Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

DOI Artikel:
Clauß, C.: Der Verkauf der v. Quandt'schen Gemälde-Sammlung in Dresden
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0055
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
54

der Priester vernommen und sieht mit seitwärts gewen-
detem Haupte die Nahenden. Es liegt eine wunderbare ^
Mischung von Schmerz und von Mißbehagen in den
edlen Zügen des Prinzen, in welchen die Vorgänge der
letzten Monate unvertilgbare Spuren tiefen Seelenleidens
eingegraben. Um seine schön geformten Lippen zuckt es
wie von den Worten: Also auch dieser Kelch ist mir nicht
erspart worden! Die Charaktere Hamlet's und Horatio'S
sind mit feinstem Berständniß wiedergegeben. Jencr wohl
von Natur muthig und thatkräftig, hat unter der furcht-
baren'Last seines Geheimnisses die vorige Spannkraft
der Seele wenigstens zum Theil eingebüßt und schwankt
zwischen der Furcht vor der endlichen Lösung seiner
grauenhaften Aufgabe einerseits und der Hoffnung, daß
sie ihm vielleicht doch noch erlassen werden möchte, andrer-
seits. Horatio, wenn auch seinem fürstlichen Freunde
treu ergeben, steht dem Verhängniß, das über dessen
Haus hereinbrechen will, gleichwohl nicht so nahe. Seine
Theilnahme sindet ihren Mittelpunkt in dem Freunde. Er
leidet gleich ihm, aber mehr um dessen als um der Sache
willen. So bewahrt er sich auch in den aufregendsten
Momenten die Ruhe des erfahrenen Mannes, als der er
uns überall entgegentritt und unser Vertrauen erwirbt.

Victor Müller hat seine Gruppe mit großem Geschick
aufgebaut und dabei das scheinbar Zufällige, mit dem
Viele zu kokettiren pflegen, ebenso glücklich vermieden als
das Gesuchte. Jede Bewegung trägt den Stempel vollster
Natürlichkeit, nach welcher der Künstler in Allem und
Zedem strebt. Aber es ist nicht die verständige Durch-
bildung eines gut gewähllen Gedankens allein, die uns
fesselt; es liegt anch in der Farbe ein wuuderbarer
Reiz. Die Figuren sind das Einzige, was sich dunkel
und kräftig von der schimmernden Luft und deni in der
Ferne glänzenden Meere abhebt. Selbst dieBirken, deren
schwache Stämmchen im Vorgrunde sich erheben und
deren zarte Blätter wir zählen können, stehen in wohl
berechnetem, aber auch tief empfundenem Einklang mit der
ganzen Farbengebung. Dtüller weiß als denkender Küustler
zu gut, daß ein historisches Gemälde nicht so viel Schein
der Wirklichkeit verträgt, als ein Genrebild oder ein
Portrait, uud hat sich deshalb gehütet, seinem Gedanken
durch ein Zuviel in der Mache zu schaden, oder einem
Stein oder einer Pflanze seines Vorgrundes ebenso viel
Gewicht beizulegen als seinen Figuren, bekanntlich ein
Fehler, von dem sich kaum Einer nnserer gefeierten Rea-
listen freizuhalten weiß.

Kaulbach hat wieder einmal seiner satirischen Laune
^^u Zügel schießen lassen und dem vielbesprochenen ersten
Blatte seines Todtentanzes ein zweites hinzugefügt, das
wir eutschieden höher stellen. Die Handlung spielt zur
Zeit von Deutschlands tiefster Erniedrigung. Die deutsche
Kaisertochter hat dem korsischen Emporkömmling, dem
Sieger über ihren Vater, einen Sohn geboren, dem der

Bater den stolzen Namen eines Königs von Rom gab.
Da nahen sich nnn in pflichtschuldiger Ehrfurcht die Fürsten
alle und stellen sich vor der Kaiserin, die ihr Kind im
Schoße hält, auf, wie die Lakaien vor ihrer Herrin an
deren Namens- oder Geburtsfest. Allerdings sind es nicht
eigentliche PortraitS, denen wir, MarieLuise undMephisto-
Talleprand ausgenommen, hier begegnen, aber wir sind
keiuen Angenblick im Zweifel, wer der korporalmäßig steis
dastehende Mann ist, der seine Kollegen alle an Körper-
länge überragt, und wem hier das schmale lange Gesicht
mit der hängenden Unterlippe aufden schmächtigen Körper
gehört und dort die knrze kugslförmige Gestalt auf den
dünncn Beinen. Jhr Redner in der schwarzen Soutane
deS päbstlichen Nuntius und mit dem fteischlosen Schädel
hat seine Huldigungsansprache an Mutter und Kind ge-
endet und schickt sich an, eine aus Knochen und Knöchelchen
kunstvoll zusammengestellte Krone auf des jungen Königs
Haupt zu setzen, während der fürstliche Chorus pflicht-
schuldigst in sein Hoch einstimmt uud jubelnd die Kronen
schwingt, deren einige man dem Kinde als Spielzeug ge-
geben und die nun nebst Nürnberger Pferdchen und Peitsche
auf dem Boden umher liegen. Noch nach mehr als einem
halben Jahrhundert fühlen wir vor Scham das Blut in
unsere Wangen steigen und verstehen ohne Schwierigkeit
die maliziöse Bewegung Talleyrand's, der in solcher Ge-
sellschaft rücksichtslos eine Priese nimmt, alS ob er den
übeln Duft solcher bedicntenhaften Devotion nnd Schmei-
chelei nicht ertragen könnte. Die Weltgeschichte, sagt der
Dichter, ist das Weltgericht, und so mag es denn vor allen
einem Künstler, der es liebt, mit Pinsel und Griffel Ge-
schichte zu schreiben, gestattct sein, daß er mit wenigen
Zügen das Urtheil über eine Zeit fällt, in dcr ein an sich
bedeutender Mann die höchste Stufe der Ehren über die
gekrümmten Nücken seiner demüthigen Gegner erstieg.
Seit Kaulbach in den Zeichnungen zu Ncineke Fuchs die
Geißel der Satire geschwungen, hat er keinen so scharf-
schneidigen Hieb mehr geführt als in diesem zweiten
Blatte seines Todentanzes. Jahn's Denkspruch „Aelter
nicht kälter" gilt hier auch von ihm.

ttekrologe.

0. 'iV. — Jacob Hyrtl, Zeichner nnd Küpferstecher,
starb am 17.Oktober 1868 zuWien, woselbsterimJahre
1799 geboren war. Durch den Fürsten Esterhazy unter-
stützt, widmete er sich frühzeitig an der k. k. Akademic seiner
Vaterstadt dem Studium der Zeichenknnst und unter der
Leitung des Prof. Fischer der Kupferstecherei. Er war
bald durch seine Arbeiten in einem weiteren Kreise bekannt
geworden und erfreute sich eines güitztigen Rufes, welchen
er auch durch eine lange Neihe von Jahren zu behaupten
wußte. Hyrtl's Blätter sind meistens stark vorgcätzt und
dann mit dein Grabstichel volleudet. Größtentheils für
den Bnchhandel Leschäftigt, fand der Künstler nnr selten
Gelegenheit, sich in bedeutenderen Arbeiten anszuzeichnen;
doch dieseS Wenige zeigt nns, was dcrselbe bei größerer
 
Annotationen