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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Dresdner Brief
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Schmidt, Karl Eugen: Amerikanische Ausstellungsbriefe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0016

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19

Amerikanische Ausstellungsbriefe

20

aber die Mittel moderner Farbenkunst mit sicherer
Beherrschung und mit Geschmack anzuwenden weiß.
Seine Bildnisse, z. B. das Kniestück der Mutter mit
dem Kinde, die zweier Offiziere, die Dame mit dem
Mädchen sind bezeichnende Proben seiner Kunst, die
ebensowohl auf scharfe Charakteristik in den Zügen
und in der Haltung wie auf dekorative Wirkung aus-
geht. Nicht minder zeigen seine neuesten Landschaften,
wie das Tal bei Seifersdorf im Sonnenschein und
eine erzgebirgische Landschaft in der stilistischen Strenge
und Kraft der breiten Malweise Züge selbständiger
Weiterschreitung auf modernen Bahnen.

Eine weitere Gesamtausstellung war dem in Frank-
reich gefallenen Zeichner Robert Spieß gewidmet.
Eine Folge von großen Tuschzeichnungen zu den
vierundzwanzig Präludien von Chopin zeigte ihn als
einen Künstler von reicher Phantasie. Aus landschaft-
lichen und phantastischen Elementen hat er Gebilde
geschaffen, aus denen uns in der Tat musikalische
Stimmungen entgegen wehen. Auch die malerisch
empfundenen kleinen radierten Landschaften und einige
satirische Zeichnungen zeugten von dem Talent des
Künstlers, dessen weiterer Entwicklung der Tod auf
dem Schlachifelde ein zu frühes Ziel gesetzt hat.
Neben Spieß hatte Friedrich Preuß Federzeichnungen
zu Schwabs deutschen Volksbüchern und zu Gedichten
von Fr. K. Bennsdorf und Alfred Mombert ausgestellt.
Am eingängigsten sind die Märchenbilder, in denen
eine feine poetische und auch bildnerische Anschauung
obwaltet. Auch die Bilder zu den Volkssagen haben
in ihrer ornamentalen Fassung eigene Reize, aber die
Zeichnungen zu den normaler Anschauung schon
schwer zugänglichen Bennsdorfschen und Mombert-
schen Gedichten gehören in das Gebiet der mehr
erdachten als erschauten symbolistischen Ausdrucks-
weise, können uns daher nicht sonderlich fesseln.

Die Bildhauerin Etha Richter gab in ihren Bären
und Katzen erneut treffliche Proben einer Tierplastik,
die ebensowohl auf Erfassen des Seelischen im Tier
wie auf geschlossene Formgebung ausgeht. Endlich
haben gegenwärtig bei Richter wie schon früher ge-
meinsam Georg Gelbke und Richard Birnstengel aus-
gestellt. Birnstengel ist vorzugsweise Landschafter und
zeigt Landschaften aus dem Böhmerwaid, wohl auch
aus dem sächsischen Erzgebirge, die in gründlicher
Durchbildung heitere und ernstere Stimmungen mannig-
facher Art wiedergeben. Auch von Gelbke sind
Landschaften vorhanden. Er belebt sie aber mit sym-
bolisch wirkenden oder stilistisch durchgebildeten
nackten Gestalten. Die Landschaft mit den vier lebens-
großen kugelspielenden Jünglingen ist verhältnismäßig
die reifste unter diesen Versuchen, Landschaft und
Mensch in innere Beziehung zueinander zu setzen.
Weiter sehen wir von Gelbke u. a. einige annehmbare
Bildnisse und einige Zeichnungen Der Tod im Kriege,
die den Tod im Wasser, im Feuer, in der Luft und
im Boden in stilisierender Weise, nicht ohne phan-
tastischen Reiz veranschaulichen. w

* *

AMERIKANISCHE AUSSTELLUNGSBRIEFE

Von Karl Eugen Schmidt
II.

San Francisco1)

Die Ausstellung von San Francisco ist zwar schon
fast sechs Monate offen, aber die Kunstabteilung und
vermutlich noch andere Einzelheiten sind erst jetzt
fertig geworden. Das geht ja bei allen Weltausstel-
lungen so ähnlich, und San Francisco hat noch die
triftige Entschuldigung des Krieges . . . Daß die Aus-
stellung in anderen Teilen unvollständig geblieben ist
und den Namen einer Weltausstellung nicht verdient,
ist nicht auf den Krieg zurückzuführen. Deutschland,
Österreich, England, Rußland und andere europäische
Staaten hatten die Beschickung von San Francisco
abgelehnt, lange ehe man an den Krieg dachte. Aber
das bezog sich nur auf die industriellen Abteilungen,
nicht auf die künstlerischen. Denn während die ameri-
kanischen Schutzzölle im allgemeinen den Absatz von
europäischen Waren in den Vereinigten Staaten bei-
nahe unmöglich machen, steht der amerikanische Markt
der europäischen Kunst heute offener als früher, wo
der Staat einen Zoll erhob, der den dritten Teil der
Kaufsumme betrug. Auch diejenigen Staaten, welche
die offizielle Beteiligung abgelehnt hatten, schickten
sich doch an, ihre Kunst in San Francisco zu zeigen;
da kam der Krieg, und lediglich er ist schuld am
Ausbleiben der Deutschen, Österreicher, Russen, Eng-
länder und sogar der Schweizer. Das Fehlen aller
deutschen Völker ist außerordentlich zu bedauern,
und wenigstens die Schweizer hätten erscheinen und
die Ehre des deutschen Namens retten müssen. Wenn
die Franzosen und Italiener ihre lückenlose Ver-
tretung durchsetzen konnten, dann hätten zum min-
desten die Schweizer, aber auch die Österreicher und
die Reichsdeutschen das gleiche fertigbringen müssen.
Jetzt wird die deutsche Kunst durch einige zwanzig
Bilder vertreten, die vor anderthalb Jahren in Pitts-
burg ausgestellt waren, sich bei Ausbruch des Krieges
auf einem nach Deutschland zurückkehrenden Dampfer
befanden, der schleunigst einen amerikanischen Hafen
aufsuchte, und so endlich nach San Francisco ge-
langten. Es sind recht tüchtige Arbeiten und einige
bekannte Namen darunter: Stuck, Zügel, Richard
Müller, Putz usw., aber verglichen mit den fran-
zösischen, italienischen, holländischen und skandinavi-
schen Sälen ist dieses deutsche Zimmer so kläglich,
daß man sich sagen muß: gar keine Vertretung wäre
weitaus besser gewesen als eine solche!

Aus idealen und materiellen Gründen wäre eine
würdige deutsche Vertretung auf allen Gebieten, ganz
besonders aber in der bildenden Kunst höchst
wünschenswert und vorteilhaft gewesen.

Der materielle Grund gilt der Eroberung des
amerikanischen Kunstmarktes. Die Amerikaner sind
von der Überzeugung durchdrungen, daß es einzig
und allein in Paris bildende Künstler gibt. Sie kaufen
nur in Paris oder von Parisern. Von der Existenz

1) Vgl. Nr. 43 des letzten Jahrgangs.
 
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