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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0080
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147 Vom Christmarkt. 14tz

sreundlich überlassen, daruuter auch die hübsche Vignette
am Eude dieses Berichtes. —

Und damit mag diese launige Doppelgabe des Malers
wie des Dichters eiuem Jeven empfohlen sein,

Dem Tröstung wird aus Liedern und aus Bildern,

Deß Herz, zermürbt in wirrem, hastgem Handeln,

Nach Ruhe lechzt, den Tanz um goldne Kälber
Verschmäht, um still den stillen Pfad zu wandeln,

Wo es nur Götter ftndet und sich selber.

Aus wahlverwandtem Geiste geboren, voll köstlichen
Humors, mitunter auch vou tiefernster Stimmung, balv
aus dem breiten Strome der Wirklichkeit, bald aus dem
klaren Quell der Phantasie geschöpft, sind die Gelegen-
heitsbildchen von A. Burger (Cronberg), dereu Ver-
vielfältigung wir der geschickten Nadel I. Eissen-
hardt's verdanken (Frankfurt, Prestel). Es sind im
ganzen 14 Blätter, die hier zu
einem stattlichen Album verei-
nigt sind. Selten genügt sich
der Künstler an einer einzigen
abgeschlossenen Scene, in freier
Anordnung vereinigt er meistens
das Lebensbild mit einem necki-
schen Phantasiespiel, in welchem
Wein- und Liebesgötter, Nym-
phen und Nixen ihr Wesen
treiben. Bald faßt er mit festem
Rahmenwerk die symbolischeu
und realeu Elemente der Kom-
position zusammen, bald bildet
ein Laub- und Rankengewinde
Len losen Boden, auf dem sich
die Kinder seiner Laune bewe-
gen, scherzen, trinkeu, spielen
und sonstige Kurzweil treiben.

Jn der Küustlerradirung
hat sich Friedrich Werkmeister
versucht in zwölf imVerlage der
Photographischeu Gesellschast in
Berlin erschienenen Blättern.
Die Motive sind der Kinderwelt entnommen uud erin-
nern hin und wieder an die Art, wie Oskar Pletsch
seiu Theater anzuordnen pflegt. Eiuzelne Kompositionen,
wie die „Belustigung auf dem Eise" und „Vor fremder
Thür", sind glücklich erfunden und geschickt behandelt,
bei andern hat man die Empfindung, als sei der Künstler
nicht ganz Herr der Technik gewesen. Etwas verwun-
derlich nimmt sich der beigefügte Text: „Ein Wort über
die vervielsältigenden Künste und das Wesen der Ra-
dirung" an dieser Stelle aus. Wer sucht eine derartige
Belehruug, die noch dazu auf eine etwas verschämte
Rechtsertigung der Radirkunst gegenüber der „Kunst"
der Photographie hinausläuft, in einem Album radirter
Blätter, die doch ihre Existenz am besten durch den
eignen Werth rechtfertigen sollten?

Glücklicherweise ist die Radirung nicht mehr wie
ehedem das mißachtete Sliefkind der Malerei. Seitdem

Und wird mir's an der Stasfelei
Zu eng im Arbeitsstübchen,

Dann kommt das Wandern an die Reih
Adieu, adieu, mein Liebchen!

So leitet Oskar Pletsch seine diesjährige Festgabe
„Ein Gang durch's Dörfchen" (Leipzig, Dürr) ein, die
wir Müttern und Kindersreunden nicht erst besonders
zu empfehlen brauchen. Die freundlichen Bildchen sind
mit gewohnter Sorgsalt von H. Günther in Holz
geschnitten und suchen des Künstlers oft variirtes Thema
auf's Neue zu variireu. Jn
gleich vornehmer Ausstattung
ging aus demselben Verlage
eine neue Zusammenstellung
alter Scherze und Einfälle von
Ludwig Richter hervor, ein
gewiß nicht unwillkommener
Beitrag zu den Richter-Bilder-
sammlungen, deren wir bereits
drei größere besitzen. „Aus
der Jugendzeit" ist die Samm-
lung getauft, und wir wollen
diese Taufe nicht anfechten, wenn
Richter auch im Jahre 1843
grade keiu Jüngling mehr war.

Jugendfrisch, ausgelassen und
voll geistreichen Humors aber
sinv allerdings diese Jllustratio-
nen deutscher „Studentenlieder"
und verdienen es iu reichem
Maße, daß sie, der Vergessen-
heit entrissen, in festlicher Aus-
stattung zu gebührenden Ehren
kommen.

Ebenfalls einen halbvergessenen Schatz hat die Ver-
lagshandlung von I. Veith in Karlsruhe gehoben, indem
sie den Anno 1844 erschienenen „Almanach Schwind-
scher Radiruugen" in neuer geschmackvoller Ausstattung
wieder aufleben ließ. Die Leser dieser Blätter werden
sich gewiß der in Holzschnitt sacsimilirteu Vignetten
eriunern, die im fünsten Jahrgange der Zeitschrift, aus
dem Almanach entlehnt, an einzelnen Stellen eingestreut
sind. Was dieses freundliche Werkchen besonders geschickt
macht, um zu Festgaben verwandt zu werden, sind die
poetischen Glossen von Ernst von Feuchtersleben, die
jedes Blatt des Künstlers begleiten. Der Dichter singt:
Nur Kunst heilt, die das Leben schlug, die Wunden,
Läßt nicht im Zorne das Gemüth verwildern,

Denn nur am Schönen kann der Geist gesunden.


Aus der illustr. Lessing-Ausgabe. Grote'sche Verlagsbuchhcmdlung.
 
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