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N 12

Donnerstag den 9. März 1848,

Neues Kupferwerk.

Reineke Fuchs von W. v. Kaulbach, gcst.
von Rud. Rahn und A. Schleich. I. G. Cotta'-
sche Buchhandlung.

(Schluß von Nr. 27. 7847.)

Kaulbachs Reineke Fuchs ist beendigt und die deutsche Kunst
ist um ein Werk des köstlichsten Humors reicher, um ein Werk,
das seines Gleichen nicht hat an sprudelnder Fülle des Witzes,
den aber immer (oder wenigstens säst immer) die Göttinnen der
Anmuth zwischen scste Ufer leiten, und an Reichthum der Phan-
tasie, dem aber ein angebornes und fcingebildetes Gefühl mit
weiser Mäßigung des Aufwandes zur Seite steht.

Reineke hatte sich ungeachtet der schweren wider ihn erho-
benen Klagen und der noch schwerer» von ihm verübten Unthaten
zu seiner Verantwortung bei Hofe. eingcfunden, und seine alte
Geschicklichkeit im Verdrehen und Lügen erprobt und durch seine
Dreistigkeit die Ankläger zum Schweigen gebracht. Aber der
König wollte Lampe's Untergang rächen und beschloß Reinekes Tod.

Wir folgen (auf dem Lösten Blatt) dem über Reineke er-
zürnten König (Gesang IX) in das Gemach der Königin. Jhro
Majestät Pflegt eben mütterlicher Zärtlichkeit im Wochenbett, ein
ncugcbornes Prinzcnpaar an den vollen Mutterbrüsten, während
der Kronprinz den Bedürfnissen der Natur gegenüber zu Anstand
und Reinlichkeit angehalten wird. Frau Rückenau, die Aeffin,
die Wärterin der königlichen Kinder ist im Dienst zugegen und
ergreift die Gelegenheit, ihren Vetter Reineke bei der Majestät
ln Schutz zu nehmen. Mit dem Handtuch über den Schultern
kniet sic vor der Waschschüssel und rechnet mit weiblich-eifernder
Beredsamkeit die Tugenden des Geschmähten dem König vor,
der die Brille auf der Rase, den Schwanz im Knopfloch des
Hausrocks, die Tatzen mit dem Scepter auf dem Rücken, der
Närrin nur halb unwillig das Ohr leiht.

Den zehnten Gesang ervsinet eine reizende Vignette, die an
das Gefährliche der Sathre erinnert, wenn sie in ungeschickte
oder schwache Hände fällt. Kinder haben sich der Thiermasken
bedient und wollen spielen; aber wie die unschuldige Gans einen
unerwarteten Griff durch eine komische Maske macht, verlieren
Ochs und Lindwurm die Tramontane.

Frau Rückenau hatte den König wenigstens soweit umge-
stimmt, daß er Reinekes Vertheidigung hören wollte und dieser
bringt nun vor Allem Lügen zu Markte von großen Schätzen,
die Bellyn unterschlagen habe. Ausführlich beschreibt er den
Schmuck von Gold und Elfenbein mit köstlichem Bildwerk. Was
war da Alles zu scheu! Kaulbach wählt von den vielerlei Dar-
stellungen, die Reinekes Phantasie erschafft, die Scene vom Esel,
der seinen Herren liebkosen wollte. Mit Recht ist Kaulbach im
Bereich der Thierfabel geblieben und verlegt die Scene an den
Hof des Königs. Nobel sitzt auf seidenem Polster in einem
Gartensalon; zärtliche Paradiesvögel wiegen sich über ihn, durch
Palmen, Lorbeer und Orangen dringen balsamische Lüfte herein;
der Kammerdiener, die Mysteres de Paris in der Tasche, noch

interessantere auf den sprechenden Lippen, lockt und brennt das
gesalbte Haupthaar; da tritt der Esel zum Divan und überreicht—
wie auch der Schooßhund bellt, und sämmtliche Lakaien, an
Schwanz, Fell und Ohren rückwärts ziehen — dem Monarchen
einen Distelstrauß, der entsetzt und ergrimmt die ungenießbare
Huldigung abwehrt.

Am Rahmen des Spiegels, in welchem diese Geschichte zu
sehen, befand sich unter mehreren auch noch eine von des Wolfs
Undankbarkeit, die Reineke gern in seine Darstellung verflocht
und mit der Kaulbach uns gleichfalls beschenkt. Dem Wolf war
ein Knochensplitter im Schlund stecken geblieben, und er rief
den Kranich um Hülfe an. Kaulbach nimmt die Scene als eine
ernste chirurgische Operation. Am Boden liegt der Patient, auf
dem Rücken, mit offnem Rachen, den Kopf im Schooße des hinter
ihm sitzenden Kranichs, der mit beiden Flügeln sanft die Vorder-
tatzcn des Wolfes hält und mit dem Ausdruck von Aufmerksam-
keit, Geschick und Milde an die Operation geht; während nebenan
das Mediciualkollcgium, gleichfalls Reiher und Kraniche, aus-
gestattet mit den Kennzeichen des hohen Berufes, in sprechenden
Zügen bereitwillige Hülfe, richtige Kritik, und leises Bedenken
über das Gelingen ausdrücken.

Weiter erzählt Reineke von dem großen Dienst, den einst
sein Vater als Arzt dem verstorbenen Könige erwiesen, als dieser
hoffnungslos darnieder lag. Kaulbach führt uns vor das könig-
liche Krankenbett. Da liegt der hohe Leidende in unsäglichen
Schmerzen, Krone und Scepter neben sich, und die Königin,
die sich maßlos ihrem Jammer und der Vorstellung des drohen-
den Witthnms übergibt; Hofschranzen, Uhu, Wildschwein und
Pantherkatze, umringen wehklagend das Bett; aber der weise Arzt
j Reineke der Sitte, den Puls befühlend und das Wasser prüfend,
verheißt Linderung. Eine Wolfsleber hatte er verordnet. Noch
sieht man in der Ferne die Hofköche mit der Ausweidung des
unglücklichen Opfers beschäftigt, dessen wohlbereitete dampfende
Leber bereits vom Truchseß, einem tüchtigen Bulldog, aufgetra-
gen wird.

Den eilften Gesang eröffnet eine Vignette, Reineke als
Jongleur unter seinen Kindern, die ihm verwundert zuschauen
und entzückt Beifall klatschen, wie er die Kugeln mit Geschick-
lichkeit wirft und keine fallen läßt.

Unter andern Dingen, die dem schlauen Reineke auf seine
! Vertheidigung von Jsegrimm vorgeworfen werden, steht auch
! eine Geschichte aus Sachsen, deren Darstellung aber Reineke
sogleich selbst berichtigend übernimmt. Er war in eine Meer-
katzenhöhle gcrathen und hatte sich durch Geistesgegenwart, die
ihm Lüge und Schmeichelei gegen die monströsen Thiere eingab,
eine gute Aufnahme bereitet. Nach ihm versuchte der Wolf den-
selben Weg, wurde aber, da er seinen Abscheu vor dem, was
er in der Höhle fand, nicht verbergen konnte, von den Bestien über-
fallen, zerkratzt und zerschlagen und zum Loch hinausgeworfen.
Diesen Moment zeigt uns Kaulbach, und zugleich wie der flie-
hende vorwurfsvoll gegen Reineke sich wendet, der mit schaden-
j .froher Gemüthlichkeit neben dem Eingang sitzt. Daß Kaulbach
! bei den Meerkatzen sich mehr an die karrikirende Beschreibung
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