Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

DOI issue:
Nr. 12
DOI article:
Notizen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0251
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Notizen

241

individuelle Erfcheinung — eine gewiße
allgemeine über die Einzelexiftenz hinaus-
gehende Lebendigkeit zu fehlen. Während
in manchen früheren, mehr auf das Typifche
gerichteten Perioden den einzelnen Schöp-
fen gen häufig aus diefem gemeinsamen
Lebensgrunde eine eindringlichere Menfch*
lichkeit zufloß. Es wäre interelfant ge*
wefen zu beobachten, ob hier eine Schranke
naturaliftifcher Kunft vorliegt und ob die
jüngeren Maler, die Sich um den Ex*
preflio nismus verfammeln, diefen Lebens*
funken ftärker zu befchwören wißen,- die
qualitativ fehr unbedeutende Vertretung
diefer R ichtungen auf der Anstellung er-
laubt nicht, Sich diefe Frage ernftlich vor-
zulegen. Unter den Wienern ftehen Fai*
flauer und Anderfen Solchen Problemen
der BeSeelung durchaus ferne und auch
Schiele, delfen Raftlofigkeit auch in diefer
Richtung vorzudringen geneigt fein mochte,
zeigt Sich in drei großen männlichen Porträts
noch durchaus taftend,- in dem Bildnis P.
v. G. hat er doch einen ftark einheitlichen
Ton zu treffen verbanden, der wie ein
Menfchheitsfchrei das Maskentreiben rings*
um übertönt. In einer von der über*
nommenen impreffioniftifchen Farbenkultur
abhängigeren Weife verfucht Sich F. A.
Harta an der gleichen Aufgabe,- ein Korn*
promiß, der außerhalb Öfterreichs orga*
nifcher zu gelingen Scheint,- wenigftens wirkt
des Münchners Julius Hüther Damenbildnis
ungleich eindringlicher und übertreffen vor
allen Willi Jaeckels Werke alle ähnlich
gerichteten an Lebensintenfität.
Auf der anderen Seite find die Führer
Lovis Corinth (Bildnis Dr. Schwartz),
Eugen Spiro (Bildnis Julius Meier* Graefe)
und Emil Orlik (Bildnis Eugen d'Albert),
die ihr großes malerifches Können auch
diefer Speziellen Aufgabe gefchickt und
gefchmackvoll dienftbar machen. Ihnen
Schließt Sich die große Schar derer an, die
ähnliche Bemühungen zum Teil einem noch
älteren Konventionalismus aufpfropfen. In
diefer Sphäre bieten die Kollektivaus*
Heilungen des Malers Rudolf Bachers und
des Radierers Ferdinand Schmutzer gute
Beifpiele. Abfeits ftehen Albin Egger*Lienz,
der fein Bedürfnis nach monumentaler Ver*
einfachung auch hier betätigt und Viktor
Hammer, der in altmeifterlich gepflegten

Bildern und minutiöfen Silberftiftzeich*
nungen feinen perfönlichen Archaismus
weiter verfolgt,- trotz der auf den erften
Blick gewinnenden Sauberkeit von Auf*
faflung und Ausführung ift von diefer
Richtung kaum eine nachhaltige Wirkung
und eine kräftige Zukunftsentwicklung zu
erwarten. Sie ift eine Kunft abfeits vom
Wege, den Hauptftrömungen unferer Zeit
kaum näher als Werke aus vergangenen
Perioden, die uns fympathifth find,- Sie ver*
mag wohl die menfchliche Liebenswürdig*
keit ihres Schöpfers auszudrücken, nicht
aber mehr als Äußerliches über die Dar*
geftellten auszufagen.
Die Aufgabe, den Menfchen darzuftellen,
ift unferer ganzen Bildniskunft von der Auf*
gäbe, einen beftimmten Menfchen zu er-
faßen, Verfehlungen worden,- daß durch
diefen Verzicht auf alles Repräfentative
im Porträt auch gewiße künftlerifche Werte
verkümmern, macht eine Serie von Bild*
niflen der Mitglieder der Wiener Evan*
gelifch=Theologifchen Fakultät, die nach
dem Katalog als Wandfchmuck eines
Sitzungsfaales gedacht ift, erfchreckend
deutlich. Alle Qualität der von Harifinger,
Kraule, Wieden und anderen Mitgliedern
der Wiener Sezeffion gemalten Porträts
könnte über den Eindruck der Zerfallen*
heit nicht hinweghelfen,- von menlchlicher
Zufammengehörigkeit, von einer Sozialen
Schicht, einer engen geiftigen und beruf*
liehen Verbindung ift nichts in die künft*
lerifche Löfung eingefloflen,- denkt man
von hier an Bildnisferien folcher Zeiten zu*
rück, denen gerade diefes Soziale Element
wichtig war, merkt man, wie die indivi*
dualiftifche Verfeinerung der Bildniskunft
nicht ohne bedeutende Opfer an anderen
Qualitäten zu gewinnen war.
Ein Zimmer der Ausheilung ift dem
Bildhauer Guftinus Ambrofi gewidmet, der
feit einiger Zeit von einem Literatenkreife
in feltfamer Verkennung für ein über*
ragendes Genie ausgeben wird und da*
durch für Weiterentwicklung und Fort*
arbeit verdorben fein dürfte,- die ftimmungs*
lofe Überfüllung des Raumes enthüllt die
Schablonenhaftigkeit feiner hohlen Dämo*
nie, die Oberflächlichkeit feiner naturali*
ftilchen Mache aufs fchlagendfte. Diefe
zweifellofe, aber Schon halb verwilderte Be-
 
Annotationen