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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Tietze, Hans: Das Salzburger Museum und die Feste Hohensalzburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0192

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Das Salzburger Museum und die Feste Hohensalzburg

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waltet — wächst und wächst und den eng gewordenen
Rahmen zu sprengen droht. Alle Adaptierungen und
Anflickungen reichen nicht aus, dem Museum ist sein
Heim zu klein geworden.

Brächte man es nach Hohensalzburg hinauf, so stünden
ihm nicht nur die weitläufigen Räumlichkeiten des Festungs-
komplexes zu beliebiger Ausdehnung zur Verfügung, son-
dern es würde auch mit einem Schlag dem beklagten
Übelstand ein Ende gemacht, daß in den Gelassen der
alten erzbischöflichen Burg Uniformstücke und Ledersorten
aufgestapelt liegen und des Sommers unter den gotischen
Gewölben Reservisten ihre Strohsäcke stopfen und übel-
riechenden Tabak rauchen. Außerdem aber würde die
große Beliebtheit von Hohensalzburg in den Dienst des
Museums gestellt, das jetzt in seinem Haus am Franz-
Josefs-Kai doch etwas vom Touristenhauptstrom abseits
liegt; wer Salzburg besucht, wandert zur Festung hinauf,
sich von den leichten Schauern der Vergangenheit an-
wehen zu lassen und des herrlichen Fernblicks zu ge-
nießen, jeder würde dann auch ins Museum kommen,
dessen Schätze eine solche Massenbesichtigung ja ver-
dienen würden. Festung und Museum blicken gemeinsam
einer neuen Jugend entgegen.

Wenn sie nur, von blendenden Zukunftsgütern träu-
mend, nicht gesicherten Gegenwartsbesitz preisgeben! Das
Museum läßt sich nicht in die Festungsräume übertragen,
ohne daß diese weitgehend adaptiert würden. Manche
von ihnen sind ja gleichgültige Magazine, die zum Teil
schon durch moderne Einrichtungen Veränderungen er-
fahren haben; sie würden neue Fenster, vielleicht auch
Oberlichte brauchen, um zu Musealsälen geeignet zu
werden, und ohne starke Eingriffe in das Außenbild der
Festung wäre dies undurchführbar. Solche Räume gibt es
aber überdies viel zu wenig und sie sind viel zu zerstreut,
um die Sammlungen aufnehmen zu können; die meisten
anderen sind charakteristische Innenarchitekturen, zum Teil
— wie die Säle in den unteren Stockwerken des Schlosses —
mit reichen Gewölben oder interessanten Deckenkonstruk-
tionen, zum Teil einfacher, aber dennoch den Eindruck
älterer Nutzbaukunst echt und unverderbt vermittelnd. Sie
für ein Museum adaptieren, heißt, sie zerstören; und ist
es nicht ein Widerspruch, eine echte alte Architektur ge-
rade eines Museums willen zu vernichten!

Aber vielleicht könnte man, an die bisherigen Tra-
ditionen des Carolino-Augusteums anknüpfend, die museale
Anordnung weniger streng nehmen und unter Verzicht auf
Licht und Übersichtlichkeit da oben ähnlich stimmungsvolle
historische Interieurs schaffen, wie sie sich unten so treff-
lich bewährt haben. Das wäre nur eine andere Form der
Zerstörung von Hohensalzburg; denn was am corpus vile
der Magazinsräume am Franz-Josefs-Kai allenfalls statthaft
war, wäre oben innerhalb der alten echten Festungsarchi-
tektur eine doppelte Schädigung. Nicht nur die Gegen-
stände würden ihres Eigenwertes beraubt, auch die Räume
verlören ihren Charakter. Die Herrichtung der Fürsten-
zimmer ist da ein warnendes Exempel; auch wer das
dekorativ historisierende Ausstellungsprinzip für ein solches,
vielen Zwecken bestimmtes Provinzmuseum anerkennt,
kann die romantische Verfälschung in den Fürstenzimmern
niemals gut heißen. Die ganze Festung mit Hilfe der ge-
sammelten Kunstgegenstände so einrichten, heißt nicht
ein Museum schaffen, sondern eine unwürdige Maskerade
aufführen. Echte Architektur — wie sie die Festung, wenn-
gleich etwas verwahrlost, zeigt — und echte Einzelstücke —
deren das Museum so gute besitzt — würden zusammen-
gefügt doch nur eine riesige Lüge, eine peinliche Theater-
dekoration ergeben.

Auch wenn man dieser Gefahr Herr würde und mit

glücklichem Takt eine Lösung fände, die das Gebäude
schont und mögliche Räume für die Sammlungen ergibt,
gäbe es ein weiteres Bedenken, das beide Institute betrifft.
Das ist die ungeheure Feuersgefahr. Die ausgedehnten
Gebäudekomplexe, aus denen Hohensalzburg besteht, haben
fast alle die charakteristischen schindelgedeckten Salzburger
Grabendächer; wer einmal diesen Wald von altem ausge-
trockneten Holz da oben gesehen hat — ich erinnere mich
mit Schrecken aus dem dürren Sommer 1911 an dieses
Gebirge von Zunder —, weiß, daß alle Vorbereitungen
zum Löschen hier unzulänglich sein müssen. Wie mir
einer der Kommandanten einmal sagte: »Wenns hier ein-
mal brennt, dann kann man nur niederknien und beten,
denn alles andere ist doch unnütz.« Das Militär hat das
Risiko für seine Depots übernommen; darf ein Museum
mit so wertvollem Besitz an einer Stätte untergebracht
werden, aus der im Fall eines Unglücks nichts gerettet
werden kann? Oder wird das Museum seine Tätigkeit
damit beginnen, daß es die bedenklichen Schindeldächer
entfernt und die Gebäude mit Eternit oder Schiefer ein-
deckt? Das hieße, einen der für den Gesamteindruck von
Hohensalzburg allerwesentlichsten Züge zerstören.

Doch selbst wenn auch dieser Einwand behoben
werden könnte, bliebe für Museum und Festung die Ge-
fahr, zerstört zu werden. Dieses ist — wie dies selten
bei einem ähnlichen Institut der Fall ist — der Bürger-
schaft ans Herz gewachsen; das rührt weniger von den
Objekten, die hier zuhauf liegen, als daher, daß es ein
organisch gewachsenes Ding ist. Es ist nicht ohne Gefahr
aus dem Boden zu lösen, wo es vor fast einem Jahr-
hundert entstand und von selbstlosen kenntnisreichen
Männern aller Stände gehegt und gehütet zu Kraft und
Größe gedieh. Wer weiß, wie viel in diesem schönen
Verhältnis, das heute so gut besteht wie in den ver-
gangenen Generationen, Katzentreue ist, die am Hause
hängt, und ob das neue Festungsmuseum den Salzburgern
selbst nicht etwas aus dem Wege liegen und so für den er-
hofften Strom gleichgültiger Touristen nicht die zuverlässigen
Freunde preisgeben wird, die es stark gemacht haben.

Und wird umgekehrt Hohensalzburg wirklich so be-
stimmt und unbedingt gewinnen, wenn das Militär heraus-
und das Museum hineinkommt? Spukt hier nicht ein Nach-
klang romantischer Vorstellung, der eine Feste etwas un-
erbittlich Mittelalterliches war, etwas Hehres, Altdeutsches,
mit einem Wort etwas, was dem Ideal der Fürstenzimmer
von 1851 auffallend ähnelt. Nicht so sehr das Museuni
soll in die Festung kommen, als die Festung soll ein
Museum werden! Dazu muß ihr das bißchen Leben, das
zäh und fast unausrottbar wie in jedem organischen Wesen
auch in ihr noch zuckt, gewaltsam ausgetrieben werden.
Denn lassen wir uns doch durch ererbte romantische Ideen
nicht täuschen: die Festung ist, so prosaisch es auch aus-
sehen mag, heute ungefähr, was sie immer war: ein Depot
für Kriegsgerät und Monturcn; eine Kaserne, wo einst
erzbischöfliche Soldaten, jetzt eingerückte »Neunundfünf-
ziger« ein etwas faules und keineswegs ästhetisch un-
bedingt befriedigendes Friedensleben führen. Nehmt die
Festung den Soldaten weg und gebt sie dem Museum, so
wird sie wahrscheinlich sorgfältiger gepflegt und sach-
kundiger konserviert werden, aber der letzte Funke von
Lebendigkeit ist dann verjagt, der für ihren unendlichen
Zauber nicht ohne Bedeutung ist.

Es sind sachkundige und kunstliebende Männer, die
sich für die Verlegung des Museums nach Hohensalzburg
einsetzen; ohne Zweifel werden sie alle Einwände schon
vielfach erwogen haben. Dennoch halte ich es für meine
Pflicht, bei einer Frage, die Salzburgs Kunstleben bis ins
Mark trifft, meine Meinung nicht zu verhehlen. Wer Salz-
 
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