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Indeß stockte es doch bei der allgemeinen Invasion
der Franzosen in die meisten europäischen Länder, und
bei dem daraus hervorgehenden Geldmangel, bald unge-
mein mit dem Absatz seiner Gemälde, von denen er daher
eine große Anzahl in Vorrath bekam; denn Hackert ar-
beitete ungewöhnlich rasch, und in der Regel nur 14 bis
15 Tage an einem Bild von circa 2 Fuß Breite (sein ge-
wöhnliches Format, von dem er in der lezten Zeit nur
selten abwich) und für das er sich mindestens 60 Dukaten
bezahlen ließ. Diese Stockung seines Verdienstes beun-
ruhigte ihn, wiewohl er monatlich noch 50 Jechinen Ein-
künfte befaß, und Bedienten, Kutscher und Koch halten
konnte, welcher leztere, mit Namen Lazaro, beiläufig
gesagt, aus Corsica gebürtig und ein naher Anverwandter
Napoleons war. In solcher trüben Stimmung pflegte er
dann immer sich an die Tage seines Glanzes in Neapel
zu erinnern (bekanntlich war es die Ungunst der revo-
lutionären Zeitumstände, welche ihn aus diesem Sitze
seines Glückes vertrieb), und tiefseufzend zu sagen: ,,jezt
bin ich daiis Ia misere!“ Unter diesen Sorgen kani er
denn auf die Idee, mich mit einer Anzahl seiner Gemälde
nach Wien zu senden, und Adressen, sowohl an die regie-
rende Kaiserin, welcher er einst Zeichenunterricht ertheilt
hatte, als an mehrere Große seiner Bekanntschaft mitzugeben.
Sehr wohlberechnet, und seinem preußischen Pfiff getreu,
war unter andern die an den russischen Gesandten, den er
von Neapel her kannte. Er beehrte sich darin, als An-
denken der froh verlebten Tage, Sr. Ercellenz ein Jagd-
stück zu verehren, auf welchem Hochdieselben, in Gesell-
schaft Sr. Maj. des Königs, vorgestellt wären. Zugleich
aber nähme er sich die Crlaubniß, Hochdenenselben ein
zweites Thierstück, einen Kohl fressenden Hasen darstellend,
für 80 Dukaten zum Kauf anzubieten. Se. Ercellenz
nahmen das Präsent ziemlich kalt auf, denn in der That
hatte es auch wenig künstlerischen Werth. Im Vorgrunde
nämlich befand sich etwas Gebüsch, und im Mittelgründe
eine das ganze Bild der Breite nach einnehmende Brücke
mit mehreren, kaum zollhohen, menschlichen Figürchen
besezt, von welchen zwei auf ein in einem Fluß schwim-
mendes Schwein zielrc», die den König und den Ge-
sandten verstellen sollten, aber durch nichts, als durch
zwei weiße Pünktchen auf der Brust bezeichnet waren.
Indeß gelang unserm Hackert seine Absicht vollkommen.
Der Gesandte sah sich Ehren halber genöthigt, den Hasen
zu kaufen, und, da er nothwendiger Weise ein Geschenk
durch ein Geschenk erwiedern mußte, so überreichte er
mir die verlangten 80 Dukaten in einer goldenen Dose. —
Weit werthvoller war ein anderes Stück dieser Sendung,
das auch Goethe zu seiner Zeit im Morgenblatt, auf den
Grund meiner ihm gelieferten ausführlichen Beschreibung,
besprochen hat. Es war in einem größeren Format als
gewöhnlich, und wurde um roo Dukaten verkauft. Das

Leben des Künstlers allegorisch vorstellend, zeigte sich im
Hintergründe heitere Ferne, weiterhin ein Bach und ein
Tempel des Amor, darauf ein Wassersturz (die Revolution
von Neapel versinnlichend), und endlich im Vordergründe
Hackert selbst als Greis unter einem Baume sitzend mit
seinem treuen Hunde. (Theron war der Name des Hun-
des, von dem er sehr viel hielt und den er wohl zehnmal
des Tages während des Malens hinaus und herein ließ.)

Mit dem anderweitigen Absatz sah es mißlicher aus.
Der allerhöchste Hof entschuldigte sich wegen der traurigen
Zeitläufte, und ihm folgte eine bedeutende Anzahl von
Großen aller Art, an' die ich empfohlen war. Indeß
schloß ich im Ganzen doch immer einen leidlichen Handel,
erhielt aber zu meiner Verwunderung auf alle meine
Briefe keine Zeile Antwort von unserm Hackert. Als ich
endlich, ungeduldig, mich selbst ausmachte und nach Flo-
renz zurückkehre, finde ich ihn vom Schlage getroffen im
Bette liegen, und mir mit hervorbrechenden Thränen die
Hände entgegenstrecken. Der große Schmerz über das
Unglück seines Vaterlandes hatte ihm das Herz gebrochen.
Denn er war jederzeit bereit, Stein und Bein darauf zu
verwetten, daß die Kraft Napoleons an dem Muth und
der Tapferkeit der preußischen Krieger, in welchen, wie
er wähnte, noch der Geist Friedrichs des Großen sortlebe,
gebrochen werden würde.

AlS nun alle Wünsche und Hcffnungen seines patrio-
tischen Herzens in der unglücklichen Schlacht bei Jena
zusammengesunken waren, wurde er kurz nach erhaltener
Schreckensnachricht, nämlich am Ende des Jahres isog
(nicht von 1805, wie es irrthümlich im Leipziger Con-
versations-Lerikon heißt) von einem gefährlichen Schlag-
fluß getroffen, welcher ihm die ganze rechte Seite lähmte.
Indeß lebte er noch mehrere Monate in diesem traurigen
Zustande, und fing schon wieder an, wie oben bmierkt
worden, sich im Bette mit der Linken im Zeichnen zu
üben, als sein Leiden gemach sich so sehr vergrößerte, daß
er Ausgangs April 1807 unter den größten Schmerzen
verschied. Seine Angst war so groß, daß er anfing, alle
Heiligen, besonders aber die heilige Jungfrau und den
heiligen Antonius, anzurufcn, was mich mit dem tiefsten
Schmerze über die Hülf- und Rathlosigkeit unsrer sinken-
den .Natur und den schreienden Widerspruch unsers In-
nern, einen jungen Maler aber, der die frühere Frei-
geisterei des Sterbenden kannte, mit so unwillkührlichem
Lächeln erfüllte, daß er sich umkehren mußte, um seine
brechenden Augen nicht zu beleidigen und seine Angst zur
Verzweiflung zu steigern.

Da der Künstler ohne Familie war, so siel sein nicht
unbedeutender Nachlaß an fernere Verwandte in der alten
Vaterstadt Prenzlau.

So weit Hr. Titel, der den Vf. darauf vor das von
ihm in Oel gemalte Porträt unsers Hackert führte, welches
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