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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 9.1828

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https://doi.org/10.11588/diglit.13086#0372
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36 o

erblickt 1). Wie vorzüglich aber auch in anderer Rück-
sicht das Werk von Leo Baptista Alberti ist 2), so herrscht
darin dennoch in Bezug auf seine Proportionen eine Dun-
kelheit, die fürchten laßt, daß er selbst rücksichtlich dieses
Gegenstandes nicht hinreichend im Klaren war.

Fra Luca Pacioli s) schrieb Vitruv ab, allein sehr
verwirrt; mit einem Drepeck und einem Parallelogramm
wollte er die vornehmsten Verhältnisse des Kopfes im
Profil bestimmen, allein alle Linien verschwinden und nur
ein Winkel bleibt übrig. Wir werden weiter unten noch
sehen, daß auch verschiedene andere, unter den Neueren
der berühmte Camper, ihr System rücksichtlich des Kopfes
auf das Drepeck gründeten. Des Pomponius Gauricus
habe ich schon erwähnt; er verwarf die Proportion von
zehn Gesichtslängen und wählte eine von nenn, indem er
die Gesichtslänge.. in drei) Theile theilte, von denen der
eine, von dem Scheitel bis zur Haarwurzel, nicht unter
diesen neun Gesichts längen mitbegriffen ist. Von der
Haarwurzel bis zum Kinn nimmt er eine, von dem Kinn
bis zum Halse, da wo die Brust anfängt, eine halbe,
vom Halse bis unter die Brustwarzen eine, von den
Brustwarzen bis zum Nabel eine, vom Nabel bis zur
Schaam wiederum eine Gesichtslänge, und hier die Hälfte
der ganzen Höhe an. Von der Schaam bis auf die Hälfte
der Schenkel eine, von da bis auf die Mitte des Knies
eine, von der Mitte des Knies bis auf die Mitte der
Wade eine, von da bis an den Hacken wiederum eine und
vom Hacken bis zur Sohle eine halbe Gesichtslänge, zu-
sammen neun und ein Drittel Gesichtslängen. Allein
diese Proportion, abgesehen davon, daß sie die obere Hälfte
um ein Drittel Gesich. Käuge länger als die untere macht,
macht die ganze ' ,gur ingcstaltet, noch mehr aber, wenn
sie! so berechnet w> - ^ I. de La et es gethan, der, wie
Bossi bemerkt, , . / _ Fußes und des Halses auf

seine Weise bestim. ’ l Raum, von dem Scheitel

bis zur Spitze der ■. - unterscheiden, indem dieser
Thcil in die Hohe .enschen nicht mitbegriffen wer-
den müsse, quia es. , ns excrementosa! 4) 2oh.

1) De perspectiva pictorum.

2) Leonis Baptistae de Albertis, Florentini,
de Pictura libri tres. Basileae i5/,6. 8. Es gibt
davon mehrere Ausgaben und Übersetzungen in verschie-
denen Sprachen.

3) Lucas Pacioli. De divdna proportione. Venezia
löog. Fol.\

4) .Die Maße, welche I. de Laet zu Ende seiner Ausgabe
von Vitruv, wo er auch das Werk von Gauricus
de sculptura etc. eingeschaltet hat, gibt, sind folgende:
A principio capillorum usque ad mentum pars I.
A mento usque ad jugulum A jugulo usque ad
mamillas I. A raamiliis ad umbilicum I. Ab um*
bilico ad penem 1. Et hoc est dimidium attitudinis
corporis stantis erefcti in pedes. A pene usque ad

Schester in seinem kleinen Werke i) hielt sich zum Thcil
ebenfalls an Vitruv. Die vier Bücher über die Propor-
tion von Albrecht Dürer 2) sind als ein Wunder jener
Zeit in Deutschland zu betrachten, wurden in mehrere
Sprachen übersezt und mit Achtung selbst in Spanien
nachgeahmt 2), sind aber im Wesentlichen nur gut für
den, der Figuren nach Dürers Manier bilden will.

(Die Fortsetzung folgt.)

medium femorum I. A medio femorum ad genua ],
A genibus ad medium surnrum crurum J. Ä medio
surnrüm ad collum pedum I, et ab boc ad planta»
pedum Z. ita ut in toturn fiant partes IX. aut pol-
liees XXVII.

1) Graphice, i, e. de arte pingendi über singularis,
Norimbergae 1669. 8.

2) Die ersten deutschen Ausgaben erschienen 1628, 1623». f.
lateinisch 1582, 1534, 1537, i55i, italienisch 1591,
1594, französisch 1613, holländisch 1662.

3) Und nicht mir nachgeahmt. sondern von Lutz de
Costa ans dem italienischen übersezt. S. Libliotbee«
Lusitaoa di Diego Barbosa. Der Titel dieses Codex
ist: Huatro üvros de Symmetria dos corpos humanos
compostos pot Alberto Dureiro com 0 5 Livro de
Paulo Galario Saludiano dedicado ao Evangelist»
S. Lucas, que tamben foy Pintor. Fol. ©. meine
Geschichte der Malerei) in Spanien. S. 76.

Andeutungen über bildende Kunst.

Von B.

Malerei) ist wohl diejenige Kunst, die am meisten
auf's sichtbare.Daseyn, auf die holden. Erscheinungen
des äußeren Lebens aufmerksam macht, wie Dichtkunst
auf die des innern. Bildhauerei) ist enger, Musik uube-
stimmtcr. Der Malersinn in uns ist am ächtesten das
Vehikel der Unterhaltung und Belehrung.

*

So viele Maler scheinen nicht zu ahnden, daß das
Auge die leisesten Unterschiede wahrnimmt, z. B.
in den abstufenden Tonen der Ferne, der Durchsichtigkeit
der Schatten, und daß die Einbildungskraft nur dann ins
Bild eingeht und weiter schafft, wenn ein leises Weben
darin herrscht und nicht-zu viel gegeben ist.

*

Die Kunst lehrt uns die einzelnen Momente
des Lebens achten und würdigen, sie für Beobachtung
und Genuß isoliren. Der Kunstfreund gewöhnt sich, im
täglichen Leben die Offenbarungen des Kuustgeistes wahr-
zunehmen und zu denken: wie würde dies ein Künstler
auffassen?

Beyläge: ein Steinabdruck.
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