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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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349

Sammlungen

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Jahren ist Trudel Bildhauer geworden. War es selbst-
erkannte Notwendigkeit, seinem starken Wollen eine feslere
Unterlage zu schaffen oder fremder Einfluß, er wurde
Schüler eines »gemilderten Naturalisten«, Eduard Hellmers.
Hier sind zwei Gegensätze zu Unheil oder Heil aneinander-
geraten; jedenfalls sind die Plastiken, die Trudel ausstellt,
vorläufig bloßer Kompromiß. Männer- und Frauenakte in
starken Affekten, deren tief ergrübelte Motivierung nicht
im Entferntesten zur Form geworden ist. Schülerwerk im
besten Sinn, Versuche eines, der sich müht und quält.
Trudel muß sich selbst wie Pegasus im Joch vorkommen;
wenn wir ihm bei einer Ausstellung wiederbegegnen, ist
hoffentlich der Tag gekommen, da diese harte Sphule
ihre Früchte trug. — Das Widerspiel zu Trudel — Pendant
und gleichzeitig Gegensatz — bildet der Bildhauer Gustinus
Ambrosi, der bei Heller ausstellt. Der Gestaltenfülle, die
chaotisch und gedankenbeschwert in ihm gärt, will er
nicht mit den tastenden Griffen eines Halb-Dilettanten,
Halb-Anfängers Herr werden, sondern mit der hurtigen
Fingerfertigkeit eines talentierten Virtuosen. Beides ist
nicht so verschieden, wie man meinen könnte; hier wie
dort fehlt das ringende Durchdringen des Stoffs, das die
literarische Idee zum künstlerischen Gedanken macht. Die
Porträtbüsten Ambrosis von Künstlern und Literaten sind
konventionell, nicht nur in der Formenbehandlung, sondern
auch in der geistigen Interpretation, es sind die großen
Männer der illustrierten Journale. Die anderen Werke,
lauter Kains und Erschaffungen Adams und Höllenstürze
— welcher junge Künstler darf sich heute mit weniger
abgeben! — sind bei aller aalglatten Technik rein litera-
risch, Strandhafer, dessen Wurzeln nirgends in die Tiefe
dringen, die Kraft verleiht, Gipskunst ohne Zucht und

Zukunft. Hans Tietze.

Hamburg. Die Galerie Commeter hat in ihren
sämtlichen Ausstellungsräumen Emil Nolde in ausge-
dehntester Weise das Wort zugeteilt. Daß sie in ihrer
Ankündigung den entschuldigenden Vermerk hat einfließen
lassen, daß es für den, »der künstlerisch sehen gelernt,
nichts Häßliches mehr gibt«, läßt vermuten, daß die Aus-
stellerin die in so überreichem Maße gewährte Gastfreund-
schaft nicht ganz unbedrückten Herzens übt. Und in der
Tat, bei aller Anerkennung von dem Recht und dem Weit
alles Eigenpersönlichen in der Kunst, kann man nicht über
die Frage hinwegkommen, ob das Sehen des Nur-Häßlichen
und dessen Wiedergabe in einer allem formal Schönen
strikte widersprechenden Art der Darstellung auch unter
völlig veränderten Verhältnissen — der Ausstellung ist eine
große Anzahl von farbigen und schwarz-weißen Blättern
als Frucht einer von dem Künstler nach Neu-Guinea unter-
nommenen Reise einverleibt — immer noch als »künst-
lerische Eigenart« und nicht vielmehr als Produkt einer
Manier gewordenen Einseitigkeit genommen werden
muß, die auch das Gute in der Natur dieses Künstlers
gefährdet. h. e. w.

Im Berliner Kunstgewerbemuseum sind gegen-
wärtig die Berliner Wandteppiche aus dem Jahre 1714 aus-
gestellt, die der Reichstag vor dem Kriegsausbruch auf
Anregung des Ministerialdirektors Lewald zur Ausstattung
des Präsidialgebäudes angekauft hatte. Es ist eine zu-
sammengehörige Folge von sechs Teppichen verschiedener
Größe, die zusammen eine Wandfläche von 16 m Breite
und 3 m Höhe bedecken. Die sehr farbenreichen Darstel-
lungen sind dekorativ von jener Art, die seit der Renais-
sance als »Grotesken« bezeichnet werden: luftig leichte
Architekturen, verbunden mit Blumen in Vasen und Ge-
hängen, Bändern, Weinranken, gliedern die Flächen, die
von Figuren kleinen Maßstabs in orientalischen Gewändern,

Seiltänzern,Musikanten, Komödianten und exotischen Tieren
belebt sind. Auf den vier schmalen Teppichen der aus-
gestellten Folge sind unter zeltartigen Baldachinen die vier
Jahreszeiten in statuarischer Haltung dargestellt. Der größte
dieser Teppiche trägt noch die volle Bezeichnung des Ver-
fertigers: »Barraband ä Berlin 1714«. Der Tapetenwirker
Jean Barraband II, gebürtig 1677 aus der Tapisseriestadt
Aubusson in Mittelfrankreich, gehörte zu den protestan-
tischen Kunsthandwerkern, die der Große Kurfürst nach
der Aufhebung des Edikts von Nantes nach Berlin gezogen
hatte. Er betrieb hier, zuerst am Lustgarten, dann in der
Akademie, eine Teppich Wirkerei, die schon 1699 zwei
Teppichfolgen an den kurfürstlichen Hof lieferte. Ihre
Glanzzeit begann 1714, als der erste Tapetenwirker des
Hofes, Pierre Mercier, Berlin verließ, um in sächsische
Dienste zu treten. Jean Barraband starb in Berlin 1725,
seine Manufaktur wurde von Charles Vigne noch weiter
geführt. Die Erfindung der geistreichen Grotesken der
im Kunstgewerbemuseum ausgestellten Teppichfolge kann
Barraband nicht für sich in Anspruch nehmen; sie sind
vielmehr, auch in den Farben, ziemlich getreue Wieder-
holungen von gleichzeitigen französischen Wandteppichen
aus der Manufaktur von Beauvais. Die technische Aus-
führung aber macht dem Berliner Teppichwirker alle Ehre;
sie wird allen zeichnerischen und farbigen Feinheiten der
Vorlage vollkommen gerecht und bleibt hinter den fran-
zösischen Gobelins kaum zurück. Die Teppiche des Reichs-
tags, von W. Ziesch gereinigt und wieder instand gesetzt,
sind die einzigen bisher bekannt gewordenen Erzeugnisse
der Berliner Manufaktur Barrabands und deshalb überaus
wertvolle Dokumente für die Geschichte des Kunsthand-
werks in Berlin. Da die Gefahr bestand, daß sie ins Aus-
land verhandelt würden, hat der Reichstag mit ihrer Er-
werbung in dankenswertester Weise praktischen Denkmal-
schutz getrieben.

SAMMLUNGEN

Ein Vermächtnis an die Galerie in Dublin. Wie

aus einer Mitteilung in der Januar-Nummer der Rassegna
d'arte hervorgeht, hat der mit der Lusitania verunglückte
Direktor der Galerie in Dublin Sir Hugh Lane dieser
Sammlung den wichtigsten Teil seines Kunstbesitzes hinter-
lassen. Der Verstorbene, eine im Londoner Kunsthandel
wohlbekannte Persönlichkeit, besaß einen nicht gewöhn-
lichen Geschmack und hatte in seinem Haus in Chelsea
eine Reihe bedeutender Gemälde vereinigt, die, mehrere
Jahrhunderte umfassend, meist durch besondere malerische
Qualitäten ausgezeichnet waren. Man spürte, wenn er sie
zeigte, die passionierte Ader des Sammlers in ihm; wie
denn schon seine Erscheinung auf das künstlerische Fein-
gefühl des Mannes schließen ließ. Unter den vorzüglichsten
Stücken, die jetzt die Sammlung in Dublin zu bereichern
bestimmt sind, ragen zwei venezianische Bildnisse hervor:
das eine, von alters her berühmt, war lange verschollen,
bis es in Montreal wieder auftauchte, das Porträt des Kar-
dinals Antonio del Monte von Sebastiano del Piombo, aus
der besten Zeit des Meisters, der selten dem Raffael so
zum Verwechseln nahe gekommen ist, wie hier; das zweite,
ein meines Wissens unbekanntes Bildnis von Tizian, das,
wenn man einer darauf angebrachten, wohl späteren In-
schrift trauen darf, den Grafen Baldassare Castiglione dar-
stellt. Ob ein zweites tizianisches Porträt, eine Skizze zu
einem Bildnis Philipps II., sich noch im Nachlaß befindet,
scheint zweifelhaft, da es in dem angeführten Artikel nicht
erwähnt ist. Von primitiven Italienern wird ein bezeichneter
Bartolomeo Vivarini genannt, sowie dekorative Schlachten-
bilder von Uccello (?). Unter den Holländern Rembrandts
 
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