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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Schumann, Paul: Die dritte deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden 1906, [2]: die Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0216
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DIE DRITTE DEUTSCHE KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN 1906

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In diesem Sinne erscheinen uns in der Dresdener
Ausstellung als die bedeutendsten Künstler auf dem
Gebiete der Raumkunst: Bruno Paul, Richard Riemer-
schmid, Bernhard Pankok, Wilhelm Kreis, ferner Karl
Bertsch und mit gewissen Einschränkungen Paul
Schultze-Naumburg. Mit ihnen geben der Raum-
kunst in der Ausstellung ihre hervorstehenden
Züge: Henry van de Velde-Weimar, Peter Behrens-
Düsseldorf, Joseph Olbrich-Darmstadt, Adalbert Nie-
meyer-München, Albin Müller-Magdeburg. Mit der
Voranstellung dieser Künstler soll weder gesagt
werden, daß sie durchweg Mustergültiges geschaffen
haben, noch daß sie gleichartig und gleichwertig in
ihren Leistungen sind. Dabei wird aber auch der
Kritiker bei seinem Urteil insofern zurückhaltend sein
müssen, als er seinen persönlichen Geschmack nicht
als schlechthin maßgebend ansehen darf. Denn es
kann sehr wohl vorkommen, daß mir z. B. ein Salon-
raum durchaus unsympathisch ist, und daß seine
Durchbildung und Ausstattung doch einem Bedürfnis
ganz anders gearteter Menschen entspricht, daß der
Künstler somit ein volles Recht hatte so zu schaffen.
Auch der Begriff der Behaglichkeit ist ja persönlichem
Empfinden unterworfen, und es kann leicht geschehen,
daß dem einen ganz behaglich ist, wo der andere
anspruchsvoller veranlagte wegen mangelnder Eleganz
sich unwohl fühlt, während andererseits der Anspruchs-
lose sich beklommen fühlt in den eleganten Räumen,
die jenem nur das Mindestmaß von selbstverständ-
lichem Komfort bedeuten. Behaglichkeit bekommt
ein Raum zumeist erst, indem der Bewohner ihm
seinen Stempel aufdrückt, so daß wir den Eindruck
des wirklich Bewohnten, nicht bloß des künstlerisch
Angeordneten gewinnen. In diesem Sinne findet
z. B. die Leipziger Etage, eine Gesamtschöpfung des
Leipziger Künstlervereins (Vorsitzender Architekt Brach-
mann) sehr viel Beifall, weil sie den Eindruck des
wirklich Bewohnten macht und sich in den Bildern
usw. ein ganz persönlicher Geschmack ausspricht.
Man möchte sagen, daß hier eine künstlerisch ver-
anlagte Hausfrau gewaltet hat.

Sind schon unter den vier Künstlern, die wir als
die eigentlich schöpferisch selbständigen Genies zuerst
genannt haben, zwei Münchener, so ergibt auch, wie
uns scheint, ein Gesamtüberblick überhaupt, daß
München in bezug auf die Raumkunst oder die künst-
lerische Zimmereinrichtung noch immer an der Spitze
der deutschen Kunststädte steht. Die örtliche Schei-
dung ist allerdings nicht mehr vollständig durchzu-
führen, arbeitet doch z. B. Richard Riemerschmid aus-
schließlich für die Dresdener Werkstätten für Hand-
werkskunst. Da indes nach dem Grundsatz der Dresdener
Ausstellung der Künstler den Ausschlag gibt, so haben
auch Riemerschmids Leistungen in der Münchener
Abteilung Platz gefunden und helfen dort den Ein-
druck der am meisten ausgeglichenen Wohnungskultur
verstärken. Davon abgesehen bilden die Münchener
Räume eine gewisse Einheit, indem sieben Räume, sämt-
lich ausgearbeitet von den vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk, die Wohn- und Empfangs-
räume eines hohen Staatsbeamten darstellen; dazu

kommt der Amtsgerichtssitzungssaal für Sulzbach in
Bayern mit fünf weiteren Räumen, die das Vorsfands-
zimmer dieses Amtsgerichts mit anstoßender Wohnung
des Amtsrichters darstellen. Letztere fünf Räume
sind von den Werkstätten für Wohnungseinrichtung
Karl Bertsch-München ausgeführt. Von Bruno Paul
stammen zunächst der Vorraum und der Repräsen-
tationsraum in kostbarem verschiedenartigen Marmor.
Beide sind von überaus vornehmerWirkung; dabei gibt
sich ein Maßhalten in der Formgebung und eine
Strenge gegenüber dem Material kund, die auf reifem
künstlerischen Empfinden und sicherer Erfahrung be-
ruht. Dieselben Eigenschaften zeigt das Arbeitszimmer
des Regierungspräsidenten von Bayreuth, Möbel und
Täfelung in dunkel gebeizter Eiche, Decke in poliertem
Stein mit Mahagonieinlagen, sowie auch ein Zimmer
mit weißlackierter Täfelung und Möbeln in poliertem
Zitronenholz mit reichen Einlagen. Die strenge vor-
nehme Einteilung des Arbeitszimmers, die treffliche
ernste Farbenwirkung, die edel und unauffällig an-
gebrachten Schmuckformen, wie andererseits die vor-
nehm festliche Wirkung des Speisezimmers — alles
erscheint künstlerisch gleich fein empfunden und dabei
durchaus dem praktischen Bedürfnis entsprechend.

Auch das Vorstandszimmer des Amtsgerichts Sulz-
bach in schwarz gebeizter Eiche von Adalbcrt Nie-
meyer zeigt den abgeklärten Geschmack eines modern
empfindenden Menschen; alle die Möbel sind sachlich
und bequem und dabei nicht ohne persönliche Note.
Das Speisezimmer in Kirschbaumholz zeigt den Ge-
schmack unserer Väter trefflich weiterentwickelt und
gesteigert. Weiter bietet die Münchener Abteilung
ein ungemein ansprechendes Schlafzimmer in Birn-
baumholz von Karl Bertsch, schlicht, praktisch und
geschmackvoll in jeder Beziehung, und von demselben
ein Wohnzimmer in Nußbaumholz, das in Formen
und Farben dieselben trefflichen Eigenschaften auf-
weist. Der Amtsgerichtssitzungssaal für Sulzbach von
F. A. O. K'üger und Julius Diez entspricht mit Ge-
schmack den sachlichen Bedürfnissen, ohne unnötig
darüber hinauszugehen. Ein Damenzimmer von F. A.
O. Krüger — Mobiliar grau Ahorn mit reichen Ein-
lagen, Wände mit Seide gespannt — wirkt fein und
vornehm, wenn man auch vielleicht das Mosaik an
der Decke grundsätzlich beanstanden möchte und in
der Ornamentik der Einlagen das Naturstudium ver-
mißt. Endlich ist ein Frühstückszimmer zu erwähnen,
zu dem Frau Margarete von Brauchitsch Wandbe-
spannung und Kissen entworfen und selbst ausgeführt
hat. Auch sonst ist die bekannte Künstlerin mehr-
fach mit geschmackvollen Kissen vertreten.

Daß die gesamten Möbel und sonstigen Ausstel-
lungsstücke der besprochenen Räume von den beiden
Münchener Werkstätten tadellos ausgeführt sind, bedarf
kaum noch der Erwähnung. Dasselbe gilt von den
beiden Riemerschmidschen Schiffsräumen (in Eichen-
holz), welche die Dresdener Werkstätten für Hand-
werkskunst Schmidt & Müller ausgeführt haben, der
Offiziersmesse und dem Kommandantensalon für den
Kreuzer Danzig. Es ist von großer Bedeutung, daß
der moderne Geschmack, der schlichte Sachstil sich

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