Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0180

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
347

Ausstellungen

348

bieten und Erich Gruner (neben den schon bekannten
geistreich virtuosen Linoleunischnitten, Blätter aus der neuen
Radierungsfolge »Krieg«).

Etwas zufällig wirkt die Auswahl der nichtleipziger
Kunst, doch gibt wenigstens die Kollektion der Graphik
einen nicht ungeschickten Querschnitt der wertvollsten zeit-
genössischen Produktion. Wir sehen Liebermann, Slevogt,
Corinth in einigen ihrer besten Arbeiten, vorzügliche, lebens-
warme Akte und die bekannten Radierungen von Meid,
witzige Holzschnitte von W. Klemm, Kriegsgraphik von
Willi Geiger und A. Schinnerer, die für diese jetzt in Miß-
kredit geratene Galtung wieder zu interessieren vermag,
die famosen Improvisationen von Mayershofer 11. a.

Während die Lia« 1913 der modernsten Richtung aufs
freigebigste Raum gelassen hatte, beschränkt sich die neue
Ausstellung auf wenige Vertreter der extremen Tendenzen.
Davon könnte mau I'ascin und Melzer schon nahezu als
Klassiker ansprechen. Pascins hohe malerische Qualitäten
sind bekannt, und Melzer zeigt einige neuere Linoleum-
schnitte, die seine unerschöpfliche Erfindungsgabe auf
diesem Gebiete aufs neue dartun. Keinerlei innere Ab-
klärung zeigt der Berliner Kirchner, dessen revolutionäre
Produkte aus dem friedlichen Gesamtbild am stärksten
herausfallen.

Erwähnenswert ist das lebhafte Interesse, das von
seiten des Leipziger Publikums der Ausstellung entgegen-
gebracht wird, besonders die für die gegenwärtige Zeit
sehr bemerkenswerte Kauflust. Vs.

Die Weisgerber-Gedächtnisausstellung. Die »Neue
Münchner Sezession« hat, um das Gedächtnis ihres vor
Jahresfrist gefallenen Führers und 1. Präsidenten zu ehren,
eine umfangreiche Weisgerber-Ausstellung veranstaltet.
Nicht weniger als 118 Bilder und eine große Anzahl Zeich-
nungen sind vereinigt und legen beredtes Zeugnis ab von
dem Fleiß, der Kraft und der großen Bedeutung des zu
früh dahingeschiedenen Künstlers. Zwar fehlen einige
Hauptwerke: einige der besten Porträts, der »Knabe mit
der Maske« und der große »Absalon«, aber man gewinnt
auch ohne diese ein umfassendes Bild vom Wesen und
Wirken Weisgerbers. Auch derjenige, der Weisgerber gut
zu kennen glaubt, wird in dieser Ausstellung überrascht
durch die Stärke der Persönlichkeit, die aus allen Werken
spricht. Wenn auch bei einer solchen Veranstaltung, wo
die direkten Vergleichsmöglichkeilen mit anderen Künstlern
fehlen, natürlich das Urteil von vornherein für den Maler
besonders günstig gestaltet, so muß man doch sagen: bei
allen Mängeln und Schwächen war Weisgerber — von
Franz Marc abgesehen — doch die stärkste Persönlichkeit
und der talentierteste Maler unter der ganzen jüngeren
Münchner Generation. Nicht so sehr die Einflüsse, die
der Künstler im Lauf der Jahre, namentlich von Cezanne,
erfahren hat, fallen einem hier besonders auf als vielmehr
die Konsequenz des Schaffens, die Stärke, mit der er alle
jene Einflüsse auf seine Art zu verarbeiten wußte. Mit
besonderer Deutlichkeit zeigt die Ausstellung, daß Weis-
gerber seine Kunst noch viel ernster nahm, als selbst ihm
Näherstehende glaubten: es wird das nämlich nicht nur
durch die verschiedenen Bildfassungen derThemen, die Weis-
gerber besonders am Herzen lagen, bewiesen, sondern
durch die zahlreichen Vorstudien, Kompositionsentwiirfe
in Zeichnung und Farbenskizzen. Nie hat Weisgerber über
den langen Weg von der ersten flüchtig mit dem Stift fest-
gehaltenen Idee bis zum ausgeführten Bild die Frische des
Wurfes verloren, daher vielfach bei den fertigen Gemälden
der Eindruck scheinbarer Mühelosigkeit. Kein zweiter unter
den jüngeren Münchnern hat die große figurale Kom-
position des Staffeleibildes mit gleichem Erfolg gepflegt und

gefördert wie Weisgerber. (Auch Marc nicht, denn bei
Marc sind die Grenzen von Tafel- und Wandmalerei und
Teppichkarton zu sehr verwischt.) Weisgerber hat wohl
die Farbe geliebt, in den letzten Jahren sie manchmal fast
spielerisch-schwärmerisch gepflegt, aber sie ward ihm nie-
mals alleiniger Zweck. Nichts beweist dies besser als die
Tatsache, daß der Künstler nie ein Stilleben gemalt hat
und auch die Landschaft stets eine nur untergeordnete
Rolle spielt. Im übrigen ist bei dieser Ausstellung zu be-
denken, daß es sich hier doch zum großen Teil um eine
Nachlaßausstellung handelt, daß verschiedene der gezeigten
Hauptstücke noch von der von Weisgerber ersehnten Voll-
endung nicht unerheblich entfernt sind wie die groß-
angelegte »Liegende nackte Frau in der Berglandschaft«
und die »Amazonenschlacht«. Von Arbeiten aus der
früheren Zeit fällt vor allem das Bildnis Pascin (1906,
Eiberfelder Museum) auf, von einer bestrickenden kolo-
ristischen Süßigkeit. Die Sebastians- und Jeremiasbilder
haben mit der Zeit nichts von ihrer Stärke verloren, und
die große »Vorstadt« wie der Akt am Balkon« erwiesen
sich auch auf dieser Ausstellung als die beiden in sich ab-
geschlossensten Schöpfungen aus Weisgerbers späterer Zeit.
Besonders hingewiesen sei zum Schluß noch auf die Skizze
»Nackte Frau in einer Seelandschaft« und den malerisch
außerordentlich reifen »Bauer zu Pferd . A.L.M.

Wien. In der Galerie Arnot stellt ein junger
Schweizer, Hans Trudel, aus, den es von irgend einer
kleinen Stellung im Maschinenbau zur Kunst hingetrieben
hat. Ein heute typischer Fall. Nicht von der vollendeten
Beherrschung des Handwerklichen, die sie zur raffinierte-
sten Ausformung ihres Weltbildes befähigte — wie die
letzte Generation — kommen jetzt die jungen Künstler
her, sondern weil ein Chaos von Gedanken und Formen
in ihnen Gestaltung heischt. Wie jene bisweilen abge-
brauchte Ideen in neue, lebendige, persönliche Formen
gössen, meinen diese für die neuen Gehalte ihrer Kunst
mit den Ausdrucksmitteln ihr Auslangen zu finden, die sie
fertig von ihren Vorgängern übernehmen. Im vorliegenden
Fall hat zweifellos Hodlers monumentale Kunst einem
nach Worten ringenden Verlangen die Sprache verliehen.
— Hans Trudeis Phantasie ist erfüllt von der Märchen-
welt des modernen Ingenieurs; ungeheure Naturkräfte, die
der Menschengeist bändigt, vor allem der älteste Mensch-
heitstraum, den die Gegenwart zu verwirklichen beginnt,
die Luftschiffahrt, das sind die Themen, die in ihm spuken.
In großen Wandbildern sucht der Ehrgeiz des Anfängers
sie zu bannen. Aber diesen muskelbeladenen Leibern fehlt
der Funke, der lebendig macht; diesen Phantomen mangelt
die Überzeugungskraft organischen Wachstums. Diese
Werke, denen gedankliche Kühnheit und ein gewisser
Sinn für großen Rhythmus achtungsvolle Aufmerksamkeit
sichert, sind ohne Halt und ohne Wurzeln, die Beschrän-
kung fehlt, die erst den Meister macht. Wo Hodler ähn-
liches schuf, ist ihm die Rücksicht auf die Wand, die
architektonische Bindung die Fessel, die dem Künstler die
Freiheit gibt; die wuchernde Gestaltenfüile Trudeis kennt
solche Selbstzucht nicht, sie ist nur aus dem Geist geboren
und schweift zügellos durch die Traumwelten dahin. Keine
monumentale Malerei, sondern regelrechte Gedankenkunst;
über Hodler und durch Hodler hindurch auf Ahnherren
wie Wilhelm Kaulbach zurückweisend, der das Wunder
seiner Zeit, das Dampfroß, allegorisierte. Einheitlicher
wirkt Trudel daher im Gebiet seiner Griffelkunst, wo den
Oedanken ein fretererTummelplatz geboten ist; inGraphiken
und Zeichnungen erreicht seine sprudelnde Erzählerlust
-zuweilen eine Findringlichkeil, die an die Wucht alt-
deutscher Holzschnittillustraiion erinnert. In den letzten
 
Annotationen