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schon durch den Enthusiasmus beweisen, der sich in
Magdeburg wie hier täglich aussprach. — Der Moment
ist: Der Abschied in der Balkonscene im drirten Act.
Romeo sizt auf der äußern Brüstung des Balkons, Julie,
halb knieend, halt ihn innig umfaßt, liebend flehend:
„0 bleibe noch: zu gehn ist ja nickt Noth." — Julie ist
bezaubernd in ihrem Liebreiz, in ihrer Hingebung; das
sehnsüchtig bittende Auge, der halbgeöffnete Mund, das
ganze Wesen athmet Liebe. Ihre Figur, wie hingegossen,
hat das rechte Maß zwischen Fülle und Scklankheir;
wunderschön ist das reickgemusterte, seidene, goldfarbene
Gewand und von einem Farbenglanze, der den besten
Venetianern nichts nachgibt. Romeo gefällt den Damen
minder, man findet zu viel Sorgliches, zu wenig Kräfti-
ges und Unternehmendes in seinem Gefickte. Dennoch
darf er wohl etwas ermüdet und besorgt vor den Dolchen
seiner Feinde scvn. Sein ausliegender Schenkel ist zu
wenig modellirt und das brillante Lickt auf Juliens Ge-
stalt sicher zu hell gegen den Ton der Luft und der Land-
schaft, zuverlässig aber nicht ohne Absicht des Künstlers,
denn ohne diese Liccnz wäre sicher keine so bedeutende
Farbenwirkung des ganzen Bildes erreicht.

Halberstadt, im Mai 1838.

LncnnnS.

ttod) einige Gedanken über Hans Halbem und
Hans H'itzelbnrger in ihrem Verhältnisse zur
/armschneidekuuss.

(Fortseyung.)

Ware mir durch obige Andeutungen zu zeigen ge-
lungen, daß Holbein, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht
der Formschneider der verschiedenen Titeleinfassungen seyn
kann, die vom I. 1516 bis 1523, und auch noch später,
da derselbe schon in der Blüthe seiner Kunst stand, er-
schienen; daß ein Künstler von Ruf und Ehre, wie Hvl-
bein, sich schwerlich der Dcmütbigung würde unterzogen
haben, Schüler-Arbeiten mit seinem Namen zu liefern,
wie diese Einfassungen sind: habe ich besonders auch auf
den Widerspruch aufmerksam gemacht, in den Rumohr
verfällt, daß derselbe Künstler schon 1518 mit den vor-
trefflichen Vorstellungen des Tvdlentanzes angefangen,
und bald darauf auch die meisterhaften Bilder des «Iren
Testaments geschnitten haben soll, während erst 1519 das
scklechk gcscknikrene Titelblatt zu den Freiburger Stadr-
reckren mir Holbeins Zeichen, und noch spater eben so
schlecht auegefühne Blätter mit demselben Zeichen gefer-
tigt worden, daß also Holbein unmöglich zugleich die
rincn wie die andern geschnitten haben könne, so bliebe
für jezt zu untersuchen, welche von beiden, die besser»

oder die schlechtcrn, ihm zu vindicire» wären, angenom-
men, die einen oder die andern sepen von seiner Hand.

Was leztere, die schlechtcrn, anbetriffc, so habe ich
mich darüber oben ausgesprochen, und bleibt mir für jezt
nichts beizufügen. Allein auch bei dieser großen Anzahl
besserer Arbeiten habe ich das Glück nicht, mich durch
Rumobrs scharfsinnige Beobachtungen und Bemerkungen
eines Andern belehren zu lassen, sondern ich muß in
meiner Verstockung verharren, daß nämlich auch diese
bessern Arbeiten, — als die Bilder des Todes, die Bilder
zum alten Testamente, die Alphabete u. s. w. schwerlich,
und vielleicht weniger noch als die schlechtcrn, eigenhändig
von Holbein geschnitten senn können, gerade weil sie mir
zu vollkommen, z» praktisch, ich mochte sagen zu kühn
für einen Künstler Vorkommen, der sich nicht schon von
Jugend auf im Formschneiden geübt, und sich nicht aus-
schließlich diesem Fache gewidmet hatte; was aber gerade
mit Holbein nickt der Fall war, und nicht seyn konnte,
oder er wäre nie der große Maler geworden, der er war,
und hätte bis in sein achrundzwanzigstes Jahr, in welchem
er nach England abreiste, in seiner Vaterstadt und in
andern Städten und Klöstern der Schweiz und des Aus-
landes, worüber bei Hegner S. 117 nachzuschlagen, nicht
so Vieles zurücklassen können, das theils noch vorhanden,
theils fortgewandert oder zu Grunde gegangen ist. Muß
man sich schon wundern, wie er in so kurzer Zeit, ohne
fremde Hülfe, die Menge der Werke, von denen wir
noch wissen, schaffen konnte, wie sollte ihm noch möglich
gewesen sevn, Arbeiten im Formschnitte zu fördern, die
für sich allein einen mehrere Jahre langen Zeitaufwand
erheischten!

Wie ist auch wohl anzunehmen, daß Holbein im
Formschnittwesen es auf den hohen Grad gebracht haben
könne, wie die genannten Arbeiten zeigen, wenn ec nicht
vorher schwächere und stufenweise Hebungen darin gemacht
hat, von denen uns aber eben nichts bekannt ist. Denn,
man unterscheide wohl, es ist hier nicht von der geschickten
Zeichnung, von der geistvollen Charakteristik dieser besser"
Arbeiten, in der Holbein von Jugend auf sich ausgezeich-
net, die Rede, sondern von der geübten und sichern Hand,
die sie ausgeführt; und will man mir hier einwerfent
wen» denn Holbein diese Sachen nicht geschnitten, sondern
ein Hans Lützclburger, oder irgend ein Anderer, wo
bleiben dann die schwächern Vorarbeiten dieser: so habr
ich daraus bloß zu erwicdern: wir wissen nichts von
Luyelburgers Leben und Alter, und wissen nicht, wo er
gelernt hak, — wir kennen ihn bloß als de» praktische"
und geschickten Formschneider nach Holbeins Vorlagen,
wenn wirklich er es ist, dem die Ehre der Ausführung
jener Meisterwerke gebührt. Holbein hingegen kenne"
wir in seinen Verhältnissen und in seine» Arbeiten von
seiner Jugend an, und können ihm ziemlich nachrechnen,
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