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Kunstbestrebungen in
Worms — Nekrologe
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ohne weiteres zuständig erachten. Solche Spuren
sollten schrecken. Und das Programm, das der Ber-
liner Bürgermeister Reicke kürzlich für die Ankäufe
seines Museums entwickelte, kann auch nicht'beruhigen.
Es liegt uns fern, hier aus dem Stegreif die Auf-
gaben eines Berliner Ausstellungshauses auch nur an-
deuten zu wollen. Wenn aber der große Krieg so
glücklich beendet wird, wie wir zu hoffen ein Recht
haben, dann werden auch für die Hauptstadt des
neuen Reiches alte Pflichten um so dringlicher mahnen.
Und nicht die letzte unter ihnen wird eine würdige
Kunstpflege sein. Es ist jetzt gewiß nicht die Zeit
für neue Gründungen, um so mehr aber Anlaß, an
die Zukunft zu denken und zu sorgen, daß die Auf-
gaben, die sie bringen wird, mit gutem Vorbedacht
in Angriff genommen werden. Darum sollte auch
diese Gelegenheit, bei der wieder an einer Stelle auf
die Mißstände des Berliner Ausstellungswesens ein
Streiflicht fiel, nicht ungenutzt vorübergelassen werden,
um es nochmals zu sagen: es ist an der Zeit, ganze
Arbeit zu tun. g.
KUNSTBESTREBUNGEN IN WORMS
Seit einer Gemäldeausstellung, die 1902 stattfand
und auf der eine ganze Reihe hervorragender Schöp-
fungen vertreten war, wurde die bildende Kunst in
Worms viele Jahre lang als Stiefkind behandelt. Zwar
gibt es hier verschiedene Privatsammlungen, unter
denen diejenige des Freiherrn Heyl zu Herrnsheim,
die u. a. einige Meisterwerke niederländischer und
deutscher Schule enthält, an erster Stelle zu nennen
wäre. Aber diese Schätze sind der allgemeinen Be-
sichtigung nicht zugänglich. Dazu kommt, daß mancher
wertvolle private Kunstbestand durch Wegzug seiner
Besitzer inzwischen für die Stadt verloren ging, so
z. B. die bedeutenden Bildersammlungen des Freiherrn
Maximilian v. Heyl, des Herrn Pfungst und der Frau
Schön. Neuerdings zugezogene Kunstmäzene kleineren
Stiles boten dafür keinen vollwertigen Ersatz. Auch
das vom Wormser Altertumsverein gegründete Paulus-
museum konnte die entstandene Lücke um so weniger
ausfüllen, als seine beschränkten Mittel dazu nicht ent-
fernt ausgereicht hätten. Außerdem lag die Erwerbung
von Gemälden gar nicht in seinem Programm, denn
sie paßten weder in den Rahmen seiner reichhaltigen,
kulturhistorischen Funde, noch in die für ihre Unter-
bringung hergerichteten Räume in einer alten Kirche
mit anschließendem Kreuzgang. Gelegentliche Kollek-
tionen moderner Bilder, die der Darmstädter Kunst-
verein nach Worms schickte, erfreuten sich nur geringer
Beachtung, da sie in einem vom Hauptverkehrsstrom
abgelegenen Hause gezeigt wurden.
Da bot sich endlich durch den Neubau der Städ-
tischen Sparkasse eine günstige und von der Stadt-
verwaltung sofort ergriffene Gelegenheit, der bisher
vernachlässigten Kunstpflege eine Heimstätte zu schaffen.
Im Mittelgeschoß des geschmackvollen Gebäudes war
ein, nach Nordosten gelegenes, halbes Stockwerk frei,
das diesem Zwecke dienstbar gemacht wurde. Bei der
Einweihung der Sparkasse im Juli 1913 konnte die
Städtische Gemäldegalerie eröffnet werden. Den Grund-
stock dazu lieferten Leihgaben, die das~Großherzog-
liche Landesmuseum in Darmstadt aus seinem Depot
bereitwilligst zur Verfügung stellte, sowie zwei von
der Stadt angekaufte Bilder von Eugen Bracht. Durch
spätere Erwerbungen und Stiftungen vermehrte sich
allmählich der ursprünglich recht bescheidene eigene
Bestand der Galerie. Ihre wertvollste Bereicherung
erfuhr sie durch Ankauf von drei Gemälden des leider
so früh verstorbenen hessischen Künstlers Heinz Heim.
Wichtiger aber war, daß nunmehr geeignete Räume
für wechselnde Ausstellungen vorhanden waren. Da-
durch ergab sich die Möglichkeit, endlich einmal breitere
Schichten der Bevölkerung für künstlerische Bestre-
bungen zu interessieren. Es ist eigentlich überflüssig
zu sagen, daß die Galerieleitung eifrig von diesem
Mittel zur Bildung des Geschmackes Gebrauch machte.
Selbst der Krieg konnte nur eine vorübergehende
Unterbrechung dieser dankbaren Tätigkeit herbeiführen.
Unter den Ausstellungen, die in der Galerie seit ihrem
doch verhältnismäßig sehr kurzen Bestehen veranstaltet
wurden, seien als besonders bemerkenswerte nur her-
vorgehoben : eine Bilderschau der »Kunstfreunde in den
Ländern am Rhein« und der »Badischen Künstler«,
ferner »Alte Gemälde aus Wormser Privatbesitz«, end-
lich die Sonderausstellungen von KarlThiemann-Dachau,
Edmund Steppes und Wilhelm Lefebre. Die letzter-
wähnte Veranstaltung arrangierte der kurz vor Kriegs-
ausbruch ins Leben gerufene »Wormser Bund zur
Pflege der bildenden Kunst«. Der rührige Verein, der
schon über eine stattliche Mitgliederzahl verfügt, hat
es sich zur Aufgabe gemacht, durch derartige Dar-
bietungen, durch Vorträge und Führungen das Ver-
ständnis für künstlerische Dinge zu forden und der
Gemäldegalerie den Boden für eine gedeihliche Ent-
wicklung zu bereiten. Zugleich wird damit den leben-
den Künstlern ein neues Absatzgebiet für ihre Arbeiten
erschlossen, das sich mit der Zeit noch weiter aus-
gestalten läßt
So ist in der im Mittelalter blühenden freien Reichs-
stadt, die die Franzosen, gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts in schändlichem Raubkrieg, mit fast allen
ihren Kunstdenkmälern in Schutt und Asche legten,
der Kunstsinn von neuem erwacht und berechtigt zu
schönen Hoffnungen. e. g.
NEKROLOGE
Am 2. November verschied in Düsseldorf der Historien-
maler Prof. Ernst Roeber, der ältere Bruder des Düssel-
dorfer Akademiedirektors (geb. am 23. Juni 1849 in Elber-
feld). Auf beide Künstler hat E.v. Bendemann bestimmenden
Einfluß ausgeübt. In der Wandmalerei unterscheidet sich
der Stil der Brüder Roeber, die überdies gelegentlich
zusammen arbeiteten, nicht allzu stark. Dagegen hat
Ernst auf dem Gebiete des Schlachtenbildes Leistungen von
einem ihm eigenen kraftvollen Realismus aufzuweisen. Die
große Ulanenattacke vor Metz, die ein DüsseldorferOffiziers-
kasino schmückt, ist ein Zeugnis dafür, daß der Künstler
den Krieg 1870/71 nicht nur als Maler miterlebt hat. In der
Tat war Roeber ein flotter Reiteroffizier und hat bis zu
seinem Tode seinem alten Regimente treueste Anhänglich-
keit bewiesen. Von seinen Wandgemälden und Fresken
seien erwähnt die in Danzig, im Landeshause und im Rat-
hause, im Berliner Zeughause, im Kölner Gürzenich, im
Kunstbestrebungen in
Worms — Nekrologe
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ohne weiteres zuständig erachten. Solche Spuren
sollten schrecken. Und das Programm, das der Ber-
liner Bürgermeister Reicke kürzlich für die Ankäufe
seines Museums entwickelte, kann auch nicht'beruhigen.
Es liegt uns fern, hier aus dem Stegreif die Auf-
gaben eines Berliner Ausstellungshauses auch nur an-
deuten zu wollen. Wenn aber der große Krieg so
glücklich beendet wird, wie wir zu hoffen ein Recht
haben, dann werden auch für die Hauptstadt des
neuen Reiches alte Pflichten um so dringlicher mahnen.
Und nicht die letzte unter ihnen wird eine würdige
Kunstpflege sein. Es ist jetzt gewiß nicht die Zeit
für neue Gründungen, um so mehr aber Anlaß, an
die Zukunft zu denken und zu sorgen, daß die Auf-
gaben, die sie bringen wird, mit gutem Vorbedacht
in Angriff genommen werden. Darum sollte auch
diese Gelegenheit, bei der wieder an einer Stelle auf
die Mißstände des Berliner Ausstellungswesens ein
Streiflicht fiel, nicht ungenutzt vorübergelassen werden,
um es nochmals zu sagen: es ist an der Zeit, ganze
Arbeit zu tun. g.
KUNSTBESTREBUNGEN IN WORMS
Seit einer Gemäldeausstellung, die 1902 stattfand
und auf der eine ganze Reihe hervorragender Schöp-
fungen vertreten war, wurde die bildende Kunst in
Worms viele Jahre lang als Stiefkind behandelt. Zwar
gibt es hier verschiedene Privatsammlungen, unter
denen diejenige des Freiherrn Heyl zu Herrnsheim,
die u. a. einige Meisterwerke niederländischer und
deutscher Schule enthält, an erster Stelle zu nennen
wäre. Aber diese Schätze sind der allgemeinen Be-
sichtigung nicht zugänglich. Dazu kommt, daß mancher
wertvolle private Kunstbestand durch Wegzug seiner
Besitzer inzwischen für die Stadt verloren ging, so
z. B. die bedeutenden Bildersammlungen des Freiherrn
Maximilian v. Heyl, des Herrn Pfungst und der Frau
Schön. Neuerdings zugezogene Kunstmäzene kleineren
Stiles boten dafür keinen vollwertigen Ersatz. Auch
das vom Wormser Altertumsverein gegründete Paulus-
museum konnte die entstandene Lücke um so weniger
ausfüllen, als seine beschränkten Mittel dazu nicht ent-
fernt ausgereicht hätten. Außerdem lag die Erwerbung
von Gemälden gar nicht in seinem Programm, denn
sie paßten weder in den Rahmen seiner reichhaltigen,
kulturhistorischen Funde, noch in die für ihre Unter-
bringung hergerichteten Räume in einer alten Kirche
mit anschließendem Kreuzgang. Gelegentliche Kollek-
tionen moderner Bilder, die der Darmstädter Kunst-
verein nach Worms schickte, erfreuten sich nur geringer
Beachtung, da sie in einem vom Hauptverkehrsstrom
abgelegenen Hause gezeigt wurden.
Da bot sich endlich durch den Neubau der Städ-
tischen Sparkasse eine günstige und von der Stadt-
verwaltung sofort ergriffene Gelegenheit, der bisher
vernachlässigten Kunstpflege eine Heimstätte zu schaffen.
Im Mittelgeschoß des geschmackvollen Gebäudes war
ein, nach Nordosten gelegenes, halbes Stockwerk frei,
das diesem Zwecke dienstbar gemacht wurde. Bei der
Einweihung der Sparkasse im Juli 1913 konnte die
Städtische Gemäldegalerie eröffnet werden. Den Grund-
stock dazu lieferten Leihgaben, die das~Großherzog-
liche Landesmuseum in Darmstadt aus seinem Depot
bereitwilligst zur Verfügung stellte, sowie zwei von
der Stadt angekaufte Bilder von Eugen Bracht. Durch
spätere Erwerbungen und Stiftungen vermehrte sich
allmählich der ursprünglich recht bescheidene eigene
Bestand der Galerie. Ihre wertvollste Bereicherung
erfuhr sie durch Ankauf von drei Gemälden des leider
so früh verstorbenen hessischen Künstlers Heinz Heim.
Wichtiger aber war, daß nunmehr geeignete Räume
für wechselnde Ausstellungen vorhanden waren. Da-
durch ergab sich die Möglichkeit, endlich einmal breitere
Schichten der Bevölkerung für künstlerische Bestre-
bungen zu interessieren. Es ist eigentlich überflüssig
zu sagen, daß die Galerieleitung eifrig von diesem
Mittel zur Bildung des Geschmackes Gebrauch machte.
Selbst der Krieg konnte nur eine vorübergehende
Unterbrechung dieser dankbaren Tätigkeit herbeiführen.
Unter den Ausstellungen, die in der Galerie seit ihrem
doch verhältnismäßig sehr kurzen Bestehen veranstaltet
wurden, seien als besonders bemerkenswerte nur her-
vorgehoben : eine Bilderschau der »Kunstfreunde in den
Ländern am Rhein« und der »Badischen Künstler«,
ferner »Alte Gemälde aus Wormser Privatbesitz«, end-
lich die Sonderausstellungen von KarlThiemann-Dachau,
Edmund Steppes und Wilhelm Lefebre. Die letzter-
wähnte Veranstaltung arrangierte der kurz vor Kriegs-
ausbruch ins Leben gerufene »Wormser Bund zur
Pflege der bildenden Kunst«. Der rührige Verein, der
schon über eine stattliche Mitgliederzahl verfügt, hat
es sich zur Aufgabe gemacht, durch derartige Dar-
bietungen, durch Vorträge und Führungen das Ver-
ständnis für künstlerische Dinge zu forden und der
Gemäldegalerie den Boden für eine gedeihliche Ent-
wicklung zu bereiten. Zugleich wird damit den leben-
den Künstlern ein neues Absatzgebiet für ihre Arbeiten
erschlossen, das sich mit der Zeit noch weiter aus-
gestalten läßt
So ist in der im Mittelalter blühenden freien Reichs-
stadt, die die Franzosen, gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts in schändlichem Raubkrieg, mit fast allen
ihren Kunstdenkmälern in Schutt und Asche legten,
der Kunstsinn von neuem erwacht und berechtigt zu
schönen Hoffnungen. e. g.
NEKROLOGE
Am 2. November verschied in Düsseldorf der Historien-
maler Prof. Ernst Roeber, der ältere Bruder des Düssel-
dorfer Akademiedirektors (geb. am 23. Juni 1849 in Elber-
feld). Auf beide Künstler hat E.v. Bendemann bestimmenden
Einfluß ausgeübt. In der Wandmalerei unterscheidet sich
der Stil der Brüder Roeber, die überdies gelegentlich
zusammen arbeiteten, nicht allzu stark. Dagegen hat
Ernst auf dem Gebiete des Schlachtenbildes Leistungen von
einem ihm eigenen kraftvollen Realismus aufzuweisen. Die
große Ulanenattacke vor Metz, die ein DüsseldorferOffiziers-
kasino schmückt, ist ein Zeugnis dafür, daß der Künstler
den Krieg 1870/71 nicht nur als Maler miterlebt hat. In der
Tat war Roeber ein flotter Reiteroffizier und hat bis zu
seinem Tode seinem alten Regimente treueste Anhänglich-
keit bewiesen. Von seinen Wandgemälden und Fresken
seien erwähnt die in Danzig, im Landeshause und im Rat-
hause, im Berliner Zeughause, im Kölner Gürzenich, im