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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Schmitz, H.: Die Buchkunst der alten Meister
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0094
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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

die Strenge des französischen Geistes auch damals noch
zeugt die nach 1550 aufkommende Gewohnheit, die Blatt-
ränder und Titelsätze mit feinen Tintenlinien zu umziehen,
so daß die Typen wie in geometrisches Netz eingefügt
erscheinen. Die Architekturformen auf den Titelrahmen:
Rollwerk, Giebel, Hermen usw. bleiben viel ruhiger, ge-
messener als in Italien. Drucker in Paris: Seb. Nivelle;
in Lyon: Bonhomme, J. de Tournes.

5. Im 17. Jahrhundert gewinnt der niederländische Buch-
druck die größte Bedeutung und Einfluß auf alle übrigen
Länder. Im Anfang des Jahrhunderts wird durch die riesigen
Verlage der Plantin in Antwerpen und Elzevir in Amsterdam
durch seltene Billigkeit das Buch volkstümlich gemacht.
Sammelwerke, Kosmographien, Reisebeschreibungen, At-
lanten mit farbigen gestochenen Landkarten, Architektur-
werke, durchgängig gestochene Schönschreibebücher. Die
typographische Ausstattung entwickelt sich im Anschluß
an die Italiener, die Titel werden mit Kupferstichen ver-
sehen von Rubens, Quellinus, Collart und der großen
Schülerzahl. Die großen ganzblättrigen Kupferstiche in
breiter, malerischer, dramatischer Manier sind ein Haupt-
charakteristikum in den niederländischen Büchern und haben
auf das Ausland, besonders auf Frankreich gewirkt. Ver-
leger sind noch in Amsterdam: Blaen, Claesz; in Rotter-
dam: van Leest, Strick; in Antwerpen: Ortelius, Tulden.
Im Anfang des 18. Jahrhunderts begründet sich in Haarlem
die berühmte noch bestehende Druckerei von Enschede,
deren Typen zum kleinen Teil an Drugulin in Leipzig
übergegangen sind.

6. Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts übernimmt der
französische Buchdruck, mit der 1640 gegründeten könig-
lichen Druckerei an der Spitze, die führende Rolle. Seit Lud-
wigsXIV. Regierungsantritt (siehe: »L'Entree de Louis XIV.,
Paris 1662) bis ans Ende der Regierung Ludwigs XV.
werden die riesenhaftesten Folianten fabriziert zur Ver-
herrlichung des Königs und seiner Festlichkeiten. Kupfer-
stiche, so groß wie Tischplatten, werden gedruckt: Triumph-

bögen, Feuerwerke, Wasserulk, Gartenanlagen, Schloß-
bauten, der König, verkleidet als Schäfer, als römischer
Cäsar zu Pferd, als antiker Heros, als Genius von den
Musen gekrönt, in den Himmel fahrend, als Kriegsherr,
Schlachten gewinnend, Städte erobernd. Der Druck der
ungeheueren Titel- und Widmungsblätter erscheint in gro-
ßer, klassischer Antiqua. Gestochene Rokokorahmen kom-
men unter Ludwig XV. hinzu. Erst am Ende von dessen
Regierung (um 1760) hebt die wahre Blüte des französi-
schen Buchdruckes an. Die Gesellschaft wendet ihre Teil-
nahme der zeitgenössischen Dichtung zu. Dorat, La Fon-
taine, Moliere, Crebillon, de la Borde, Regnard, Voltaire
sind häufig in den Jahren 1770 — 90 gedruckt worden. Die
kleinen Bücher erhalten zartgestochene Titel in Umrah-
mungen: Laubenhecken, antike Baureste, seidene Vorhänge,
von nackten Kindern zurückgeschlagen, verschwiegene Gär-
ten, stille Gegenden, Liebespaare, Schäfergruppen, nackte
Frauen und Musen. Der Rahmen mit Rosenranken, Lorbeer-
girlanden, musikalischen Instrumenten behängt. Im Innern
des Bändchens die gleichen zarten Kopfstücke und Zier-
leisten in Kupfer gestochen von Gravelot, Cochin, Choffard,
Mariliier, Fragonard, Eisen, Moreau. Einzelne Bände sind
ganz gestochen. Um 1790 wird es wieder einfach, glatte
gedruckte Titel genügen, farbige Kupferstiche in kalten rosa-
farbenen Tönen, ein bürgerlicher Geschmack, kommen auf.
Über den deutschen Buchdruck des 18. Jahrhunderts
können wir nicht eingehend berichten. Es sei daran er-
innert, daß er seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durch
Immanuel Breitkopf in Leipzig neues Leben empfängt;
durch dessen Bemühungen um die Fraktur und Noten-
schrift. Was für eine Kultur alsdann beginnt, ist zu spüren
beim Durchblättern der Schriften Gessners in Zürich (1777),
zu denen der Dichter selbst die Kupfer gezeichnet hat.
Dann denke man an die lange Reihe von Taschenbüchern,
Damen- und genealogischen Kalendern, Musenalmanachen;
Taschenbüchern häuslicher Freuden. Chodowiecki hat
vieles davon illustriert. h. Schmitz.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

DAS MODERNE KUNSTGEWERBE IN DEN

REICHSLANDEN

Es ist noch nicht so gar lange her, daß man bei einem
Überblick über die kunstgewerbliche Produktion Deutsch-
lands, die so plötzlichen Aufschwung nahm, die Reichs-
lande Elsaß-Lothringen kaum berücksichtigte. Wohl wußte
man vom Vorhandensein einiger Künstler, welche dort in
aller Stille abseits von der großen Heerstraße des modernen
Kunstbetriebes tätig waren; noch bekannter waren als Ver-
treter der reichsländischen Kunst einige elsässische Künstler,
die außerhalb ihres Heimatlandes zu Ansehen und Ehren
gekommen waren, wobei man unter den älteren etwa an
Gustave Dore dachte, der aus Straßburg gebürtig war, oder
an die Elsässer Carriere und Henner. Solche Namen lassen
sich nach Belieben vermehren, doch ist hier ja keine Auf-
zählung beabsichtigt. Das waren Leute, deren Jugend noch
in die französische Zeit fiel, die in Paris studiert hatten
und, da in der Provinz wenig Aussicht auf Erfolg zu er-
warten war, dort ansässig geworden waren. Ihre Namen
gehören in erster Linie der Kunstgeschichte Frankreichs an.
Wer indessen die Entwickelung der Kunst und des Kunst-
gewerbes in Deutschland verfolgt, weiß, daß Elsaß-Loth-

ringen seit der deutschen Zeit auch auf deutschen Kunst-
akademien, zumal in München, heimisch wurde; auch von
diesen Künstlern blieb mehr als einer an dem Orte seiner
Ausbildung, wie denn z. B. eben in München mehrere
Elsässer als Professoren an der Akademie und der Kunst-
gewerbeschule tätig sind.

Die selbständige künstlerische Bewegung im Elsaß ist
vergleichsweise jung, sie geht kaum über anderthalb Jahr-
zehnte zurück. Und zwar war es zuerst die Kunst, welche
den Kampf mit den neuen Verhältnissen wagte und im
Lande blieb, um sich redlich durchzuschlagen. Leicht ist
ihr das nicht geworden, und wenn sie sich dennoch schritt-
weise ihren Weg bahnte, so verdankte sie das der Ver-
kettung des Verdienstes ihrer hochbegabten und mutigen
Vorkämpfer mit dem Glück, daß diese selbstlos genug
waren, um auszuhalten und eine künftige bessere Zeit mit
erstreiten zu helfen. Als einer der ersten Künstler, die
sich in Straßburg niederließen, ist L. von Seebach zu nennen.
Für die Rolle, welche ihm hier unbeabsichtigt zufiel, als
ein Pionier für die moderne Kunst zu wirken, war er durch
die Vielseitigkeit seiner Begabung auf das glücklichste ver-
anlagt. Eine ausgedehnte, mit großem künstlerischen Takt
durchgeführte Lehrtätigkeit, gab ihm Gelegenheit, das Ver-
 
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