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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Die Konkurrenz-Entwürfe zum Berliner Goethe-Denkmal, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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A27 Nekrologe. — Preisbewerbungen. 328

Büste selbst aber zeigt eine glückliche nnd höchst angemessene
Jdealisirung. Goethe's bekannter oben angeführter Aus-
sprnch läßt die Ansicht dnrchklingen, daß ihn in diesem
Bildniß geschnieichelt sei; aber schlagend und tresfend ist
es, daß er sein Urtheil in die Form einer Bestätigung
dieses Porlräts für die Nachwelt kleidet. Jn der That
kaiin diese nichts mehr in ihrem Jnteresse LiegendeS thun,
als sich dieses Typus zu bcniächtigen; denn wenn die Kennt-
niß der körperlichen Erscheinung unserer großen Männer
irgend wclchen Werth für uns hat, so kann dieser nicht in
der Bekanntschaft mit ihren Falten und Runzeln, ihren
Warzen und Mnttermälern beruhen, sondern in der An-
schauung ihres Aeußeren als der von ihrem Geiste durch-
leuchteten und durchwehten Leiblichkeit. Nicht der klein-
krämerische Biograph, sondern der Literarhistoriker schildert
uns den Dichter; und nicht der plumpeNaturalist, sondern
der selber geistvolle und vom Geistc ergriffene idealisirende
Künstler stellt ihn uns im Bilde dar. Daß Trippel's
Büste ähnlich ist, können wir kontrolliren; um den gött-
lichen Funken, der sie beseclt, können wir sie nnr einfach
bewundern, verchren und — annehnien.

Eine drilte Theilung läßt sich nach ber Tracht durch-
führen, aber eigcntlich doch keine strenge. Denn die
meisten Künstler haben sich weder für ganz ideale, noch
für ganz realistische Bekleidnng entscheiden können. Einer
hat sich sreilich bis zu einem halbnackten Heros verstiegen,
anf der anderen Seite stehen einzelne pnre Modepuppen,
aber auf keiner Seite hält sich das reine Prinzip von der
absoluten Lächerlichkeit frei. Bei weitem die meisten
Künstler haben die unabweisbare Nothwendigkeit begrifsen,
Goethe in der Tracht seiner Zeit darzustellen (die sie
übrigens zum Theil sehr mangelhaft kennen); aber sie
haben zugleich das Bedürfniß gefühlt, sich durch irgend
eine ideale Zuthat über die Mißlichkeiten derselben hin-
wegznhelfen.

Es scheint wohl, daß sie hierbei eine richtige Em-
pfindung geleitet hat. Lessing trug das nnverbrüchliche
Kostüin einer ganzen Epoche; diese nnd jenes waren —
man mag an ihnen auszusetzen haben, was nian will, —
geschniackvoll nnd fein, nornial entwickelt und einheitlich
dnrchgebildet: es gab eine Tracht, und diese ist nns als
historische Existenz geläufig und selbst sympathisch. Nietschel i
konnte sich vollständig auf deren Wirkung verlassen. ;
Goethe fiel- in eine Umwälzungsepoche hinein. Sein
glänzendes Debut in Weimar machte er im Wertherkostllm,
das nichts weniger als allgemein, sondern oppositionelles
Abzeichen der unruhigen Jugend war, und das man jetzt
kaum beschreiben kann, ohne Lachen zn erregen. Nachhcr
folgt auf diese unhistorische und unorganische Kostüm-
bildung einc Fluth von wechselnden Moden, einc iinmer
thörichter und geschmackloser und zusammengestümperter
als die andere, — es waren ebcn Moden, die Tracht war
todt — bis dic unruhige Bewegung in dcn Sandhafen des-

jenigcn Kostüms einlief, das nns dic Nauch'sche Statuette
vergegenwärtigt, das Jdeal des zuvcrlässigsten Philister-
thums, bei dem Ruhe nicht nur die erste Bürgerpflicht,
sondern auch das erste Bürgerbedürfniß ist. Wie ist es
möglich, aus diesem Wust von Erscheinungsformen, die
im Laufe etwa eines halben Jahrhunderts vorüberfliehcn,
eine herauszugreifen, die.— wie das Rococo-Kostüm für
Lessing und seine Zeit — für Goethe und seine Zeit
charakteristisch und für uns sympathisch wäre. Es ist ein
trostloses Gewirre, und unter dem Gesichtspunkte der
künstlerischeu Wirkung, ja nnr Möglichkeit uvch trostloser
als an nnd für sich.

Was bleibt dem verständigen Künstler Anderes übrig,
als sich ein allgemeincs, ungefähres Zeitkostüm zusammen-
zustellen und für dasselbe die sonst entfallende künstlerische
Wirkung durch ein Draperiestück zu suchen? Daß dieß
aber doch schließlich nur der seiner Zeit als stereotype
Phrase mit Recht in tiefen Mißkredit verfallene Mantel
sein kann, liegt auf der Hand. Jch sehe kcinen Ausweg
— aber auch keiu Unglück dabei. Jch kann den Mantel,
ein so oder so allzeit vorhanden gewesenes Oberkleid, an
und für sich nicht so verbrecherisch fiuden, svndern nur
dessen geistlose Benutzung; er erscheint mir als Abschluß,
insbesondere künstlerischer Abschluß eines durchgebildeten
Kostüms recht branchbar und schön, als Ausrede, nm sich
der ernsten Nachfrage nach dem Kostllm zu entzieheu, ist
er freilich so erbärmlich, wie jedes Auskunftsmittel, welches
von der Unfähigkeit gesncht wird.

Mit dem Mantel verhält sich's geuau wie mit den
Historienbildern. Die zahlreichen großen, stets mit an-
dächtigem Staunen begrüßten „Schinkem' mit den langen
Beschreibungen und Erklärungen im Katalog sind aus
der Mode gekomnien, und Geschichte malen wir nun erst
recht, groß uud klein, aber nicht blos um des „großen
Stils" witlen. Die Mantelphrase wollen wir uns auch
ferner vom Leibe halten; aber das künstlerische Motiv
des Mantels mögen sich die Küustler ja nicht verkümmern
und verdächtigen lassen. Nur bleibeu sie beim Motiv und
hüten sic sich vor der Phrase! B. M.

Ukkkolotlr.

vr. Lucanus in Haiberstadl, als Kunstschriftsteller durch
seine Monographie iiber dcn Dom seiner Vaterstadt bekauni,
eiucr der eifrigsten Förderer des Kiinstvereinswesens in Nord-
deutschland, ist ain 2s. Mai hochbetagt gestorben.

prciöbewrrbiiilgen.

Das Prcisgcricht für die Entwürfc zum dcutschen
Parlainentshans in Bcrlin hat dcn Hauptpreis dem Ban-
meister L. Bohnstedt in Gotha zuerkanm, die vier Neben-
preise erhietten End e L Böckniann nnd Kaiser L v. Groß-
heim, beidc in Bertin, Mylius L Blutschli in Frankfurt
a. M. und Gilbert L John Scott in London.

Fiir das zn Ehrcn dcs 14. Armeckvrps in Frcilmrg
zu crrichtendc Siegcsdcnkmal waren zur Preisbewerbung im
Ganzen 2tt Modelle eingegangeu. DaS am 28. Mai zusammen-
getretene PrciSgcricht (Professor Or. Hänel in Drcsden,
Professor Lübke in Stuttgart, Professor Bkagniis in Bertin,
 
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