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Donnerstag den 19. März 1846.

DerBildhauer Cauer und seine Statuetten
in Kreuznach.

(Schluß.)

Herr Cauer arbeitete fort und seine Arbeiten fanden in den
Kreisen, welche sie kennen lernten, einen immer steigenden
Beifall. Den historischen Statuetten folgten Phantasicgcbilde,
die noch mehr versprachen und den, Künstler einen Ruf verschaff-
ten , ans den er beim Beginne seiner bildhanerischen Thätigkeit
eben so wenig gerechnet hatte, als auf den Berns ein Zimmcr-
dekoratenr zu werden. Es war ein zufälliger Hergang. Das
Bad führt viele Mütter mit ihren Kindern nach Kreuznach.
Cauer, der die Kinder liebt und ihre Natur an seinen eigenen
studirt hat, beschäftigte sich in Mußestunden ein und das andere
dieser Kinder zu modclliren, nicht den Kopf, sondern die ganze
Figur. Nicht die Gesichtszüge sind das Charakteristische bei
einem noch in der physischen Entwicklung begriffenen Kinde,
sondern die Bewegungen der kleinen Glieder, der Hauch des
Lebens und der Unschuld, der die ganze Gestalt umschwebt.
Diesen Charakter wiederzugeben, die nnentfaltete Psyche der
Knaben und Mädchen in Stellung und Bewegung des kleinen
Körpers zum Leben zu bringen, gelang ihm so vollkommen,
daß nicht allein die Mütter ein gutes Porträt ihrer Kinder,
eine dauernde Erinnerung an die schnell entschwindende Zeit
mitfortnahmen, sondern diese Bildwerke durch ihre Anmnth auch
einen allgeineineren Werth erhielten. Dicß veranlaßte den Künst-
ler, ans dem Individuellen zum Allgemeinen übcrzngche». Aus
den Porträtbildungen wurden allegorische Gestalten. Die Blume,
die Taube in der Hand, den Stab, ans den cs sich lehnt, den
Hund, der es anspringt, Beigaben, welche die Poesie des
Künstlers unwillkürlich dem Kinde schenkte, je nach dessen Eigen-
thümlichkeit, und um in, Schaffen sich vor sich selbst zu rechtferti-
gen, sich über das bloße Porträtiren zu erheben, diese Beigabe»,
sage ich, führten von selbst zu jene», Ziele. Ans diesem Kinde
ward ein Engel, ans jenem ein singender Chorknabe; hier ent-
stand wie von selbst eine Brunnen-Nymphe, ein Frühling, ein
Winter. Andere verbanden sich und schon steht manche Gruppe
im Cauer'schen Atelier.

Diese Kinderbilder, in der Höhe von etwa 9 Zoll, sprechen
durch ihre Aehnlichkeit und Gefälligkeit so an, daß mit jedem
Jahre neue Bestellungen hinznkonime», und ans den Porträt-
bild„»gen erwachsen eben so viel neue Bildwerke und Gruppe»,
die ein allgcmcincres Interesse in Anspruch nehmen. Die glück-
liche Erfindung ihrer Vervielfältigung in einem künstlich kom-
ponirten Gyps von Elfcnbeinfärbnng und die Sorgfalt, mit
welcher der Abguß betrieben wird, dürften für die Folge zur
weitern Verbreitung dieser Statuetten nicht wenig beitragen.
Wir werden noch darauf zurückkommen, nachdem wir einen
flüchtigen Blick ans einige der schon ansgeführten Kompositionen
geworfen.

Der Künstler hatte seinen Helden nicht willkürlich ans der !
Zeit herausgegriffen ihm war es Aufgabe, die großen Charaktere
derselben zu einer Gesamnithcit zu gestalten, „nd auf Sickin- !

gen folgte Ujlrich von Hutten, Marin,ilian.I., Maria
von Burgund, Karl V., Hedwig von Flörsheim (Sickin-
gens Gattin), Götz von Berlichingen und Luther; sämmt-
lich in der Größe von 18 bis 19 Zoll. Alle diese Statuetten
übertreffen die erstere an Anmnth, einige sie auch an markiger
Charakteristik. Bei Sickingcn folgte er zu getreu dem Dürer'-
schen Bilde (in München), welcher Meister den Helden in einem
unseres Dafürhaltens ungünstigen Augenblicke ansgefaßt hat.
Wer denkt gerade an Sickingen bei dem reitknechtartig angezo-
gencn Manne, mit den engen hohen Stiefeln, den knapp an
magern Lenden anschließende» Lederhosen, de», unschönen, mit
Kreuz- und Querriemen überschnallten Brustharnisch, der in
irgend einem Hohlwege, in der einen Hand die Lanze, mit der
andern sein Roß führend, nichts weniger als der Mann riesen-
hafter Entwürfe, der kühne Feldherr, der feine Diplomat, son-
dern mehr der abgcmattete und abgeriebcnc Kriegsmann scheint,
welcher auf die Befehle seines Herrn wartet, gleichviel wohin
und gegen wen. In dem zu alten Gesicht mit seinen Wetter-
zügen ist zwar nichts Unedles, aber auch nichts geistig Erhabe-
nes. Sickingen mag in trüben Augenblicken, so ausgesehen
haben, aber der Sickingen, welcher den Darmstädtcr Vertrag
diktirte, die Landauer Einigung agitirte und für Luthers Werk
so vielen Fürsten de» Fehdehandschuh hinwarf, muß anders in
die Welt geschaut haben. Für ideale Auffassungen war Dürer
nicht der Mann; Cauer hat scincm Sickingcn, was ihm möglich
war, an Würde, ernstem und feierlichem Blick und edler Hal-
tung gegeben, aber auf dem alten Dürer'schcn Gestell mit den
Lederhosen und Stieseln ließ sich, und noch dazu ans der Phan-
tasie , keine Heroengestalt hinzanbern. Der anfgeschlagcne Helm-
sturz, wie auch im Bilde, erhöht zwar Kopf und Stirn, will
aber in kein ästhetisches Verhältniß mit dem Pedal kommen.
Die andern uns erhaltenen Brustbilder von Sickingen zeigen
ein bedeutenderes und auch jüngeres Gesicht, sie passen auch zur
schriftlichen Schilderung deö Helden, der von gedrungener, nicht
hoher Gestalt gewesen scy; hier hätte der Künstler sich aber
ganz ans seine Eingebung verlassen müssen und jedenfalls ab-
weichen von de», einmal positiv Gegebenen. Caucr's Sickingen
bleibt indcß eine körnige Gestalt; sie nimmt sich auch besonders
im Bronzeüberzug imponirend aus, und wird einstweilen, wenn
nicht für immer, der plastische Typus für den Helden bleiben.
Denn wer unternähme cs, etwas Besseres und Wahreres zu-
gleich zu liefern.

Mit eine», ganz anderen, einem sicheren aber weichen Finger
ist Ulrich von Hutten geformt. Mit den Insignien des
Rittcrthnms, aber in gefälliger Haustracht, lehnt der Streiter
für Licht und Wahrheit sein schönes Gesicht über das Buch, das
er in, Arm hält, und in dem er, mit sinnigem Ernst vertieft,
liest. »Ich hab's gewagt" lteht auf dem Schilde zu seinen
Füßen. Huttens Statuette ist anerkannt eine der gelungensten
und ansprechendsten. Sie ist aus der geistigen Anschauung ge-
boren. Innige Begeisterung für den großen Streiter hat sie
ins Leben gesetzt. Ans einem Guß erscheint auch die Ritter-
statne Götz von Berlichingens. In voller Rüstung, der
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