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diese Zeichnungen auf Kosten der Regierung herausgegeben, die
Anordnung des Werkes und die Redaktion des TerteS aber Herrn
Botta als gerechte Belohnung für seine schöne und große Ent-
deckung Vorbehalten bleiben sollte. Wer nun die inzwischen
nach Paris gebrachten Originale und die davon gemachten Gyps-
abgüffc, welche schon iin Sommer 1845 nach Berlin gebracht
worden stnd, nicht benutzen kann, der muß sich bis zu dem
nächst zu erwartenden Erscheinen dieses Prachtwerkes mit den
vorlänstgen Zeichnungen begnügen, durch deren prompte Mit-
theilung sich das Journal Asiatique von 1843 und 1844 unsern
Dank verdient hat. Schon mittelst dieser Anschauung sind wir
in den Stand gesetzt, uns über den Stil dieser Kunst und über
die geistliche und weltliche Macht, in deren Dienst sie stand,
einen Begriff zu machen, und die interessanten Entdeckungen,
welche in der neuesten Zeit von Botta'S Nachfolger, No net,
bei dem chaldäischen Dorfe Malthai, sowie in der Nähe des
Kurdendorfes Bawian in den Gebirge» von Kurdistan, etwa
15 Stunden von Mosnl, in der Nähe des Schlachtfeldes von
Arbela, und von dein Engländer Layard in den Ruinen von
Nimrud, einige Stunden südlich von Mosnl, gemacht worden
sind, mit den bereits bekannten zusammenzustellen.

Die auf diesen Bildwerken dargestellten Gegenstände gehören
theils in das religiöse, theils in das historische Gebiet. Bon
letzterer Art ist der größte Theil der in den, Palaste von Chor-
sabad dargestellten Scene»; — wir sehen Krieger, welche zu
Fuß, zu Pferd oder zu Wagen kämpfen, eine Festung, die mit
Leitern erstiegen wird, die Belagerung einer auf einer Insel
gelegenen Stadt; das Meer ist mit Schiffen bedeckt, deren Vor-
dertheile einen Pfcrdskopf bilden; Seethiere aller Art, Fische,
Meerkrebse und geflügelte Seepferde schwimmen umher; vor-
nehme Personen iu langen niit Bordüren und Fransen reich
besetzten Mänteln wechseln ab mit andern, deren spärliches Kleid
nur bis auf die Knie reicht, und.mit Gefangenen, welche Fes-
seln an Händen und Füßen tragen. Die gewöhnliche Höhe ist
etwa 3 Fuß, mitunter finden sich aber auch kolossale Gestalten
von beiderlei Geschlecht, welche man für königliche Personen,
theils Sieger, theils Gefangene halten kann, lieber den Reliefs
befindet sich gewöhnlich Keilschrift, iu welcher ohne Zweifel der
Name und die Thatcn des Königs, der diesen Palast erbaut
hat, enthalten sind, und über dieser Schrift sind wieder Reliefs
angebracht. Mitten unter diesen historischen Scenen finden wir
aber auch mythologische Gegenstände, z. B. Menschen mit einem
Vogelskopf und Flügeln (Journal Asiatique 1844. pl. 38), be-
sonders aber kolossale, 15 Fuß hohe Stiere mit Menschenköpfen,
welche am Eingang der Portale, die der viereckigte Palast in
der Mitte jeder Fauade hatte, aufgestellt waren. Bei Malthai
fand Ronet auf einem steilen Felsen im Gebirge vier Reliefs,
jedes 6 Fuß hoch und 15 Fuß lang cingehauen: jedes enthält
v Personen, von denen 7 auf verschiedenen Thieren, Pferden,
Stieren, Löwen, Hunden u. s. w. stehen: iu der Mitte sitzt der
König auf einem von Affen gehaltenen Thron, der auf Löwen
ruht; Inschriften sind bei diesen Basreliefs nicht (Allgemeine
Zeitung, 1846, Beil. 30). Gegen Ende Novembers 1845 befand
sich Ronet in den Gebirgen von Kurdistan am Ufer des kleinen
Flusses Gaumel in der Nähe des Dorfes Bawian. Das Dorf
ist aus einer kleinen Fläche gebaut, wo die Felsenwände, welche
den Fluß einschlicßen, etwas zurücktreten; auf der dem Dorfe
gegenüberliegenden Seite erhebt sich ein senkrechter Felsen ans
weißem Marmor, der aus kolossalen übereinanderliegenden Schich-
ten begeht. Die unterste Schicht hat vom Wasserspiegel an etwa
50 Fuß Höhe und ist mit einem sehr erhoben gehauenen Relief
bedeckt, das vier Figuren enthält von etwa 30 Fuß Höhe; zwei
derselben ilchen auf dem Rücken von Thieren. Die zweite Schicht
des Marmors stellt zwei kolossale Löwen dar, die den Figuren,

welche auf der dritten Schicht ausgehauen waren, zum Fuß-
schemel gedient zu haben scheinen, aber dieser Theil des Felsen
i ist cingestürzt. Man sieht im Flußbett große Marmorwerke
liegen, die von einem ähnlichen Sturz eines Theils des Felsen
i Herkommen müssen: einer derselben enthält einen kolossalen ge-
flügelten Stier mit Menschengeficht, wie die in Chorsabad. lieber
! dem Stier sichen zwei menschliche Figuren in langen Röcken
und assyrischen Mützen, von denen die eine ans zwei Löwen
steht. In einer der höher» Schichten fand er in einer Ungeheuern
Zelle eine sehr verstümmelte menschliche Figur, auf beiden Seiten
eine assyrische Inschrift von 56 Zeilen auf jeder Seite (Allge-
meine Zeitung, 1846. Beil. Nr. 4l). Der Engländer Layard
, ging am Ende des Jahrs 1845 nach Mosnl, um assyrische Alter-
thümer zu suchen und fand in den Ruinen von Nimrud Bas-
reliefs und Inschriften, wurde aber von dem Pascha iu seinen
Arbeiten unterbrochen, ehe er etwas Erhebliches zu Tage geför-
dert hatte (Allgemeine Zeitung, 1846. Beil. Nr. 30); er nahm
aber mit dein Frühling seine Arbeiten wieder ans, und fand
nach einem Bericht von Konstantinopel vorn 30. März 1846
(a. a. O. Nr. 120) einen künstlichen Hügel, wie in Chorsabad.
Die Ruinen sind ebenfalls mit Erde verschüttet, aber die Schichte
ist in Nimrud nicht so tief wie in Chorsabad, so daß einem
großen Theil der Basreliefs die Köpfe fehlen. Die Bauart der
beiden Paläste war dieselbe; man findet in Nimrud wie dort
Thorwege aus kolossalen geflügelten Stieren, ferner Löwen mit
Menschenköpfen und Armen, in denen sie Blumen und zum
Theil Hirsche halten; überhaupt sind die mythologischen Gegen-
stände häufiger als in Chorsabad; die Zahl der Inschriften ist
sehr beträchtlich.

Fragen wir nun nach den rcligiöscu Ideen, welche den
erwähnten mythologischen Gegenständen zu Grunde liegen, so
wird uns eine Stelle des Berosus alsbald darüber ins Klar-
setzen, daß wir hier eine mit der babylonischen identische Reli-
gion zu suche» haben. Diejer chaldäische Priester berichtet über
die Kosmogonie der Babylonier Folgendes: * „Es war eine Zeit,
in der alles Finsterniß und Wasser war: in der Finstcruiß und
dem Wasser wurden wunderbare und ganz außerordentlich gestal-
tete Thiere erzeugt, Menschen mit zwei, einige mit vier Flügeln
und doppelten Angesichtern. Sie hatten nur Einen Körper, aber
zwei Köpfe, einen männlichen und einen weiblichen, dabei auch
doppelte Geschlechtstheile. Andere Menschen hatten Bocksschenkel
und Hörner; andere waren Pferdcfüßlcr und hatten die hinteren
Thcile vom Pferde, die vorderen vom Menschen, wie die Gestalt
der Hippokentauren. Da wurden auch Ochsen erzeugt
mit Menschenköpfe», Hunde mit vier Leibern und Fisch-
schwünzen; Menschen und andere Gestalten mit Pferdekörpern
und Köpfen und mit Fischschwänzen. Auch andere lebende
Wesen in der Gestalt der verschiedenen wilden Thiere; deßglcichen
Fische, Gewürme, Schlangen und viele andere wunderbare
Thiere mit den verschiedensten Gestalten, deren Bilder alle im
Tempel des BelnS bewahrt werden."

Diese Stelle bietet uns den sichern Kommentar zu allen
monströsen Kompositionen der assyrischen Bildwerke. Die Ochsen
mit Menschenköpfen stimmen aufs Genaueste mit der Beschrei-
bung des Berosus überein, und wenn in Nimrud diese Ochsen
auch Flügel haben, wenn ebendaselbst Löwen mit Meuschenköpfen
und Armen, in denen sie Blumen und znm Theil Hirsche hal-
ten, gefunden wurden, und wenn jede neue Entdeckung neue
Monstra zu Tage fördern wird, so sind Ließ Variationen der
an keine bestimmten Gesetze gebundenen Phantasie, welche eine
solche Menge verschiedener Kompositionen zuließ, daß Berosus

1 I. S. 49 cd. Richter, »ach der llebersetzung von Munter,
Religion der Babylonier, S. 37 fg.
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