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bürg kennt und liebt — und wer würde es kennen, ohne es
zu lieben —, ist an der unversehrten Erhaltung seiner unver-
gleichlichen Schönheit interessiert; wer sollte es mehr sein
als ich, der ich diesem Kleinod unter den deutschen Städten
so viele Arbeitsjahre widmen durfte und in seinem Bilde den
geringsten Zug nicht missen möchte. hans tietze
SAMMLUNGEN
Im Luxembourg-Museum in Paris sind am 29. Mai
unter Beisein des Ministers Painleve und unter Mitwirkung
der Schauspielerin Segond-Weber, die Bildnisse d'Annunzios
von der Amerikanerin Romaine Brooks und Verhaerens von
Theo van Rysselberghe feierlich »enthüllt« worden. Verhaeren
war bei der Feier anwesend und dankte in einer Ansprache.
VEREINE
In der Aprilsitzung der Berliner kunstgeschichtlichen
Gesellschaft sprach Harry David über die kunsthistorischen
Ergebnisse der Durchmusterung der Sammelstellen der
Kriegsmetall-Oesellschaft. Bei der freiwilligen Abgabe von
Metallgeräten für die Einschmelzung zu Kriegszwecken
wurde befürchtet, daß auf diese Weise beträchtliche Mengen
von Kunst- und Kulturwerken verloren gehen würden. Nach
dem Vorgang von Österreich hat die deutsche Militärbehörde
eine Prüfung der gesamten eingelieferten Metallgeräte ge-
stattet. Da es sich meist um häusliches Kleingerät, und
dazu noch in beschädigtem Zustande, handelte, erreichte
es nur höchst selten das Niveau, welches für Museen ein-
gehalten werden muß; dagegen bot es kunsthistorisch das
höchste Interesse. — Die Beschlagnahme betrifft in der
Hauptsache die drei Metalle: Nickel, Kupfer und Messing.
Nickel ist ein modernes Metall, und Kupfer kommt fast
nur für geschlagene und getriebene Ware in Betracht; am
wichtigsten ist Messing. Es besteht aus einer Legierung
von Kupfer und Zink. Die Herstellung von reinem Zink
gelang in Europa aber erst seit dem Anfang des 19. Jahr-
hunderts; vorher wurde es durch Zusammenschmelzen von
Kupfer und Oalmei gewonnen, in welchem das Zink ent-
halten ist. Durch dieses Galmei sind dann vermutlich
auch andere Bestandteile desselben in die Messinglegierung
geraten, wie etwas Eisen, Blei, Schwefel usw. Hieran
anknüpfend geht der Vortragende ausführlich auf die Zu-
sammensetzung des Messings ein und weist nach, daß der
Prozentsatz an Kupfer und Zink und die ganze Legierung ört-
lich und zeitlich verschieden gewesen sein müsse. Einen ur-
kundlichen Beweis hierfür erblickt er in den uns vielfach
erhaltenen Zunftsatzungen der Rot- und Gelbgießer, deren
Gußrezepte meist obrigkeitlich vorgeschrieben waren, so
in einer Zunftrolle der Apengeter von Lübeck aus dem
15. Jahrhundert und in einem Bruderschaftsbrief der Düppen-
gießer von Köln vom Jahre 1330. — Für antike Metall-
geräte haben chemische Untersuchungen bereits wichtige
örtliche und zeitliche Verschiedenheiten ergeben; aus dem
Mittelalter sind dagegen bisher nur einige berühmte Kunst-
werke analysiert worden. Wenn nun auch das früher schon
übliche Wiedereinschmelzen älterer Gegenstände zum
Zwecke der Herstellung neuer einer historischen Beurtei-
lung der Legierung einige Schwierigkeiten bereitet, so
empfahl der Vortragende doch, die seltene Gelegenheit
der Kriegsmetallsammhing zur Anlage von chemischen
Legierungstabellen zu benutzen. Dadurch, daß jetzt tausende
datierter und örtlich fixierter Messinggeräte in Deutschland
und Osterreich zur Verfügung ständen, müßten sich zum
mindesten Durchschnittswerte für bestimmte Zeiten und
Gegenden ergeben, die der weiteren kunsthistorischen
Forschung auf diesem Gebiete als feste Anhaltspunkte
dienen könnten.
Der Vortragende führte dann eine Reihe der interessan-
testen aufgefundenen Stücke im Lichtbilde vor. Besonders
die große Masse der Kerzenleuchter bot ein lebendiges
Bild der Stilentwicklung seit dem 15. Jahrhundert. Zu den
merkwürdigsten Leuchterformen gehören einige mit einem
glockenähnlichen Fuß aus dem Ende des 16. und aus dem
17. Jahrhundert. Dieser Glockenfuß scheint in Anlehnung
an das primitivste Leuchtgerät, den Leuchterstein mit ein-
gesteckter Eisenstange zur Befestigung des Holzspanes
entstanden zu sein (vgl. den Leuchterstein in der Leuchter-
sammlung von Benesch). Dieser naturgemäßen Ableitung
gegenüber entbehrt Fraubergers Annahme eines orienta-
lischen Einflusses bei dieser Leuchterform der Begrün-
dung. Schließlich sind als kunsthistorische Anhaltspunkte
bei den Leuchtern noch die Spuren der »Drechselbank«
zu beachten. Bezeichnend ist hier eine Nürnberger Ver-
ordnung von 1590, welche die Geheimhaltung dieser Er-
findung gebot. Ähnliches gilt vom Gebrauch der soge-
nannten »Tiefenhämmer« zur massenweisen Herstellung von
Kesseln und Schüsseln. Eine Zunftrolle von 1548 verbietet
derartigen Fabrikbetrieb als »untuglich und unbequeme«.
Nächst den Leuchtern ergaben die Mörser große Ausbeute.
Sie sind häufig datiert: zunächst sehr hübsche, noch ganz
gotische Bronzeexemplare von schlanker Form mit Längs-
rippen und einem Henkel. Die Nachahmung eines Aus-
gußrohres als Henkel bei einem Stück kommt vor an einem
ganz ähnlichen des Germanischen Museums. Aus dem
Beginn des 16. Jahrhunderts fand sich ein hübscher fran-
zösischer .Mörser aus dunkler Bronze, noch ganz gotisch
empfunden, am Rande die französische Lilie. Zwischen
zackigen, kurzen Längsstreifen, die an die Oläsernuppen
des 15. Jahrhunderts erinnern, schwer erkennbare Büsten
in grobem Relief. Ein vlämischer Mörser von 1582 trägt
am Rande den reliefierten Trostspruch: »Vreest nit waet
ghy leyden moet«. — Als Oießernamen kommen auf Mör-
sern vor: »Jan Kouters genant Daers«, »Ludolphus Harms«
(dat. 1735), »Christopherus Fredericus Niclus« (dat. 1664)
usw. — Der Puttentanz auf einem sehr schwachen Exem-
plar des 17. Jahrhunderts erinnert an das nämliche Motiv
auf einem italienischen Prachtmörser des 15. Jahrhunderls
im Louvre. — An Kronleuchtern fand sich nur recht mäßige
Provinzkunst oder moderne Nachahmung vlämischer Formen.
Amüsant wirkte schließlich noch die Zusammenstellung
von ca. 20 Plätteisenuntersätzen, woran man deutlich ver-
folgen konnte, wie sich aus dem ursprünglichen Dekorations-
motiv: Kreuz, Herz und Anker infolge Verschlingung und
Verschiebungen der Formen eine Leier und dann weiter
die Form eines Gesichts entwickelte. Einen ähnlichen Ent-
wicklungsprozeß zeigte der Griff des Plätteisens, wo aus
dem ursprünglichen Delphin durch Verkennung der Formen
allmählich ein Hahn mit einem winzigen Hühnchen wurde.
Eine Warnung für voreilige Schlüsse der Symboliker! Es zeigt
sich hier wieder, daß nurder geistige Gehalt eines Kunstwerkes
— das ist die Form selbst — nicht aber der literarische Ge-
halt den Keim für die formale Entwicklung in sich trägt.
FORSCHUNGEN
In dem jüngst erschienenen Buche über Konrad Witz
von Mela Escherich werden die von H. Voss (Zeitschr. f.
bild. Kunst, N. F. XIX, 282) dem Künstlerkreis des Kon-
rad Witz zugewiesenen zwei Tafeln der Galleria Estense
in Modena behandelt und die Zugehörigkeit einer dritten
Tafel desselben Altars mit der Geburt Mariä (Lüttich, Uni-
versität) bezweifelt, die von mir in der Zeitschr. f. bild.
Kunst, N. F. XXIV, 217 veröffentlicht wurde. Da dies die
erste mir bekannte Äußerung von dritter Seite über die
Bilder ist — H. Voss erkannte, wie ich nachtragen möchte,
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bürg kennt und liebt — und wer würde es kennen, ohne es
zu lieben —, ist an der unversehrten Erhaltung seiner unver-
gleichlichen Schönheit interessiert; wer sollte es mehr sein
als ich, der ich diesem Kleinod unter den deutschen Städten
so viele Arbeitsjahre widmen durfte und in seinem Bilde den
geringsten Zug nicht missen möchte. hans tietze
SAMMLUNGEN
Im Luxembourg-Museum in Paris sind am 29. Mai
unter Beisein des Ministers Painleve und unter Mitwirkung
der Schauspielerin Segond-Weber, die Bildnisse d'Annunzios
von der Amerikanerin Romaine Brooks und Verhaerens von
Theo van Rysselberghe feierlich »enthüllt« worden. Verhaeren
war bei der Feier anwesend und dankte in einer Ansprache.
VEREINE
In der Aprilsitzung der Berliner kunstgeschichtlichen
Gesellschaft sprach Harry David über die kunsthistorischen
Ergebnisse der Durchmusterung der Sammelstellen der
Kriegsmetall-Oesellschaft. Bei der freiwilligen Abgabe von
Metallgeräten für die Einschmelzung zu Kriegszwecken
wurde befürchtet, daß auf diese Weise beträchtliche Mengen
von Kunst- und Kulturwerken verloren gehen würden. Nach
dem Vorgang von Österreich hat die deutsche Militärbehörde
eine Prüfung der gesamten eingelieferten Metallgeräte ge-
stattet. Da es sich meist um häusliches Kleingerät, und
dazu noch in beschädigtem Zustande, handelte, erreichte
es nur höchst selten das Niveau, welches für Museen ein-
gehalten werden muß; dagegen bot es kunsthistorisch das
höchste Interesse. — Die Beschlagnahme betrifft in der
Hauptsache die drei Metalle: Nickel, Kupfer und Messing.
Nickel ist ein modernes Metall, und Kupfer kommt fast
nur für geschlagene und getriebene Ware in Betracht; am
wichtigsten ist Messing. Es besteht aus einer Legierung
von Kupfer und Zink. Die Herstellung von reinem Zink
gelang in Europa aber erst seit dem Anfang des 19. Jahr-
hunderts; vorher wurde es durch Zusammenschmelzen von
Kupfer und Oalmei gewonnen, in welchem das Zink ent-
halten ist. Durch dieses Galmei sind dann vermutlich
auch andere Bestandteile desselben in die Messinglegierung
geraten, wie etwas Eisen, Blei, Schwefel usw. Hieran
anknüpfend geht der Vortragende ausführlich auf die Zu-
sammensetzung des Messings ein und weist nach, daß der
Prozentsatz an Kupfer und Zink und die ganze Legierung ört-
lich und zeitlich verschieden gewesen sein müsse. Einen ur-
kundlichen Beweis hierfür erblickt er in den uns vielfach
erhaltenen Zunftsatzungen der Rot- und Gelbgießer, deren
Gußrezepte meist obrigkeitlich vorgeschrieben waren, so
in einer Zunftrolle der Apengeter von Lübeck aus dem
15. Jahrhundert und in einem Bruderschaftsbrief der Düppen-
gießer von Köln vom Jahre 1330. — Für antike Metall-
geräte haben chemische Untersuchungen bereits wichtige
örtliche und zeitliche Verschiedenheiten ergeben; aus dem
Mittelalter sind dagegen bisher nur einige berühmte Kunst-
werke analysiert worden. Wenn nun auch das früher schon
übliche Wiedereinschmelzen älterer Gegenstände zum
Zwecke der Herstellung neuer einer historischen Beurtei-
lung der Legierung einige Schwierigkeiten bereitet, so
empfahl der Vortragende doch, die seltene Gelegenheit
der Kriegsmetallsammhing zur Anlage von chemischen
Legierungstabellen zu benutzen. Dadurch, daß jetzt tausende
datierter und örtlich fixierter Messinggeräte in Deutschland
und Osterreich zur Verfügung ständen, müßten sich zum
mindesten Durchschnittswerte für bestimmte Zeiten und
Gegenden ergeben, die der weiteren kunsthistorischen
Forschung auf diesem Gebiete als feste Anhaltspunkte
dienen könnten.
Der Vortragende führte dann eine Reihe der interessan-
testen aufgefundenen Stücke im Lichtbilde vor. Besonders
die große Masse der Kerzenleuchter bot ein lebendiges
Bild der Stilentwicklung seit dem 15. Jahrhundert. Zu den
merkwürdigsten Leuchterformen gehören einige mit einem
glockenähnlichen Fuß aus dem Ende des 16. und aus dem
17. Jahrhundert. Dieser Glockenfuß scheint in Anlehnung
an das primitivste Leuchtgerät, den Leuchterstein mit ein-
gesteckter Eisenstange zur Befestigung des Holzspanes
entstanden zu sein (vgl. den Leuchterstein in der Leuchter-
sammlung von Benesch). Dieser naturgemäßen Ableitung
gegenüber entbehrt Fraubergers Annahme eines orienta-
lischen Einflusses bei dieser Leuchterform der Begrün-
dung. Schließlich sind als kunsthistorische Anhaltspunkte
bei den Leuchtern noch die Spuren der »Drechselbank«
zu beachten. Bezeichnend ist hier eine Nürnberger Ver-
ordnung von 1590, welche die Geheimhaltung dieser Er-
findung gebot. Ähnliches gilt vom Gebrauch der soge-
nannten »Tiefenhämmer« zur massenweisen Herstellung von
Kesseln und Schüsseln. Eine Zunftrolle von 1548 verbietet
derartigen Fabrikbetrieb als »untuglich und unbequeme«.
Nächst den Leuchtern ergaben die Mörser große Ausbeute.
Sie sind häufig datiert: zunächst sehr hübsche, noch ganz
gotische Bronzeexemplare von schlanker Form mit Längs-
rippen und einem Henkel. Die Nachahmung eines Aus-
gußrohres als Henkel bei einem Stück kommt vor an einem
ganz ähnlichen des Germanischen Museums. Aus dem
Beginn des 16. Jahrhunderts fand sich ein hübscher fran-
zösischer .Mörser aus dunkler Bronze, noch ganz gotisch
empfunden, am Rande die französische Lilie. Zwischen
zackigen, kurzen Längsstreifen, die an die Oläsernuppen
des 15. Jahrhunderts erinnern, schwer erkennbare Büsten
in grobem Relief. Ein vlämischer Mörser von 1582 trägt
am Rande den reliefierten Trostspruch: »Vreest nit waet
ghy leyden moet«. — Als Oießernamen kommen auf Mör-
sern vor: »Jan Kouters genant Daers«, »Ludolphus Harms«
(dat. 1735), »Christopherus Fredericus Niclus« (dat. 1664)
usw. — Der Puttentanz auf einem sehr schwachen Exem-
plar des 17. Jahrhunderts erinnert an das nämliche Motiv
auf einem italienischen Prachtmörser des 15. Jahrhunderls
im Louvre. — An Kronleuchtern fand sich nur recht mäßige
Provinzkunst oder moderne Nachahmung vlämischer Formen.
Amüsant wirkte schließlich noch die Zusammenstellung
von ca. 20 Plätteisenuntersätzen, woran man deutlich ver-
folgen konnte, wie sich aus dem ursprünglichen Dekorations-
motiv: Kreuz, Herz und Anker infolge Verschlingung und
Verschiebungen der Formen eine Leier und dann weiter
die Form eines Gesichts entwickelte. Einen ähnlichen Ent-
wicklungsprozeß zeigte der Griff des Plätteisens, wo aus
dem ursprünglichen Delphin durch Verkennung der Formen
allmählich ein Hahn mit einem winzigen Hühnchen wurde.
Eine Warnung für voreilige Schlüsse der Symboliker! Es zeigt
sich hier wieder, daß nurder geistige Gehalt eines Kunstwerkes
— das ist die Form selbst — nicht aber der literarische Ge-
halt den Keim für die formale Entwicklung in sich trägt.
FORSCHUNGEN
In dem jüngst erschienenen Buche über Konrad Witz
von Mela Escherich werden die von H. Voss (Zeitschr. f.
bild. Kunst, N. F. XIX, 282) dem Künstlerkreis des Kon-
rad Witz zugewiesenen zwei Tafeln der Galleria Estense
in Modena behandelt und die Zugehörigkeit einer dritten
Tafel desselben Altars mit der Geburt Mariä (Lüttich, Uni-
versität) bezweifelt, die von mir in der Zeitschr. f. bild.
Kunst, N. F. XXIV, 217 veröffentlicht wurde. Da dies die
erste mir bekannte Äußerung von dritter Seite über die
Bilder ist — H. Voss erkannte, wie ich nachtragen möchte,