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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Lorenz-Meyer, Eduard Lorenz: Flaggen und Fahnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0111
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Kopfleiste. Von Johann Matthias Kager.

FLAGGEN UND FAHNEN,

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nHcM«M«M€iiiW!i«j| S ist ein schöner Brauch in
Hamburg, dass man bei fest-
lichen Anlässen dort so viel
Flaggen aufzieht als mög-
lich, nicht nur eine große
am Flaggenstocke, der fast
auf keinem Hause in Ham-
burg fehlt, sondern, dass man
von diesem ausgehend, auch Leinen mit aneinander
gereihten Flaggen nach verschiedenen Teilen der
Stirnseite des Hauses ausgehen lässt; nicht die
Flaggenschiffe zu vergessen, welche wir mit Flaggen
bedeckt vor am Wasser gelegenen Gebäuden liegen
sehen, in denen Hochzeiten gefeiert werden. Die
Flagge, eine echt germanische Erfindung, halten
wir eben für besonders geeignet, dem Frohsinn Aus-
druck zu geben, das bunte feine Tuch, dem der
Wind Leben giebt, das mit dem lauen Windzuge zu
kosen, gegen den Sturm sich zu wehren scheint.

Die Römer besaßen keine Flaggen oder Fahnen.
Ihre Feldzeichen waren aus Erz, nur vereinzelt fin-
det sich ein kleines Stück Zeug an einer Querstange.
Dies ist das Urbild der schweren steifen Kirchen-
fahne, früher bis zur Hälfte, ja bis zu zwei Dritteln
von unten nach oben in 3 Streifen gespalten. Aus
der Kirchenfahne entwickelte sich das Banner, dessen
Ungelenkigkeit wir so oft auf dem Theater bedauern
können, und welches sich leider als Norm für Ver-
eine festgesetzt zu haben scheint. Damit sollte ge-
brochen werden, worüber Weiteres unten folgt.

Auf alten römischen Skulpturen begegnen wir
bei den germanischen Hilfstruppen den Vorläufern
der Flagge, männlichen Tiergestalten, welche aus
einem leichten Stoffe gefertigt, deren dünn gegerb-

tes Fell, zu einer Art Sack zusammengenäht, durch
den Wind aufgeblasen wurde, genau so wie die
Japaner es noch heutigen Tages lieben.

Dann sehen wir in der romanischen Periode
die ersten Tournierfahnen erscheinen, zuerst band-
artige, am Ende befranzte Tuchstreifen, dann vier-
eckige, mit Ein- oder Ausschnitten versehene Tücher,
welche aber augenscheinlich noch keine Wappen
trugen, sondern reich mit Gold durchschossene Ge-
webe gewesen zu sein scheinen.

Mit der gotischen Baukunst erscheint die Renn-
fahne, ein mit der längeren Seite am Schaft befestig-
tes Stück Tuch, oben mit einer dreieckigen Verlän-
gerung versehen. Diese Rennfahnen zeigen zuerst
die heraldischen Figuren, in Übereinstimmung mit
dem Schilde des Reiters und dessen Pferdecouver-
fcttre. Die schönen Reitersiegel der regierenden
Herren, der Herzöge von Steiermark, Osterreich,
Sachsen u. s. w. zeigen sehr schöne Vorbilder solcher
Fahnen (S. 101). Sind die Wappenfiguren dem Tierreiche
entlehnt, so sind sie stets dem Stocke zugewandt
darzustellen. Sehr schöne Fahnen zeigt die Sachsen-
chronik, ein Incunabel mit herrlichen Holzschnitten.
Die Fahnen haben sich aber im Laufe der Jahrhun-
derte vergrößert, und zeigen in der Sachsenchronik
schon eine ganz ansehnliche Größe mit stark ent-
wickeltem Wimpel. In der Schedel'schen Weltchronik
kommen Fahnen verschiedentlich vor, so eine, in der
Gruppe der zwei Ritter, mit einem Klunker am
Ende, welcher das in Falten gelegte Fahnentuch
abschließt. Die Dame aus der Zeit des Anfangs des
1(5. Jahrli. mit dreieckiger Fahne ist aus Burck-
mair's Triumphzug und findet sich als Schildhalterin
auf einer anderen großen Fahne, ähnlich der der
 
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