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Rcinekes als (wie sonst) an die Natur gehalten, erscheint nicht
gerechtfertigt. Sicher würde durch die Mccrkatzenphyfiognomie
die Darstellung an komischem Kontrast gewinnen, während ste
jetzt mit den nichterislirenden Nnthieren geradezu zur Lüge wird
und ohne Wirkung bleibt.

Inzwischen war Reineke kein Ausweg mehr geblieben; er
hatte den Zweikampf als Gvttesnrtheil aufgerufen, Jsegrimm
hatte ihm den Handschuh hingeworfen und der König hatte alles
gut geheißen. Wir finden nun Reineke bei seinen Verwandten,
der Familie der Affen. Frau Rückenau scheert ihn glatt und
salbt ihn, Speise wird ihm gereicht und Trank, damit er sich
stärke zum bevorstehenden Kampf ans Leben und Tod. Welcher
Eifer der Liebe ringsum! mit welchem Behagen läßt Reineke sich
ibn gefallen! Unvergleichlich ist der Affenjunge mit dem großen
Weinkrug; meint man doch, ihn tausendmal schon mit Schuster-
arbcit über die Straße latschen gesehen zu haben. Und Frau
Rückenau und ihre Frau Schwester! wer denkt da noch an die
Thiere des Waldes! Hier ist, wie freilich fast durchaus, der Geist
der Thierfabel in höchster Vollendung erfaßt und auf die feinste
Linie gestellt.

Die Vignette des zwölften Gesanges zeigt uns Jsegrimm
und Reineke vor dem Kampfrichter Sankt Elephant, den ein
Pfauenschein als Heiligenschein umgibt, die Kampfgesetze be-
schwörend. Der Kampfplatz ist eröffnet. Auf dem Throne sitzen
König und Königin; im Kreise umsteht das Volk die Arena:
Roß, Nashorn und Elephant, Ziegen und Schafe, denen ein
wachehaltender Leopard gefährliche Karessen macht, eine anmu-
thige Bärenfamilie, die Pracht der Pfauen ,c. In der Mitte
aber sieht man, wie Reineke mit großer Geschicklichkeit von den
Rathschlägcn der Frau Rückenau Gebrauch macht und mit Hülfe
von Staub, Wasser und Wedel seinen Gegner blind und kampf-
unfähig macht.

Reineke ist Sieger und wird als solcher von Freund und
Feind begrüßt; alle Gegner werden zu Schmeichlern, und wäh-
rend Kaulbach den Esel ein Sonett dem lorbeerbekränzten Helden
entgegenschreien läßt, bücken sich selber Braun der Bär, und
Lynr und Lnpardus lüften den Hut und Frau Luparda das
Schleppkleid. Offenbar aber übertreiben es die Schmeichler, und
Kaulbach mit ihnen; denn sie haben Reineken einen zweiten
Schwanz angcsetzt, damit nur die Huldigung von allen Seite»
kann gegeben und empfangen werden. Nach diesen allgemeinen
Huldigungen wandte sich Reineke gegen den Thron, um aus der
höchsten Hand die Zeichen der Gnade und des Vertrauens zu
empfangen, Orden und Ehrenämter, zum großen Verdruß des
betrogenen und besiegten Adels.

Wie cs indessen dem Wolf erging, läßt uns der Maler auch
noch sehen. Mit sechs und zwanzig gefährlichen Wunden lag
er daheim; Frau Gieremund und die Kinder umheulten das
Schmerzenslager; der Obermedizinalrath Wildschwein betrachtet
die bedenklichsten Stellen mit sorgenvollem Angesicht; allseitiges
Beileid von Freunden und Verwandten. Reineke dagegen ist
glücklich heimgekehrt nach Malepartus. Es schlafen die Kinder
in ihren Betten, nur das kleinste in der Wiege ist munter und
spielt mit einer an seinen, Betthimmel schwebenden hölzernen
Taube; die Gattin aber, die holde, liegt hingestreckt in süßem
Liebreiz auf dem ehelichen Lager und hört verwundert ihrem
Odysseus zu, wie er seine Fahrten, Leiden und Kämpfe erzählt.
In welch naher Beziehung aber der Künstler selbst zu der Fa-
milie Reineke steht, das sagt uns dieses Blatt, auf dem wir seine
Statuette über,dem Bette ausgestellt sehen, als Wandhaken für
die — Ruthe. In der Schlußvignette dagegen zeigt er sich uns
in vertraulichem Verhältniß zu der Verlagshandlung, der er die
Scherze seines Reineke als Kinderspiel mit vieler Gewandtheit
darzustellen versteht.

Ich glaube, die Welt ist den, Künstler für seine heitere Gabe
zu dem wärmsten Danke verpflichtet, und die Aufnahme, die
allerorten sein Werk gefunden, spricht dafür, daß dieses mein
Gefühl ein allgemeines ist. Große Anerkennung verdienen gleich-
falls die Kupferstecher, die sich in die offenbar sehr schwierige
Aufgabe mit großem Geschick hineingearbeitet und sie mit Treue
und Freiheit zu lösen verstanden; doch darf zur Begründung
dieses Lobes nicht unbemerkt bleiben, daß die letzten Blätter,
namentlich das Krankenlager des alten Königs von Steifen-
sand, die Ordensertheilung und das Krankenlager des Wolfes
von Rahn, sowie die Rückkehr Reinekes von ? in Auffassung
des Charakters der Zeichnung, und in Vollendung der Ausfüh-
rung sehr merklich hinter den früher» Blättern zurückbleiben.
Die Verlagshandlung aber hat in Druckeinrichtung und Gesammt-
ausstattung Alles gethan, was einem solchen Werke noch an
äußern. Glanze hinzuzufügen nur gewünscht werden kann.

cf.

Ein altdeutsches Kästchen,

mit der Darstellung eines Minnegerichts.

Als eines der wenigen, bis auf unsere Zeit erhaltenen Ge-
räthe der Vorzeit, welche mit plastischen Darstellungen weltlichen
Inhalts verziert sind, verdient ein, im Besitze des fürstlich hohen-
zollcrn-sigmaringcnschen Hofkavaliers, Hrn. v. Mayenfisch, und
dermalen in Händen des Professors Hrn. v. Hefner in Aschaffen-
burg befindliches Kästchen beschrieben zu werde».

Dasselbe ist achteckig, mit flachem Deckel versehen, 8 Zoll
hoch und hält Ü'/r Zoll im Durchmesser. Das Ganze besteht
aus Holz und ist mit starkem braunen Leder überzogen, in
welches, mittelst einer Metallform, die Darstellungen in ziemlich
hohem Relief ausgepreßt sind. Diese umfassen die verschiedenen
Perioden des Zwistes eines Liebespaars, welcher von der, in die
epischen Dichtungen der Minnesänger als Minnegöttin häufig
verflochtenen „Frau Venus" entschieden wird.

Auf den acht Seitenwänden erscheinen abwechselnd neben-
einander ein ritterlicher Jüngling und eine Dame, in lebhaftem
Gespräch begriffen. Dieselben sind auf dem Deckel, an den
Seiten der Frau Venus kniend, abermals dargestellt. Jede dieser
Personen ist mit einem Spruchband versehen, welches in gothi-
scher Majuskelschrift das Gespräch derselben enthält. Die Figu-
ren auf den Seitenwänden sitzen auf gothisch durchbrochenen,
mit gestickten Polstern belegten Bänken. Geschlitzte Schlcppkleider
und Kronen bei der Dame, Oberkleider mit gezaddeltcn (aufgc-
schlitztcn und mitZacken versehenen) Hängeärmeln, Schnabelschuhe
und senkrecht herabhängende Dolche vorn im Gürtel bei dem
Jüngling deuten mit Rücksicht auf die architektonischen Verzie-
rungen und Form der Schrift auf das Ende des k3ten oder auf
den Anfang des 14tnt Jahrhunderts als Entstchungsperiode dieses
Kästchens. Der Hintergrund ist mit schwach ausgepreßtem Ranken-
und Blumenwerk teppichartig verziert. Jede Figur sitzt unter
einem auf zwei Säulen ruhenden, reich verzierten Spitzbogen,
über welchem sich eine mit Zinnen versehene Mauer erhebt. In
den beiden durch den Spitzbogen gebildeten Zwickeln befinden sich
jedesmal zwei Runde mit Brustbildern, ohne nähere Bedeutung.
Auf dem Deckel, welcher durch zwei Säulen in drei Abtheilnn-
gen geschieden ist, erblickt man, ebenfalls unter einem Spitzbogen,
eine gekrönte weibliche Figur in faltenreichem Gewand, als „Fro
Venus," auf einem mit Hunde- oder Löwenköpfen verzierten
Thron sitzend. Mit beiden Händen hält sie die Zipfel ihres
Mantels. Unter einem verzierten Halbkreis, worauf der Thron
ruht, liegt zusammengekauert ein vierfüßiges Thier, einem Panther
Register
C. Becker.: Ein altdeutsches Kästchen, mit der Darstellung eines Minnegerichts.
 
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