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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Richter, Jean Paul: Die Winterausstellung der Londoner Akademie
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0161
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309

Bücherschau.

310

sind bei beiden Figuren dieselben, nur im Gegen-
sinn. Dürers in Trient gemachte Naturstudien
können als indirekter Beweis dafür gelten, dass er
auch Verona auf der Heerstraße nach Venedig be-
rührt hat.

In dem nebenan hängenden Bilde Nr. 154 der
Ausstellung (Besitzer Captain G. L. Holford) ist ein
Knabenkopf dargestellt, dem Giovanni Bellini zu-
geschrieben; denn die Bezeichnung auf der gemalten
Marmorbrüstung lautet: Opus Bellini Ioannis
Veneti

NON ALITER.

Bei einer solchen Inschrift muss es wohl für
mindestens naseweis gelten, eine andere Benennung
vorzuschlagen. Aber die Bilder des braven Jacopo
de' Barbarj in Dresden (Nr. 57—59) und in Weimar
(Nr. 3) stimmen so überein mit diesem Kopf, dass
man sich über das „nicht anders" hinwegsetzen und
dies feine Bildchen den Werken des welschen Jakob
anreihen darf.

Von den Schülern Bellini's ist gewiss Vincenzo
Catena in englischen Sammlungen trefflicher und
reicher vertreten, als irgendwo sonst. Nur sind sie
insgemein mit dem Aushängeschild des Namens
seines Lehrers versehen: Giovanni Bellini — non
aliter! Selbst die National Gallery mit ihren drei
Hauptwerken Catena's (neben vier echten Bellini's)
macht hier keine Ausnahme. Es ist also selbstver-
ständlich, dass auch Lord Brownlow's Anbetung der
Hirten, Nr. 161 der Ausstellung, als Giov. Bellini
aufgeführt ist, obwohl hier an gar niemand anders
als an Catena gedacht werden kann, — was auch
schon in „The Academy" (Nr. 1079) hervorgehoben
wurde. Catena ist nächst Bellini, Giorgione und
Carpaccio der grösste Poet unter seinen venezianischen
Zeitgenossen und als solcher bewährt er sich auch
in dieser großen Komposition mit ausgedehnter
Landschaft.

Über die Künstlerfamilie der Bonifazi hat be-
kanntlich Morelli-Lermolieff in seinen „Kunstkriti-
schen Studien" Aufklärung gebracht. Nachdem nun
erwiesen ist, dass der sogenannte Bonifazio Veronese
der größte dieses Namens ist, kann es gerade nicht
Wunder nehmen, dass dieser Bevorzugungsname auch
alsbald missbräuchlich in Anwendung kommt. Und
in dieser Ausstellung ist das um so auffälliger, weil
hier auch das von Morelli beschriebene echte Jugend-
werk desselben als Nr. 156 (Band IL, Seite 319,
wo es noch als in Florenz befindlich aufgeführt ist;
Sammlung J. P. Richter) ausgestellt ist. Sowohl
Captain Holford's Anbetung der Hirten (Nr. 158),

als auch die Heilige Familie (Nr. 117) aus des Earl of
Strafford Sammlung sind von der Hand des Boni-
fazio IL Letzteres ist im Katalog der Ausstellung
als Tizian aufgeführt. An einem echten Tizian fehlt
es diesmal überhaupt, denn auch das Bild der Diana
mit Actaeon (Nr. 121), Earl Brownlow gehörend,
ist nur das Werk eines Nachahmers.

Vor Eröffnung der Ausstellung war vielfach die
Erwartung ausgesprochen worden, dass die Palme
dem Giorgionebild der Ehebrecherin vor Christus
aus der Stadtgalerie von Glasgow werde zuerkannt
werden. Nun hat zwar dieses farbenprächtige Bild
den Ehrenplatz an der Wand bekommen (Nr. 119),
aber in dem Urteil der Kritiker und Kunstfreunde
darüber ist eine starke Ernüchterung bemerklich.
Ich hatte das Bild vor einem Jahrzehnt schon in
Glasgow als Domenico Campagnola bestimmt und
diese Benennung hat jetzt auch die „Times" in der
Besprechung der Ausstellung und Dir. Sidney Colvin
vom British Museum in der „Pall Mall Gazette"
als die allein mögliche angenommen und näher be-
gründet. JEAN PAUL RICHTER.

BÜCHERSCHAU.

Ernst von Bändel. Ein deutscher Mann und Künstler.
Von Dr. Hermann Schmidt. Mit 6 Abbildungen. Hannover,
Carl Mayer (Gust. Prior), 1892. 4». X und 214 S.
Wie es die feste, wetterharte Gestalt des Mannes, der
das Hermanndenkmal auftürmte, nicht anders verlangt, ist
hier Ernst von Bändel in kerniger deutscher Weise ein
t schönes schriftliches Denkmal gesetzt worden, das bei aller
Einfachheit und Schlichtheit in der Darstellung doch von
einem so warmen, oft begeisterungsvollen Zug von Freund-
schaft durchweht ist, ohne all die Rührseligkeit, die so gern
die Biographen zum Herzenfangen ihrer Leser in allen Ton-
arten spielen lassen. Wohl aber schlägt der Autor tief em-
pfundene Töne an, wo es gilt, die infolge seiner Unterneh-
mungen oft genug schwer gestörte Seelenruhe dos Künstlers
zu schildern; oft ist es, wie auch bei all dem fröhlichen
und Humorvollen in der Darstellung weniger der Autor als
Bändel selbst, der da mit seinen eigenen Worten in Brief-
auszügen und notorischen Aulierungen citirt wird. In lebens-
voller Darstellung wird uns Bandel's Verkehr mit dem Mün-
chener Kreis, seine erste Berührung mit demselben in Nürn-
berg, Gnade und Ungnade König Ludwig's und dessen Ver-
söhnung mit dem recht oft widerhaarigen Künstler geschildert.
Die Jugend desselben, das Herumtasten nach der richtigen,
ihm zusagenden unter den Künsten, die Schilderung des
ganz unzulänglichen, bureaukratisch verknöcherten Kunst-
unterrichtes, worin sich Anfang und Ende des Jahrhunderts
an manchen Orten wie Zwillinge, ähneln, das alles sind
Schilderungen, die durch persönliche Äußerungen Bandel's
aufs glaubwürdigste gesteigert, im Einzelnen das Gesainte
widerspiegeln und kunst- wie kulturhistorisch gleich wert-
voll sind. Naturgemäß ist der Löwenanteil der Schrift dem
das Leben Bandel's so ganz ausfüllenden Hermanndenkmal
im Teutoburgerwald gewidmet, das unter unglaublichen
 
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