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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Nordische Freiluft-Museen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0138
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NORDISCHE FREILUFT-MUSEEN

131

CHRISTIANIA,
UNIVERSITÄTS
SAMMLUNG,
GESCHNITZ-
TER KIRCHEN
STUHL

scheinung ist das Haus aus Romsdalen zu nennen,
das, wie das vorige, seine ganze originale und zum
Teil recht eigenartige Ausstattung behielt. Es ist eine
umgebaute Arestube. Die Stelle, wo das offene Herd-
feuer vor der Errichtung des Peis sich befand, ist
deutlich bezeichnet. Reizend in ihrer Einfachheit ist
eine in Stabwerk ausgeführte, einschiffige, mit Vorhalle
und Dachreiter versehene Fischer-Kapelle aus Logen
von 1459, deren Inneres (4X6,50 m) vor jeder späteren
Verschönerung und Restaurierung glücklicherweise ver-
schont blieb. — Schon wiederholt wurde die als »Ram-
loft-Stube« bezeichnete Anlage des Bauernhauses hier ge-
nannt. Sie ist fürdasGudbrandstal charakteristisch. Lille-
hammer besitzt zwei vorzügliche Beispiele (siehe Abb.
S. 136 ff.). Beide haben den auf der Langseite vorge-
lagerten Laufgang, von dem aus die große Stube be-
treten wird. Bei dem Haus aus Lohre sind Ab-
teilungen dieses Laufganges zu offenen Gelassen ge-
macht, mithin die teilweise Einbeziehung dieses Raumes
in die Wohnung, wie sie bei dem Pfarrhof aus

Vaage eintrat (Abb. S. 139), vorbereitet.
Es bleibt bei diesem nur eine mit
Geländer versehene kleine Vorhalle
übrig. Bei dem Haus aus Ringebu
ist auch diese ins Innere mit ein-
bezogen. — In dem einen Ramloft-
Hause ist noch der höchst primitive
Webestuhl aufgestellt, in beiden der
reichlich aufgespeicherte Hausrat einer
wohlhabenden Familie ganz beson-
derer Beachtung wert. Geschnitzte
Trinkgefäße, höchst originelle Be-
leuchtungskörper, farbig außerordent-
lich feingestimmte Textilien, alles
wirkt in vortrefflicher Weise zusammen.
— Was für die ländliche Bauweise
früherer Zeit, für den echt künstleri-
schen Sinn der einfachen Werkmeister
aus dem Volke spricht, tritt an diesen
zwei durchaus verwandten Anlagen
mit größter Deutlichkeit hervor: Trotz
der Zugrundelegung gleicher räum-
licher Anordnung können doch äußer-
lich vollständig verschieden geartete
Gebilde entstehen. Ja, wenn man
unseren jungen Architekten solche
einfache Wahrheiten in allererster
Linie klar machen möchte, statt sie
mit Stilregeln zu beglücken!

Die Ausstattung des geräumigen Pfarr-
hauses aus Vaage (Abb. S. 139) würde
jedem Herrenhause Ehre machen. Was
die Jahreszahl 1500 als Entstehungszeit
_ betrifft, so mag hier wohl ein kleiner

Irrtum von ca. hundert Jahren mit unter-
gelaufen sein. Die breite Behaglichkeit
der großen Räume dieses Hauses ist be-
zeichnend für das 17., das 18. Jahrhun-
dert, kaum aber für das ausgehende Mit-
telalter. — Als charakteristische Spei-
cheranlage, jetzt mit verändertem Dach
zu einer Waffensammlung umgestaltet, muß das als »Peer
Gynts Haus« benannte Gebäude bezeichnet werden. —
Reizend in der einfachen Lösung eines durchaus kon-
struktiven Gerüstes, das zugleich »Fassade« ist, er-
scheint das Haus aus Ringebu (Abb. S. 140). Die
Totalanordnung gehört einer von Renaissanceeinflüssen
völlig durchsetzten Zeit an, die Flachschnittmuster der
Ständer dagegen könnten ebenso gut von einem der
sagenhaften Paläste altnordischer Herrscher herstammen.
Mit der Aufstellung des bereits vorhandenen
Materials hat die Sammlung von Lillehammer ihren
Abschluß keineswegs erreicht. Man ist neuerdings
daran gegangen, einen Hof mit all seinen Einzelge-
bäuden — es sollen über zwanzig sein — zu er-
werben und auf diese Weise nicht nur das Wesen des
einzelnen Wohngebäudes, sondern einer großen bäuer-
lichen Niederlassung früherer Zeit in kennzeichnender
Weise zu erhalten. Und das geschieht in einem
von den Weltstraßen seitabliegenden Städtchen
3000 Einwohnern! Hut ab! (Schluß folgt.)

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weit
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