulär, wie Getreide-Halme?

Warum wurde dieser Figur beinahe zwölf Kopfhöben
gegeben? Wären ihre Augen nicht auf die zwei Könige
gerichtet, blickte der Soldat sie nicht mit Aufmerksamkeit
an, was vermuthen läßt, daß es eine lebende Person ist,
konnte man sie mit vollem Rechte für eine jener sonder-
baren gothischen Bildnisse aus Holz nehmen, die man ge-
malt und vergoldet auf die Altäre stellte. Der Kanzler,
der sich mit dem Rücken vrasentirt, hat die Beine so ge-
stellt, daß seine Figur, im Vordergründe, mit ihrem kur-
zen Mantel jenem Spielwerke gleicht, das die Kinder auf
einem wische springen lassen.

Es ist augenscheinlich einer der Grundsätze des Ro-
mantismus, in die Malereei solche bizarre oder unedle
Formen einzuführen, weil es in der Natur deren gibt.
Man findet freilich verzerrte oder zurückstoßende Physiono-
mien, ist dieses aber ein Grund, sie ohne unumgäng-
liche, historische Nothwendigkeic in ein historisches Bild
aufzunehmen? — „Die Häßlichkeit d.-r Formen," sagt
Lessing in seinem Laokoon, „kann, weil die Empfindung,
welche sie erregt, unangenehm, und doch nicht von derje-
nigen Art unangenehmer Empfindungen ist, welche sich
durch Nachahmung in angenehme verwandeln, an und
vor sich selbst kein Vorwurf der Malerei, als schöner

Kunst, sepn," und ferner:.„In der Malerei hat

die Häßlichkeit alle ihre Kräfte beisammen, und wirket
nicht viel schwächer, als in der Natur selbst." Ein edler
Genueser, blaß, mager, grün und gelb, wie ein Kranker,
der aus dem Spitale kömmt, und ein anderer-mit platt-
gedrückter Nase, eine lange und hagere Figur, und so
roth wie eine Mohrrübe, müssen aus einem Gemälde ver-
bannt sepn, wenn dies nicht zur Karrikatur herabsinken
soll.

(Die Fortsetzung folgt.)

Untersuchungen über den Unterschied zwischen Genre
undHistorie in der bildenden Kunst.
(Beschluß.)

Wer vor dem ewigen blüthcnreichen Frühling der al-
ten Welt mit offenen Sinnen steht, und die Stärkung
genossen und die Freudigkeit, die aus dieser Lebensfülle
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