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Nekrologe — Personalien
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Novizen und hat unlängst die Kunstgeschichte u. a.
durch ein umfangreiches Werk über Conrad Witz be-
reichert, dessen unnötige Drucklegung Curt Glaser
in der Kunstchronik (Sp. 319) mit der uns Männern
dem »zarten, leicht verletzlichen Geschlecht« gegen-
über leider im Blut steckenden Höflichkeit klargestellt
hat1). Eine allem Anschein nach sorgfältig zusammen-
getragene Grünewald-Bibliographie von ihrer Hand
erschien schon 1914. Sie führt als Motto die be-
ziehungsreiche und beherzigenswerte Aufschrift, die Abel
Stimmer auf die Rückseite des Isenheimer Altars setzte:
»Wie wohl d' Kunst Oaaben Gottes sindt
Ist Unverstandt jer größter Feindt
Darumb wer solche nicht verstaet
Allhie nichts zu urteilen hat.«
Noch einmal möchte ich zum Schluß ganz all-
gemein und prinzipiell betonen: es sollte schon auf
unseren Hochschulen von fakultätswegen den jungen
Leuten untersagt werden, aus jeder ungefähren Ähn-
lichkeit eine Abhängigkeit zu konstruieren, die dann,
mit billigen Schlagworten, wie »unverkennbar«, »evi-
dent«, »zweifellos«, »sicherlich«, »offenbar«, »ein-
wandfrei« oder mit abgedroschenen Redensarten, wie
»es ist klar«, »es bedarf keines Beweises«, »es ver-
steht sich von selbst«, »es ist über jeden Zweifel er-
haben« schmackhaft gemacht, den Leser einschüchtern
und von ihrer Glaubhaftigkeit überzeugen soll. Das
würde die voreiligen Entdeckerfreuden etwas dämpfen
und den Hochstand der literarischen Frühgeburten
ein wenig herabdrücken. »Kinder forscht's nur nich!«
pflegte der unvergeßliche Kollege Lippmann, der so
viel wußte und so wenig drucken ließ, zu seinen
Assistenten zu sagen, wenn sie ihm mit solchen Ent-
deckungen kamen. MAX LEHRS.
NEKROLOGE
Benno Berneis t- Vom westlichen Kriegsschauplatz
kommt die Trauerbotschaft, daß der junge Berliner Maler
Benno Berneis gefallen ist. Berneis stand seit Beginn des
Krieges im Felde. Als passionierter Reiter zeichnete er
sich von Anfang an aus und war einer der ersten unter
unseren Künstlern, der sich das Eiserne Kreuz erwarb.
Nun hat sich auch sein Schicksal erfüllt, und wenn München
in Weisgerber und Marc zwei Hoffnungen zu Grabe trug,
so beklagt die Berliner Kunstwelt in Berneis' Tode einen
schweren Verlust. Von vielen Sezessionsausstellungen und
zuletzt noch von einem umfassenden Rückblick, den kurz
vor dem Kriege eine Sonderausstellung bei Paul Cassirer
gab, sind Berneis' Werke weiteren Kreisen bekannt. Mit
einer Reihe ausdrucksstarker Porträts verstand er zuerst
Aufsehen zu erregen. Es waren zumeist bekannte Per-
sönlichkeiten aus dem literarischen Berlin wie Reinhardt,
Moissi, Hermann Bang und nicht zuletzt der bucklige
Zeitungskellner eines Literatencafes, die durch ihre scharfe
Charakterisierung auffielen. Es folgten Bilder vom Renn-
platz, in denen blitzartig die Bewegung galoppierender
Pferde erfaßt war. Eine ungewöhnliche Kenntnis des
Tieres vereinte sich mit der Gabe rascher Beobachtung.
In der jüngsten Zeit hatte Berneis seine Ziele höher ge-
steckt. Er versuchte sich in großen Kompositionen. Baute
1) Deutlicher und energischer hat sich Fritz Winkler in
einer Einzelfrage ebendort Sp. 374 dagegen geäußert.
er zunächst auf der guten Tradition der alten Berliner
Sezession, insbesondere den Lehren, die Liebermann in
seinem Werke aufgestellt hatte, weiter, so fand er nun in
den Wagnissen der jüngeren Generation die Bestätigung
eigener dunkler Sehnsüchte. So unternahm er es, die
kraftgenialischen Versuche seiner Schülerzeit in malerische
Form zu bringen. Es entstanden eine Reihe von Kompo-
sitionen größten Formates, die aber auch ihren Schöpfer
nur schwer zu befriedigen vermochten. Vielfache Wieder-
holungen und Fragmente legen Zeugnis von Versuchen
und Mißlingen ab. Schöne Bruchstücke blieben und als
einzige ausgereifte Leistung ein hl. Georg, der vom
Pferde den Drachen tötet. Entwürfe für ein Decken-
gemälde in Wiesbaden beschäftigten den Künstler in seiner
letzten Arbeitszeit. Ob alles große Wollen zur Höhe der
Meisterschaft geführt hätte, wird nun eine offene Frage
bleiben. Noch war der gärende Stoff nicht geklärt und
beruhigt. Was für den Künstler sprach, war die Reinheit
seiner Intention. Er arbeitete nicht für Erfolg und äußeren
Schein, sondern es war ein Zwang in ihm, sich mitzuteilen,
inneren Gesichten äußere Form zu verleihen. Aber noch
fehlte es seinem Talent an der notwendigen Pflege, er
war zu unstet, sich selbst zur Vollendung zu nötigen. So
ließ er die großen Versprechungen, die er gab, unein-
gelöst zurück. Olaser.
In Jena ist im Alter von 87 Jahren der Genre- und
Porträtmaler Carl Johann Arnold gestorben. Er war am
30. August 1829 in Kassel geboren. Unter anderem hat er
Kaiser Wilhelm I. etwa sechzigmal nach dem Leben ge-
zeichnet. Volkstümlich wurde er durch seine zahlreichen
Beiträge in illustrierten Zeitschriften. Auch die Berliner
Nationalgalerie besitzt Tier- und andere Studien von ihm;
die Bremer Kunsthalle aus der Sammlung H. H. Meier eine
fast vollständige Sammlung seiner zahlreichen graphischen
Arbeiten. Arnold war der Sohn von Menzels Jugendfreund,
dem Berliner Tapetenfabrikanten Carl Heinrich Arnold, bei
dem alle Größen der damaligen Berliner Kunstwelt, wie
Schinkel, Rauch usw. verkehrten. Des alten Arnold Über-
siedelung nach Kassel war der Grund eines angeregten
Briefwechsels zwischen ihm und Menzel, der sich stets
auch des jungen, jetzt verstorbenen Sohnes annahm und
ihn nach Kräften förderte.
In Paris ist Odilon Redon, dessen Werke noch kurz
vor dem Krieg in einer größeren Gesamtausstellung in
Berlin gezeigt wurden, gestorben. Über Redon und sein
phantastisches Werk hat sich Johannes Cohen-Gosschalck
in unserer Zeitschrift für bildende Kunst N. F. XXII, Heft 3
eingehend geäußert. Dort sind auch die bedeutendsten
Lithographien und Kohlezeichnungen Redons reproduziert.
PERSONALIEN
Professor Eugen Petersen, der frühere erste Sekretär
des Kaiserlich deutschen archäologischen Instituts in Rom,
beging am 16. August das Fest seines 80. Geburtstages in
voller Frische. Petersen hat neben seiner ausgedehnten
Lehrtätigkeit ein reiches literarisches Schaffen entfaltet.
Seine erste selbständige Veröffentlichung war eine kritische
Ausgabe von Theophrasts Charakteren. Zu seinen ver-
breitetsten Werken gehört der Band vom alten Rom, von
dem bereits vier Auflagen vorliegen, in Seemanns »Berühmten
Kunststätten «.sowie der über Athen in dergleichen Sammlung.
Dr. Georg Habich, Direktor des Münzkabinetts in
München, ist zum Honorarprofessor für Numismatik und
Medaillenkunde in der philosophischen Fakultät der dortigen
Universität ernannt worden.
Nekrologe — Personalien
412
Novizen und hat unlängst die Kunstgeschichte u. a.
durch ein umfangreiches Werk über Conrad Witz be-
reichert, dessen unnötige Drucklegung Curt Glaser
in der Kunstchronik (Sp. 319) mit der uns Männern
dem »zarten, leicht verletzlichen Geschlecht« gegen-
über leider im Blut steckenden Höflichkeit klargestellt
hat1). Eine allem Anschein nach sorgfältig zusammen-
getragene Grünewald-Bibliographie von ihrer Hand
erschien schon 1914. Sie führt als Motto die be-
ziehungsreiche und beherzigenswerte Aufschrift, die Abel
Stimmer auf die Rückseite des Isenheimer Altars setzte:
»Wie wohl d' Kunst Oaaben Gottes sindt
Ist Unverstandt jer größter Feindt
Darumb wer solche nicht verstaet
Allhie nichts zu urteilen hat.«
Noch einmal möchte ich zum Schluß ganz all-
gemein und prinzipiell betonen: es sollte schon auf
unseren Hochschulen von fakultätswegen den jungen
Leuten untersagt werden, aus jeder ungefähren Ähn-
lichkeit eine Abhängigkeit zu konstruieren, die dann,
mit billigen Schlagworten, wie »unverkennbar«, »evi-
dent«, »zweifellos«, »sicherlich«, »offenbar«, »ein-
wandfrei« oder mit abgedroschenen Redensarten, wie
»es ist klar«, »es bedarf keines Beweises«, »es ver-
steht sich von selbst«, »es ist über jeden Zweifel er-
haben« schmackhaft gemacht, den Leser einschüchtern
und von ihrer Glaubhaftigkeit überzeugen soll. Das
würde die voreiligen Entdeckerfreuden etwas dämpfen
und den Hochstand der literarischen Frühgeburten
ein wenig herabdrücken. »Kinder forscht's nur nich!«
pflegte der unvergeßliche Kollege Lippmann, der so
viel wußte und so wenig drucken ließ, zu seinen
Assistenten zu sagen, wenn sie ihm mit solchen Ent-
deckungen kamen. MAX LEHRS.
NEKROLOGE
Benno Berneis t- Vom westlichen Kriegsschauplatz
kommt die Trauerbotschaft, daß der junge Berliner Maler
Benno Berneis gefallen ist. Berneis stand seit Beginn des
Krieges im Felde. Als passionierter Reiter zeichnete er
sich von Anfang an aus und war einer der ersten unter
unseren Künstlern, der sich das Eiserne Kreuz erwarb.
Nun hat sich auch sein Schicksal erfüllt, und wenn München
in Weisgerber und Marc zwei Hoffnungen zu Grabe trug,
so beklagt die Berliner Kunstwelt in Berneis' Tode einen
schweren Verlust. Von vielen Sezessionsausstellungen und
zuletzt noch von einem umfassenden Rückblick, den kurz
vor dem Kriege eine Sonderausstellung bei Paul Cassirer
gab, sind Berneis' Werke weiteren Kreisen bekannt. Mit
einer Reihe ausdrucksstarker Porträts verstand er zuerst
Aufsehen zu erregen. Es waren zumeist bekannte Per-
sönlichkeiten aus dem literarischen Berlin wie Reinhardt,
Moissi, Hermann Bang und nicht zuletzt der bucklige
Zeitungskellner eines Literatencafes, die durch ihre scharfe
Charakterisierung auffielen. Es folgten Bilder vom Renn-
platz, in denen blitzartig die Bewegung galoppierender
Pferde erfaßt war. Eine ungewöhnliche Kenntnis des
Tieres vereinte sich mit der Gabe rascher Beobachtung.
In der jüngsten Zeit hatte Berneis seine Ziele höher ge-
steckt. Er versuchte sich in großen Kompositionen. Baute
1) Deutlicher und energischer hat sich Fritz Winkler in
einer Einzelfrage ebendort Sp. 374 dagegen geäußert.
er zunächst auf der guten Tradition der alten Berliner
Sezession, insbesondere den Lehren, die Liebermann in
seinem Werke aufgestellt hatte, weiter, so fand er nun in
den Wagnissen der jüngeren Generation die Bestätigung
eigener dunkler Sehnsüchte. So unternahm er es, die
kraftgenialischen Versuche seiner Schülerzeit in malerische
Form zu bringen. Es entstanden eine Reihe von Kompo-
sitionen größten Formates, die aber auch ihren Schöpfer
nur schwer zu befriedigen vermochten. Vielfache Wieder-
holungen und Fragmente legen Zeugnis von Versuchen
und Mißlingen ab. Schöne Bruchstücke blieben und als
einzige ausgereifte Leistung ein hl. Georg, der vom
Pferde den Drachen tötet. Entwürfe für ein Decken-
gemälde in Wiesbaden beschäftigten den Künstler in seiner
letzten Arbeitszeit. Ob alles große Wollen zur Höhe der
Meisterschaft geführt hätte, wird nun eine offene Frage
bleiben. Noch war der gärende Stoff nicht geklärt und
beruhigt. Was für den Künstler sprach, war die Reinheit
seiner Intention. Er arbeitete nicht für Erfolg und äußeren
Schein, sondern es war ein Zwang in ihm, sich mitzuteilen,
inneren Gesichten äußere Form zu verleihen. Aber noch
fehlte es seinem Talent an der notwendigen Pflege, er
war zu unstet, sich selbst zur Vollendung zu nötigen. So
ließ er die großen Versprechungen, die er gab, unein-
gelöst zurück. Olaser.
In Jena ist im Alter von 87 Jahren der Genre- und
Porträtmaler Carl Johann Arnold gestorben. Er war am
30. August 1829 in Kassel geboren. Unter anderem hat er
Kaiser Wilhelm I. etwa sechzigmal nach dem Leben ge-
zeichnet. Volkstümlich wurde er durch seine zahlreichen
Beiträge in illustrierten Zeitschriften. Auch die Berliner
Nationalgalerie besitzt Tier- und andere Studien von ihm;
die Bremer Kunsthalle aus der Sammlung H. H. Meier eine
fast vollständige Sammlung seiner zahlreichen graphischen
Arbeiten. Arnold war der Sohn von Menzels Jugendfreund,
dem Berliner Tapetenfabrikanten Carl Heinrich Arnold, bei
dem alle Größen der damaligen Berliner Kunstwelt, wie
Schinkel, Rauch usw. verkehrten. Des alten Arnold Über-
siedelung nach Kassel war der Grund eines angeregten
Briefwechsels zwischen ihm und Menzel, der sich stets
auch des jungen, jetzt verstorbenen Sohnes annahm und
ihn nach Kräften förderte.
In Paris ist Odilon Redon, dessen Werke noch kurz
vor dem Krieg in einer größeren Gesamtausstellung in
Berlin gezeigt wurden, gestorben. Über Redon und sein
phantastisches Werk hat sich Johannes Cohen-Gosschalck
in unserer Zeitschrift für bildende Kunst N. F. XXII, Heft 3
eingehend geäußert. Dort sind auch die bedeutendsten
Lithographien und Kohlezeichnungen Redons reproduziert.
PERSONALIEN
Professor Eugen Petersen, der frühere erste Sekretär
des Kaiserlich deutschen archäologischen Instituts in Rom,
beging am 16. August das Fest seines 80. Geburtstages in
voller Frische. Petersen hat neben seiner ausgedehnten
Lehrtätigkeit ein reiches literarisches Schaffen entfaltet.
Seine erste selbständige Veröffentlichung war eine kritische
Ausgabe von Theophrasts Charakteren. Zu seinen ver-
breitetsten Werken gehört der Band vom alten Rom, von
dem bereits vier Auflagen vorliegen, in Seemanns »Berühmten
Kunststätten «.sowie der über Athen in dergleichen Sammlung.
Dr. Georg Habich, Direktor des Münzkabinetts in
München, ist zum Honorarprofessor für Numismatik und
Medaillenkunde in der philosophischen Fakultät der dortigen
Universität ernannt worden.