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schlagen. Die Lünette enthält eine symbolisch-legendarische
Weiterführung von dem Gedanken des Hauptbildes, des Martyr-
thnms deS Stephanns, und die Predella, mit der Darstellung
des Endes von Sodom und Gomorrha, den symbolischen Gegen-
satz, sofern es nämlich des Künstlers Absicht gewesen ist, hier
einerseits das Ende des Gerechten, andererseits das Ende des
Sünders darzustellen. Die ganz andere Auffassung in diesem
Bilde IV erklärt sich übrigens dadurch, daß dasselbe Bild ur-
sprünglich, wie es auch gestochen ist, für die Folge der Bilder
der ersten Hanptwand (V, an die Stelle von Bild III) bestimmt
war, wobei es nur ein wenig bequem erscheint und für die
philosophische Konsequenz der Arbeit kein zu günstiges Vor-
nrtheil erweckt, wenn dergleichen Nmstellunge» so ganz ohne
weitere Aenderung vorgenommen wurden. — Auf der zweiten
Seitenwand (D) endlich stehen die Lünetten mit den Haupt-
darstellungen überall im unmittelbaren Zusammenhang, das
Dichterische der Gegenstände hier durchweg weiter ausführend.
Die Predellen dagegen sind hier, wie schon bemerkt, ganz selbst-
ständig aufzufassen. Sie sind der Darstellung der Werke der
christlichen Liebe gewidmet, und es bedarf vielleicht wiederum
einiger Erklärung, um hierin die Idee zu finden, daß sie dem-
nach dasjenige vergegenwärtigen sollen, was beim Ende der
Dinge bestehend seyn wird. — Gegen die Darstellung des Mittel-
bildeS dieser letzten Wand, Christus als Weltenrichter über den
klugen und thvrichten Jungfrauen, muß ich aber aufs Entschie-
denste protestiren, so oft sie auch von den Künstlern in ähnlicher
Weise behandelt seyn mag. Es ist hier eine Vermischung von
Symbolischem (der Parabel) und Historischem, dessen beide
Theile sich gegenseitig vollständig aufheben. Wenn man die,
in altorientalischc Sitte verwachsene und sogar auf der Viel-
weiberei fußende schlichte Parabel malen will, so gebe man naiv,
was sie wahrscheinlich und lebendig macht; und wenn man das
Gericht am Ende der Tage malen will, so gebe man dieses mit
all seinen Schauern und Schrecknissen. Arme Mädchen aber,
die vor lauter unschuldiger Müdigkeit ihre Thonlampen haben
ausgehen lassen, während ihre Schwestern auf ihre wohlerhal-
tenen Flämmchen stolz genug sind, und darüber der ganze
Apparat furchtbar glänzender himnilischer Erscheinungen—wer
möchte sich dabei eines Lächelns erwehren können. Und was
nützt es, wenn man mir sagt: Sie sollen sich ja bei dem, was
Sie vor sich sehen, etwas ganz Anderes denken! — Dazu brauche
ich eben keinen Maler und keine Kunst.

Die Einführung der symbolischen Gruppen der acht Selig-
keiten nach den Worten der Bergpredigt, zwischen den übrigen
Kompositionen, ist ein schöner Gedanke und um so mehr ge-
rechtfertigt, als der Gesammtinhalt der Darstellungen eben zu
der Seligkeit überhaupt, die den Getreuen des Herrn Vorbehal-
ten ist, hinführt. Rücksichtlich der Art und Weise ihrer Ein-
schaltung aber habe ich leider wieder meine unartigen Bemer-
kungen anzuhängen. Der erläuternde Tcrt bezeichnet das Ganze
als christliches Epos und das Verhältniß der Gruppen zu den
übrigen Darstellungen wie das des Chores zur Tragödie, in
den altgriechischen Dramen. Der Vergleich paßt nicht ganz;
zum guten Theil ist in den Darstellungen, ihrer eigentlichen
Absicht nach, nicht das Historische, sondern das Dogmatisch-
didaktische überwiegend; schon die gar nicht durchgehend histo-
rische Folge spricht dafür. Das Epische oder Dramatische ist
mithin in den Darstellungen nicht rein zur Erscheinung gekom-
men; wir werden vielmehr schon bei vielen von ihnen selbst
zum einseitigen Nachdenken, zur Abstraktion veranlaßt, während
es angeblich die Absicht bei Einführung jener Gruppen hätte
seyn sollen, gerade sie zu Ruhepunkten für den Gedanken (und
für das ans dem Gedanken hervorquellende Gefühl) hinznstellen.
Wäre dieß Letztere mit Entschiedenheit beobachtet und dnrch-

geführt, so wäre in dem großen Ganzen, auch schon in aus-
schließlich geistiger Beziehung, ohne Zweifel eine ungleich mäch-
tigere und nachhaltigere Tvtalwirkung erreicht worden. Es
kommt hinzu, daß der erläuternde Text zwar versichert, zwischen
der einzelnen Gruppe und den zunächst daran angränzenden
Darstellungen sey jedesmal der innigste geistige Zusammenhang
da, daß wir denselben aber keineswegs so klar vor uns sehen
und ihn gelegentlich nur in fast zufälligen Anspielungen finden,
gelegentlich aber auch sehr entschieden vermissen. Sie haben
aber für den Gedankengang des Ganzen, wie so vieles Andere
dieser reichen bildlichen Cyklen, etwas Zufälliges, Unbestimmtes.

Ich würde Ihnen nicht diese lange Auseinandersetzung des
Inhaltes der Darstellungen vorgetragen haben, wäre nicht, wie
bemerkt, von andern Seiten und namentlich auch von dem
Meister selbst, schon in diesem Bereiche der Ideen, die sie ent-
wickeln sollen, ein eigenthümlicher Vorzug gesucht worden. Ich
muß sogar gestehen, ich halte das ganze Prinzip für mißlich,
und bedenklich. Die Kunst kann am Ende doch nur Thatsäch-
liches darstellen, und es wird einzig darauf ankommen, ob das
einzelne Thatsächliche so groß gefaßt und die Folgereihe desselben
so folgerichtig ist, daß sich uns darin unwillkürlich das Gesetz
einer höheren Weltordnung darlegt. Ich kann, wenn ich nach
alledem doch mein Haupt vor der Meisterschaft dieser Kompo-
sition beuge, auf sie auch nur das beliebte I?arecciuo und
tzuoicquo anwenden; sie haben ihre künstlerische Bedeutung,
nicht weil sie, sondern obgleich sie als eine philosophische Doktor-
Dissertation gelten solle».

Blicken wir nun näher auf das eigentlich Künstlerische
dieser Entwürfe, so ist es wahrhaft wunderwürdig , wie dieselbe
Hand, die in den vorhin besprochenen Entwürfen zum Taffo
sich in willkürlichem Widerspruch gegen alle natürlichen Gesetze
und Bedingungen bewegte, hier durchgängig von derjenigen
Ehrfurcht für Natur und Leben und den weiten Umkreis ihrer
Erscheinungen beseelt erscheint, ohne die alles künstlerische Wollen
nichtig ist, und wie hier (z. V. gerade in den Gewandungen)
diejenige Höhe eines reinen und freien Styles erreicht ist, durch
die Natur und Leben, gleich fern von willkürlicher Zerfahren-
heit und von willkürlicher Strenge, in maßvoll harmonischer
Weise gehoben und geläutert erscheinen, — soweit dieß eben bei
solchen, verhältnißmäßig kleinen Umrißdarstellungen anzudeuten
ist. Nur zufällige Einzelheiten lassen ein augenblickliches Ver-
gessen der natürlichen Bcdinguisse erkennen, wie z. B. in der
allzulangen Figur der heil. Jungfrau auf der Darstellung der
Anbetung der Könige, die überhaupt wohl die am wenigsten
gelungene Komposition ist; oder wie in der ganz unmöglichen
Lage des jungen Hirten auf dem Pfingstbilde, unterwärts in
der Mitte der Stufen, oder in der Lage einer der „thörichten
Jungfrauen," die wie auf elastischen Polstern schwebend gestreckt
ist und in der That doch aus der sehr harten Kante einer Stein-
stnfe liegt. Je mehr man sich in den plastischen Rhythmus der
Komposition, in die energische und ausdrucksvolle Lösung der
jedesmaligen Aufgabe hineiusieht, um so mehr lernt man der-
gleichen übersehen, um so vertrauter wird man mit der aller-
dings cigenthümlicheu Formensprache, die Cornelius ebenso wie
jeder andere selbstschaffende Künstler besitzt. Es ist schwer, über
diese Vorzüge der Entwürfe, eben weil sie dem Eigensten der
Kunst (im Gegensatz gegen etwaige poetische oder philosophische
Liebhabereien der Kunst) augehören, anschaulich mit Worten zu
sprechen. So sind zunächst die Scene» der biblischen Geschichte
durchweg von derjenigen vollen und großen Realität getragen,
die allein das Ideelle zum Ausdruck bringen kann. Die wirk-
samste Frische, Bedeutung und Originalität scheint mir beson-
ders in den Bildern der ersten Seitenwand, denen der Apostel-
geschichte, enthalte». Die Darstellung des Pfingstfestes baut sich
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