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then. Vergleichen wir das Bild zur Geschichte von Gri-
seldis und dem Markgrafen Walther und jenes andere aus
Ferd. Schmidt's Mährchenbuch. Die Technik des Holz-
schnittes exhebt sich dort noch kaum über das Niveau der
„schönen neuen Bilder,
gedruckt indiesemJahr"
und Richter s elbst bewegt
sich noch mit einer ge-
wissen liebenswürdigen
Unbehülflichkeit; allein
wir ahnen in derselben
schon die naive Grazie,
welche uns in dem spä-
tern Blatt entzückt, sie
konnte durch das un-
barinherzige Messer
des Tylographen von
anno 1838 nicht ganz
vertilgt werden, doch
Gaber's, seines Schwie-
gersohnes, verständniß-
voller und diskreter
Hand blieb es vorbehalten, sie in ihrer ganzen Lieblich-
keit und Reinheit zur Erscheinung zu bringen. Diese
Sammlung hätte getrost „Fünfundzwanzig Jahrejdeutscher
Holzschneidekunst" betitelt werden können, und kein besse- >
res Remedium giebt es gegen die neuerlich wieder
einreißende Geschmacksverirrung und-verwirrung in Be-
ziehung aus den Holzschnitt als das fleißige Betrachten
solcher Schnitte, wie die hier besprochenen nach Zeich-
nungen Führich's, Schnorr's, Richter's u. s. w.
Unter dem Gesichtspunkte der Technik wäre wenig
auszusetzen an den Jl-
lustrationen zu Schil-
ler's Gedichten in
den Prachtausgaben der
Cotta'schen Buchhand-
lung in Stuttgart und
der Grote'schen Buch-
handlung in Berlin.
Beide Ausgaben unter-
scheiden sich von einan-
der eigentlich nur durch
das Format; Ler Geist,
insofern von solchem die
Rede sein kann, ist in
beiden derselbe — ha-
ben es doch großen-
theils dieselben Künst-
ler. unternommen, ab-
wechselnd da und dort die Lieblingsdichter der deutschen
Nation zu interpretiren! Gezeichnet und geschnitten sind
die Sachen ganz sauber; aber sagen wir es ohne Um-
schweife: es gehört ein bedeutender Grad von Leichtfertig-
keit dazu, heutzutage noch so mit Schiller umzuspringen.
Jeder Wanderkomödiant giebt sich mehr Mühe, in den Geist
des Dichters einzudringen, als hier eine Schaar von Ma-
lern, die zum Theil einen großen Namen haben. Ob das
Lied an die Freude, der Triumph der Liebe, die Dithy-
rambe mit den oberflächlichsten Allegorien begleitet werden,
die sich ungefähr so ausnehmen wie eine musikalische Be-
gleitung von Proch oder Gumbert (aber die haben sich nie
an Goethe oder Schiller gewagt!) oder ob ein hirnver-
brannter Realismus meint, den Dichter aller Zeiten, wenn
er das Höchste singt, was Menschenbrust bewegt, im
Kostüme seiner Zeit präsentireu zu müssen: immer stoßen
wir da auf eine Kluft zwischen allgemeiner und Fachbil-
dung, welche zu ernsten Gedanken anregt. Wir empfehlen
diese Jllustrationen nicht dem Publikum, wohl aber Allen,
welche bei der Organisation von Kunstakademien ein Wort
mitzureden haben.
Einem bescheideneren Ziele streben mit mehr Ernst
L. Hofmann und Ph. Sporrer zuinihren „Bildern
zu deutschenVolks- undLieblingsliedern" (Mün-
chen, Bruckmann). Das glänzend ausgestattete Buch ent-
hält Photographien nach neun ausgeführten Zeichnungen
zu Volksliedern und Gedichten von Uhland, Eichendorff,
Heine, Geibel. Sporrer scheint der gereiftere von den
beiden jugendlichen Künstlern zu sein, und hätte er nicht
den sonderbaren Einfall gehabt, uns das Mädchen, welches
„wie eine Blume so hold und schön und rein ist", — im
then. Vergleichen wir das Bild zur Geschichte von Gri-
seldis und dem Markgrafen Walther und jenes andere aus
Ferd. Schmidt's Mährchenbuch. Die Technik des Holz-
schnittes exhebt sich dort noch kaum über das Niveau der
„schönen neuen Bilder,
gedruckt indiesemJahr"
und Richter s elbst bewegt
sich noch mit einer ge-
wissen liebenswürdigen
Unbehülflichkeit; allein
wir ahnen in derselben
schon die naive Grazie,
welche uns in dem spä-
tern Blatt entzückt, sie
konnte durch das un-
barinherzige Messer
des Tylographen von
anno 1838 nicht ganz
vertilgt werden, doch
Gaber's, seines Schwie-
gersohnes, verständniß-
voller und diskreter
Hand blieb es vorbehalten, sie in ihrer ganzen Lieblich-
keit und Reinheit zur Erscheinung zu bringen. Diese
Sammlung hätte getrost „Fünfundzwanzig Jahrejdeutscher
Holzschneidekunst" betitelt werden können, und kein besse- >
res Remedium giebt es gegen die neuerlich wieder
einreißende Geschmacksverirrung und-verwirrung in Be-
ziehung aus den Holzschnitt als das fleißige Betrachten
solcher Schnitte, wie die hier besprochenen nach Zeich-
nungen Führich's, Schnorr's, Richter's u. s. w.
Unter dem Gesichtspunkte der Technik wäre wenig
auszusetzen an den Jl-
lustrationen zu Schil-
ler's Gedichten in
den Prachtausgaben der
Cotta'schen Buchhand-
lung in Stuttgart und
der Grote'schen Buch-
handlung in Berlin.
Beide Ausgaben unter-
scheiden sich von einan-
der eigentlich nur durch
das Format; Ler Geist,
insofern von solchem die
Rede sein kann, ist in
beiden derselbe — ha-
ben es doch großen-
theils dieselben Künst-
ler. unternommen, ab-
wechselnd da und dort die Lieblingsdichter der deutschen
Nation zu interpretiren! Gezeichnet und geschnitten sind
die Sachen ganz sauber; aber sagen wir es ohne Um-
schweife: es gehört ein bedeutender Grad von Leichtfertig-
keit dazu, heutzutage noch so mit Schiller umzuspringen.
Jeder Wanderkomödiant giebt sich mehr Mühe, in den Geist
des Dichters einzudringen, als hier eine Schaar von Ma-
lern, die zum Theil einen großen Namen haben. Ob das
Lied an die Freude, der Triumph der Liebe, die Dithy-
rambe mit den oberflächlichsten Allegorien begleitet werden,
die sich ungefähr so ausnehmen wie eine musikalische Be-
gleitung von Proch oder Gumbert (aber die haben sich nie
an Goethe oder Schiller gewagt!) oder ob ein hirnver-
brannter Realismus meint, den Dichter aller Zeiten, wenn
er das Höchste singt, was Menschenbrust bewegt, im
Kostüme seiner Zeit präsentireu zu müssen: immer stoßen
wir da auf eine Kluft zwischen allgemeiner und Fachbil-
dung, welche zu ernsten Gedanken anregt. Wir empfehlen
diese Jllustrationen nicht dem Publikum, wohl aber Allen,
welche bei der Organisation von Kunstakademien ein Wort
mitzureden haben.
Einem bescheideneren Ziele streben mit mehr Ernst
L. Hofmann und Ph. Sporrer zuinihren „Bildern
zu deutschenVolks- undLieblingsliedern" (Mün-
chen, Bruckmann). Das glänzend ausgestattete Buch ent-
hält Photographien nach neun ausgeführten Zeichnungen
zu Volksliedern und Gedichten von Uhland, Eichendorff,
Heine, Geibel. Sporrer scheint der gereiftere von den
beiden jugendlichen Künstlern zu sein, und hätte er nicht
den sonderbaren Einfall gehabt, uns das Mädchen, welches
„wie eine Blume so hold und schön und rein ist", — im