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122 gs&ü^-

Manncs mit allerlei Abzeichen wahrhaft belastet worben set)n.

Die Einfachheit, zu der wir znrückgclangt find, wird uns erst
recht auffällig, ja wohlthuend, wenn wir zu den Transparent-
gemälden und ähnlichem Flittertand zurückkehren, zu denen der
Künstler seine köstlichste Weisheit aus den Büchern der Gelehrten
zu leihen Pflegte. Selbst frische, lebensvolle Gestalten wurden
durch solchen Theaterputz zu Haubenstöcken.

Ein anderer Vortheil. den fich die bildende Kunst wieder
zu Nutze zu machen gewußt hat, ist die geschickte und vielseiti-
gere Anwendung des Reliefs, welches bei einem Standbild die !
Verbindung zwischen idealer Große und historischer Wirklichkeit i
vermitteln muß, ähnlich wie in der Freskomalerei die Arabesken-
einfassung zu thun pflegt. Dadurch wird cs in unserm Falle
möglich werden, dem Doktor Olbers neben dem Astronomen
sein Recht widerfahren zu lassen. Denn allerdings wäre es i
schade gewesen, wenn ein Denkmal des großen Mannes nicht
auch seines praktischen Wirkens, seines Erdenberufs, den er so
lieb hatte, daß er ihn nimmer aufgeben mochte, seiner Bürgcr-
tugenden hätte gedenken wollen. Das Piedestal, welches die
9 Fuß hohe Statue zu tragen bestimmt ist, wird mit Reliefs ,
geschmückt werden, die die dreifache Sphäre seiner Lebensthätig-
keit als Astronom, als Arzt und als Staatsbürger zu schildern
versuchen müssen. Dadurch wird das Ganze zu einem ächten
Kunstganzen werden, welches fich durch stch selbst erläutert und
sein Verständniß nicht von außen her zu borgen hat. Denn
eine Zuschrift allein ist nicht immer dazu geeignet, den Schlüssel
zu demselben für Zedermann zu gewähren. Auf der andern
Seite ist zu wünschen, daß auch dieser Theil des poetischen
Schmucks nicht als Nebensache behandelt werde. In unserm
Fall enthält dazu die schönsten Elemente das Programm, mit
welchem die Sternwarte Seeberg den Jubelgreis im Jahr 1830
begrüßt hat. Die von Friedrich Jacobs verfaßte Votivtafel
ist ein Meisterstück'und es wäre fast zu wünschen, daß einige
der schönsten Ausdrücke, die das wunderbar glückliche Wirken
des großen Sterncnsehcrs auf das sinnigste schildern, in die
Inschrift dieser Basis wörtlich ausgenommen würden. Denn
sowie die herrlichen Deckengemälde des Raffael durch die lench-
tenden Motto'ö, welche Bembo neben die Figuren des großen
Urbinaten gesetzt, für viele erst das wahre geistige Verständniß
erhalten, so würde auch eine solche Beigabe leicht ini Stande
seyn, der späten Nachwelt das Verdienst des hier im Denkmal
geehrten Weisen beredter zu verkünden, als es die Kunst ganz
allein und für sich zu thun gar nicht wollen muß. Denn
bei einem auf allseitige Wirkung berechneten Kunstwerk müssen
auch alle Fähigkeiten des Menschengcistcs nach Möglichkeit be-
dacht werden.

Zur deutschen Kunstgeschichte.

Haus Haldung Grün.

Da über diesen vorzüglichen altdeutschen Historienmaler,
trefflichen Formschneider, besonders in Helldunkel, und Kupfer-
stecher die biographischen Nachrichten vielfach sich widersprechend,
irrig und mangelhaft sind, so will ich hier versuchen, dieselben
in der Kürze auseinanderzusetzen.

Hans Baldung, genannt Grün, Grien oder Gr neu,
welche letztere Benennung er sich beilegte (Bart sch's 1 i * Ver-
muthung ist unrichtig, wenn er glaubte, sein Familienname
sey Grün gewesen), wurde zu Gmünd in Schwaben geboren,
nicht zu Weyershcim am Thurm, 3 Stunden von Straßburg,

1 Le (jeintre graveur Vif. p. 302.

wie Herrmann 1 angibt. Beides bezeugt die Inschrift auf
seinem vortrefflichen Altargemäldc im Münster zu Freiburg im
Breisgau, welche heißt: Joanne« Baldung cog. Grien Gamun-
dianus Deo et Virtute auspicibus faciebat. Sein Geburts-
jahr setzt man auf 1470 oder 1476. Er arbeitete in Schwaben,
im Breisgau, in der Schweiz und im Elsaß; 1496 schmückte
er mit Gemälden das badische Nonnenkloster Lichtenthal, in
welchem sich seine Schwester befand. Mehrere Jahre lebte er
zu Freiburg im Brcisgau und fertigte für die Münsterkirche
allda das große, ans vielen Tafeln bestehende Hochaltargemälde;
in der Münsterrechnung - kommt er 1513 zum erstenmale vor
und erhielt per Abschlag 190 fl. 14 Pf. Im Jahr 1516 war
das vortreffliche Werk vollendet, für welches er noch dritthalb
hundert Gulden zu empfangen hatte. Diese damals so ansehn-
liche Summe, welche nach unserm jetzigen Geldwerthe wenig-
stens 3500 fl. betragen würde, überließ er der Verwaltung für
den Bau des Münsters, und behielt sich und seiner Frau ein
jährliches Leibgeding von 25 fl. daraus vor, welches ihm auch
bis 1548, und von da an die Hälfte, bezahlt wurde. Von
Freiburg zog er nach Straßburg, wo er zufolge der Münster-
rechnung von 1533 bis zu seinem Tode verweilte. Seine Frau,
Margaretha, eine gebvrne Straßburgerin, war die Schwester
des Kanonikus Christ manu H erlin bei St. Peter. Hier
kommt er als bischöflicher Hofmaler und als Mitglied des großen
Raths vor, und wnrde allgemein geachtet und geliebt, wie sein
großes Leichenbegängniß bezeugte. 3 * 5 Er starb nach der Freibur-
ger Münsterrechnung 1552 am Lorenzentag; in derselben heißt
cs nämlich: „1552 Uf Gireumeisionis Domini. 11. 8 Pfund
12 Schilling 6 Pfenning den, Baldung Maler zu Straßburg.
Obiit Lorencii Ao. 1552," wonach Bartsch, Malpe, MalaSpina,
Joubert, Nagler und Konverfationslerikon für bildende Kunst re.
zu berichtigen sind.

Mit unserm großen Alb recht Dürer stand Baldung
in sehr freundschaftlichem Verhältniß. Ersterer nahm auf seiner
Reise nach den Niederlanden 1520 und 1521 Blätter von ihm
mit, welche er verkaufte oder verschenkte. In seinem Tagebuche
heißt es einmal bei Antwerpen: „Ich Hab Meister Joachim
(Patenier) des Grünhansen Ding (Werk, Holzschnitte und
Kupferstiche) geschenkt." Nach dem Tode Dürers bekam Hans
Baldung eine Locke von dessen Haupthaar, welche er als kostbare
Reliquie aufbewahrte. Nach seinem Ableben kam dieselbe in
den Besitz des Straßburger Malers Nikolaus Krämer, welcher
die hinterlassenen Kunstsachen des Baldung erwarb; später an
dessen Schwager, den Straßburger Maler Sebald Büheler,
und nach dessen Hinscheiden 1595 an seinen Schwager H. C.
Zall Lu eckschaff»er, welcher sie dem Glasmaler Josias
Schacher schenkte. 1632 befand sie sich in der Schacrl'schen
und 1649 in der Balth. Ludw. Künast'schen Kunstsammlung
in Straßburg. Im vorigen Jahrhundert besaß sie ein Herr
v. Holzhausen zu Frankfurt, dann 1798 der knnstiiebende
Hüsgen und später der Hofrath Schlosser. Wo mag sie stch
wohl jetzt befinden?

Die Ehefrau des Hans Baldung überlebte ihn und starb
nicht 1548, wie Schreiber a. a. O. S. 37 behauptet; denn sie
verschied als Wittwe in dem Nonnenkloster Lichtenthal, wo auch
eine Tochter vor ihr den Schleier genommen hatte.''

i Nntiees iiisloriqties, stalistiques et litleraires sur la ville

de Strasbourg.

r Siehe Ilr. Heinrich Schreiber« vortreffliche Geschichte und

Beschreibung des Münsters zu Freiburg in der 2tcn Lieferung der:
Denkmale deutscher Baukunst de« Mittelalter«, Karlsruhe 1826.

5 Siehe Ad. Walth. Strobels schätzbare Nachrichten über Straß-
burger Künstler >»: Denkmale deutscher Baukunst am Oberrhcin,
3tcä Heft, Karlsruhe 1828.

Kunstblatt 1834, S. 52.
Index
J. Heller: Zur deutschen Kunstgeschichte: Hans Baldung Grün.
 
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