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14 SGS*-'-

Auf dcm rechten Flügel ist der Bethlehemitische Kinder-
mord. Links sitzt Herodes auf dem Throne im Turban, ein
Henker in völlig verdrehter Stellung mit Puffärmeln — er
bietet uns den Rücken, dreht den Kopf stark links, hält in der
rückwärts gewendeten Linken ein Kind, in der Rechten das
Schwert, um es zu durchstechen, lieber der Mauer draußen
sehen wir eine händeringende Mutter. Hintergrund Landschaft.

Außen hat der linke Flügel wieder eine Martyrscene. Ein
Jüngling steht entblöst in Fesseln da und wird gegeißelt; ein
älterer Mann mit einem Hemde bekleidet ist über und über voll
Blutstropfen; dahinter steht noch ein goldgelockter Jüngling,
dem ein Scherge mit einem Stab einen Dorn oder Nagel in
den Kopf drückt. Hintergrund See mit Bergen und Burgen.

Auf dem rechten Flügel werden Männer und Weiber von
einem hohen bewachsenen Felsen herunter in lange spitzige Nägel
herabgestürzt. Das Gefühl des Zuschauers ist nicht geschont;
auch fehlt es an guter Zeichnung und feinerer Ausführung.
Der lichtgelbe Ton sämmtlichcr Gemälde ist cigenthümlich und
konnte an eine Periode des Zeitblom'schcn Pinsels erinnern,
wenn er wärmer und die ganze Darstellung gemüthvoller auf-
gefaßt wäre, während die mit großer Vorliebe in sämmtliche
Gemälde eingeführte Landschaft mit Gewässer entschieden mehr
nach Franken zu deuten scheint.

Auch um die Rahmen dieser Bilder ziehen sich theosophische
Reime, wie es scheint von derselben Hand wie bei Nr. 1 und
wohl erst auf Baldern selbst augeschrieben. Doch weiß ich in
diese Verse nicht überall Sinn und Zusammenhang zu bringen.

3) Eine Tafel ohne Rahmen 6 Fuß hoch 5 Fuß breit, auch
auf der Rückwand bemalt, aber hier fast ganz verdorben. Man
sieht noch Christus als Wcltrichter auf dem Regenbogen,
links aus seinem Munde geht ein Schwert, rechts ein Blumen-
steugel (dieses Symbol habe ich noch nirgends gesehen, zwei
Schwerter, eines rechts, eines links aus dem Munde kommen
öfters vor). Links bittet Maria, rechts Johannes. Unten sieht
man die Auferstehenden in kleinen ausdrucksvollen Figuren.

Auf der Vorderseite ist noch ganz gut erhalten die Dar-
stellung des ersten Pfingstfestes. Das Bild ist oben abgerundet
und in den Zwickeln sind Rosetten angebracht. Die Taube
schwebt oben in der Mitte in goldner Luft und von ihr aus
gehen Strahlenbogen auf die Häupter der unten um die Maria
herumsitzenden Apostel, über deren Häuptern der Strahl in einem
Flämmchen endet. Maria sitzt mit gefalteten Händen, den
blauen, goldgesänmten Mantel auch über den Kopf gezogen,
den zunächst ein Schleier deckt — eine stattliche, nicht gerade
ideale, aber sehr edle Figur. Rechts und links sitzen je sechs
Apostel, vortreffliche Köpfe, scharf gezeichnet, mit starken Con-
touren, wie auch die Hände. Einfache, nicht geknitterte Falten-
gebuug. Der Boden des Zimmers ist mit hellen und dunkeln
Platten gepflastert.

4) Eine kleinere Tafel ist V/2 Fuß hoch und 3 Fuß breit
und stellt Maria im Kindbette dar. Das Kind wird von drei
Frauen im Vordergrund gewaschen; am Bette kniet eine, eine
andere gibt der Mutter etwas zu essen; hinten im Zimmer sieht
man durch einen Vorhang den Joseph mit der Brille in der
Hand über einem Buche eingeschlafeu. Oben Wolken und
goldnes Gczweige. Noch ist zu bemerken vorn links eine schöne,
schlanke, weibliche Gestalt mit der Schlüsseltasche am langen
Gewände, einen Wafferkrug zu dem Badewännchen herbeibringend.

Das Bild dürfte in die Zeit von 1520 und eher noch etwas
später fallen.

Von dem hoch und schön gelegenen fürstlich Wallerstein-
schen Schlosse eilen wir herab und über ein breites Wicfenthal
hinüber zu den Denkmalen alter Kunst in der Oettingen-Waller-
stein'schen Dorf- und Klosterkirche zu

II. Kirchheim im Ries,

1) Die Dorfkirche ist in ihrem ältern Bau aus dem 12ten
oder 13ten Jahrhundert, wie ein noch übriges niedriges und
schmales Rundbogenfenster an der Südseite der Kirche und der
Thürsturz ebendaselbst bekundet, welcher im Halbrnndbogen ist
und in der Mitte ein griechisches Kreuz und rechts davon ein
kleines Kreuz innerhalb eines Ringes (Nimbus? ^^), links
eine Art Patina, d. h. zwei erhöhte concentrische Ringe ans-
gehauen hat. In der Kirche ist bloß die schön in Blumen- und
Blattformen ansgeschnittene, durchbrochene Orgelbrüstung be-
merkenswerth, welche aus späterer Zeit des lüten Jahrhunderts
stammend vom Kloster in diese Kirche versetzt wurde. Der
Eingang in die Sakristei ist im halben Rundbogen, sie selbst
i ist im Kreuz spitz eingewölbt. Die Wände sind übertüncht,
! unter der Tünche aber scheinen vielfach Farben und im Beson-
dern mehrere gemalte stumpfe Kreuze durch. Erhalten sind
Gemälde am Spitzfenster, das über dem an der Ostwand stehen-
j den steinernen Altar sich blind erhebt und dessen blinde Fläche
durch ein oblonges Fenster durchbrochen ist. Die Leibung dieses
Fensters ist durchweg mit germanischen Blattarabesken — schwarz
j ans grau — bemalt. In der Blende selbst steht rechts und links
mitten ein stumpfes Kreuz innerhalb eines Ringes. Linker
Hand vom Fenster steht über diesem Kreuze eine Halbsigur, die
unten mit leichtem Blattwerk begränzt ist, in der Linken ein
Schwert, in der Rechten, wie cs scheint, ein Rad haltend —
also St. Katharina. Unter dem;elben Kreuze ist eine gleiche
Halbsigur, einen Speer in der Rechten, in der Linken ein Buch
! haltend. Auf der andern Seite rechts von der Fensteröffnung
ist über dem Kreuze eine weibliche Halbfigur fast unkenntlich;
unter demselben eine Figur, die in der Rechten ein Buch, in
: der Linken einen Kreuzstab hält.

In der Leibung des Spitzbogens sind je zwei Figuren über
einander. Links oben eine etwa 2 Fuß große Figur, die in
der Rechten ein paar Pfeile zu halten scheint, leider übermalt;
unten eine Figur in schreitender Stellung, in linker Hand ein
Buch, in rechter ein Schwert. Rechts oben die h. Jungfrau
mit der Zange; unten der Erzengel Michael mit der Wage des
j Gerichtes. Ganz oben im Schluß des Spitzbogens steht die
Jahrszahl 1512 geschrieben, die sichtlich die Zeitangabe für die
Bilder ist. Diese selbst sind mit großer Leichtigkeit und Sicher-
heit auf den Stein geworfen, gut gezeichnet, soweit sie erhalten
sind, von viel Ausdruck und schönen Formen; die Gewänder
insbesondere gut stylisirt.

2) Die sehr ausgedehnten Klosterräume sind größtentheils
! noch erhalten. Nur der Kreuzgang, in welchem aus späterer
Zeit sämmtliche Aebtiffinnen auf die Kalkwand gemalt waren,
ist auf drei Seiten ganz zerstört. Gegenwärtig wohnen noch
zwei (Cisterzieuser-) Frauen und eine Laienschwester im Dvr-
mitorium. Die Klosterkirche mag ans dein Ende des 14ten
i Jahrhunderts seyn. Sie ist ein einfaches Oblongum mit fünf-
seitigem Schluß im Osten und enthält im Aeußern nichts Be-
merkenswertstes. lieber dem westlichen Giebel erhebt sich ein
achtseitigeö steinernes Thürmchen mit spjtzem Helmdach; an den

Ecken gehen in zwei Absätzen Strebepfeiler hinauf; die Seiten-
flächen sind durch hohe und schmale gekuppelte Spitzfenster ge-
öffnet. Im Innern befindet sich westlich die Kirche für die
Klosterfrauen, indem wie sonst in Nonnenklöstern, S- B. in
Gnadenthal bei Hall, in der Mitte der Mauerhöhe ein Boden
, eingezogen'ist. Das Kreuzgewölbe, da» im östlichen Theile der
Kirche sehr einfach ist, bekam später in jener westlichen Hälfte
au den Rippen und Bändern eine schöne aus je drei neben-
I cinanderstehenden aufrechten Blättern gebildete Stukkaturvcrzie-
! rung. In der Unterkirche befinden sich an zwei Seiten des
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