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es in den Gcmüthern befriedigend oder ermüdend, erbauend oder
abspannend fort.

Daß zumal an der edeln Architektur heute das Publikum
eben diese geistige, belebende und erfüllende Mitte im Kunst-
werke nicht fühlen kann, und also den Künstler damit rathlos
und trostlos, unbelohnt und unbeglückt stehen, somit ihn glauben
läßt, sie sey arbiträr, das ist genau der Schaden Josephs, der
sich politisch, sittlich und wirthschaftlich als „herrschende Trocken-
heit und Zerfallenheit der heutigen Mittelbildung" (S. 130)
herausstellt. Weil dieser ganzen Klasse das Herzblatt der Religion
ausgeriffen ist, zeigt sich ein Aufwärtsschießen und Abwärtssinken,
«ine Hoffahrt und eine Leerheit, eine Bertrocknung und Tödtung
von Geist und Leben, Saft und Blut, die billigerweise ihren
Ausdruck darin findet, daß die heutige Kunst so leicht „ins Kraut
schießt und monströs" (S. 15), oder auch blutt und blaß und
leer zu lauter Kaserucnstyl wird. Die Künstler können eben nicht
mitten aus ihres Volkes Seel' und Auge den feinen und gedie-
genen Sinn für die lebensvollen Gebilde holen: cs ist eine Trauer,
wenn das Volk nicht unsichtbar mitbauen und malen, sehen und
urtheilen hilft. Wie möchten wir cs den edeln Geistern gönnen,
welche bis jetzt nur in der Vergangenheit Quelle und Ansprache
für ihre Ideale finden können, daß sie eine Zeit erleben, da die
verschiedenen Stände in dem Einen was Aoth ist und in Allem
was schön ist, geeinigt ihren Künstlern die Freude machen, daß
sie in allen Fingerspitzen fühlen, wie ihr Volk ihnen auf die
Finger sieht und ihnen Alles schenkt, nur keine Unwahrheit und
Willkür. Aber freilich, wer sich selbst Pelagianer ist, der steht
auch Andern durch die Finger.

Geringe und niedrige Geister benützen das und betrügen,
selbst betrogen, die Welt, die ja betrogen sepn will mit launen-
hafter Mode und schaler Willkürlichkeit. Hübsch, welcher alle
Eigenschaften zu einem Baumeister hat, sie aber ohne sein
Volk, trotz seinem Volke hat, sollte nun auch nicht so weit
theoretisch nachgcbeu, daß er, was diesem gleichgültig ist, an
s i ch für arbiträr hält. So aber ist er einerseits wohl sehr über
seiner Zeit, aber doch eben ein Kind derselben und hinter und
unter sich selbst. Wie leicht aber, daß diese theoretische Nach-
giebigkeit auch ihre werkthätigen Folgen oder Gründe hätte.

Es muß sich dieß an dem Orte Herausstellen, wo er das
Ergebnis! seiner kunstgeschichtlichcn Anschanungen und Urtheile
aufstellt. Letztere an sich sind ausgezeichnet durch Schärfe und
Gründlichkeit, Neuheit und Tragweite. Sie werden für die
Kunstgeschichtschreibung unverloren bleiben, für welche der werk-
thätige und handwerkliche, der statische und arithmetische Gesichts-
punkt, wie unser Meister ihn hcrvorhebt, weniger nahe lag.
Durch unbefangene Vergleichung der verschiedenen Bauarten sucht
derselbe (S. 23) einen sichern zweitausendjährigcn Wegweiser,
der uns sehr bestimmte künstlerisch-gesunde und technisch-prak-
tische Resultate zeige. Gewiß auch kann nur aufrichtiger ge-
schichtlicher Sinn vor den Befangenheiten der Hellenisten, Ro-
manisten, Gvthiker, Perrücken und Moden bewahren.

(Schluß folgt.)

Bemerkungen.

Ein ungebildeter Sinn wird eine derbe, bunt und hell-
glänzend gemalte Kopie ohne weiters dem dunkeln, aber in ge-
fühltem, verstandenem Naturton gehaltenen Original vorziehen,
sowie er auch den Handgreiflichen Stoff, das prägnante Leben
stets der erwählten Form, dem künstlerisch abgewogenen Vortrag
voranstellen wird.

Das Höchste und Beste in der Kunst ist nicht immer auch
volksthümlich.

Oft schon beobachtete ich jüngere Künstler, wie sie
Meisterwerke auch ihres Genres nur flüchtig beschauten, etwa gar
mit einer oberflächlich kritischen Bemerkung davon loszukvmmen
suchten, oder wie sie durch eine Naturpartie, die sie hätte stau-
nend festhalten sollen, gerade so gleichen Schrittes hindurch-
paffirten, wie andere Spaziergänger. Allerdings sprach es sich
in beiden Fällen von llebcrschwänglichkeiten, denen nicht so leicht
beizukommen war. Im Weghaschen eines oberflächlichen Effekts
fanden sie einstweilen Beschwichtigung der Stimme des Kunst-
gewissens.

Nachrichten vom August.

Vauwerkc.

Aöln. Am 11. und 15. August war das große Fest, theils
der Eriuucruug au die 1000jährige Gründung des Doms, theils der
Freude über den so weit gedieheucu Ausbau deffelbcu, daß nunmehr
ein Nothdach tu gleicher Höhe sich über das Langhaus und die
Krcuzschtffe erstreckt, von welchem aus die Arbeit fortgesetzt werden
kann, ohne den gottesdienstlichen Gebrauch der sdirche zu stören.
Auch waren die von König Ludwig von Bayern geschenkten GlaS-
gemälde eingefügt und in ihrer ganzen Pracht zu sehen. Der Erz-
herzog Reichsocrweser und über 300 Mitglieder dcS Parlaments waren
von Frankfurt aus und der König von Preußen aus Berlin erschie-
nen. Der Glanzpunkt des Festes war Nachts 11 Uhr die Beleuchtung
des Doms in rothem Feuerglanz, so daß man die feinsten Gliede-
rungen und den ganzen Wald der Verzierungen deutlich unterscheiden
konnte. Dem Doinbaumcistcr Zwirner ist eine Serenade gebracht
worden. (S. Persönliches.)

Fondcm. Die im Monat Juli eingcwcihte neue katholische
Kathcdralkirchc zum h. Georg ist ein Werk des Architekten Pugin
und im mittelalterlichen Styl erbaut. Sic hat 140 Fuß Länge,
70 Fuß Breite und 57 Fuß Höhe. Sie zerfällt in drei Schiffe.
Dem Altar gegenüber steht ein großes, reich vergoldetes Kreuz, von
einem belgischen Künstler gearbeitet.

LUalcrci.

Berlin. Kaulbachs FreSkogcmälde im neuen Museum: „die
Zerstörung des Thurms von Babel," ist seiner Vollendung nahe.
Der König hat cs bei seiner Anwesenheit zu Berlin in Augenschein
genommen und sich sehr beifällig darüber geäußert. Außer diesem
Bilde ist Kaulbach mit fünf andern FreSkogemälden für daß Museum
beschäftigt und die Entwürfe dazu sind bereits fertig.

München. Der Knnstvcreiu in München hat eine Zeichnung
von Genclli zur Verloosnug angekauft, die unbedenklich zu den
schönsten Werken dieses geistreichen und cigenthümlichen Künstlers
gehört. Sie stellt Acsop dar, wie er auf einem Brunnen sitzt und
dem Volke seine Fabeln erzählt. Man sieht aus der Wahl drs
Stoffs, daß es dem Künstler einmal um Fcrnhalten aller Leiden-
schaft, um die behagliche Schönheit der Ruhe und um das Glück
der sanften Anregung zu thnn war. Da keinerlei Handlung dem
Künstler Motive an die Hand gab und auch aus dem Grundgedanken
der Darstellung, der Erzählung AesopS, irgend eine hervortretende
Gemnthsbewegung nicht abzuleitcn wap, so sah sich der Künstler
vollkommen frei, Gruppen, Gestalten, Linien und Bewegungen ganz
nach seinem Geschmack zu bilden, ohne dadurch mit irgend einer
Anforderung als der der Schönheit in Konflikt zu geratheu. Air
solchen Stellen waltet vornehmlich das Gesetz der antiken Kunst,
und da wenige unter den neuern Malern dem Geiste derselben so
nahe stehen als Genelli, so ergibt sich der Werth dieser Zeichnung
von selbst. In den mannigfachsten Stellungen und Lagen zeigen
uns die Gestalten Gcnelli's, welche Schönheit der Linien der mensch-
liche Körper entwickeln kann, und wollen wir ja über die Körper zur
Seele eingehen, so erfreut unö wieder nur die Schönheit der Un-
schuld, die aus den einfachen aber sinnreichen Bildern eines freund-
lichen Erzählers, Lust und Gcdaukrn und wohl selbst Eutschließungcu
schöpft. Möge der rcichbcgabtc Künstler noch oft das Schatzhaus
offnen, aus dem er diese Perle geholt; möge der Kuilstvcrcin in
München auch fernerhin, mögen andere Knnstocrcinc sich beeifern,
zu benutzen, was in so seltener Weise ihnen dargebotcn wird! cf.

Unter Mitwirkung von Or. Ernst Förster in München und Or. Franz Kugler in Berlin, und unter Verantwortlichkeit der

I. G. Cotta'scheu Buchhandlung.
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