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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Schmitz, H.: Die Buchkunst der alten Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0093

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DIE BUCHKUNST DER ALTEN MEISTER

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Cratander, Ad. Petri, Henri Petri, Joh. Froben, Isingrin,
Gengenbach, Amorbach. In Zürich Verleger: Froschouer;
in Frankfurt: Egenolph; in Ingolstadt: Apianus; in Hage-
nau: Anshelm; in Dillingen: Meyer. Unübersehlich.

In der letzten Blüteperiode, der Spätrenaissance
(1550—1600) übernimmt Frankfurt die Führung. Bücher
größeren Formates, Wappenbücher, Trachtenwerke, Archi-
tektur und Kriegskunst, treten in den Vordergrund. Auf
den Titeln erscheint die schwere Umrahmung mit Roll-
und Bändel werk, Karyatiden und Fruchtkränzen; der Holz-
schnitt wird sehr breit behandelt, derb schraffiert, die
Fraktur wird bewegt, auf den roten Titelinschriften ver-
schnörkelt, wie heute noch auf Münchener Maßkrugdeckeln.
Amman, Stimmer, Solis sind die Hauptmeister, Feyerabend
in Frankfurt der Hauptverleger, daneben Weigel in Nürn-
berg: Trachtenbuch 1577; Wappenbuch; Beschreibung
aller Stand 1568. Im 17. Jahrhundert bleibt alles beim
alten; neu hinzu kommen gewisse barocke Zierstücke in
Holzschnitt: breitlappige geschwungene Blumen- und
Blattbüschel, wie sie Emil Rudolf Weiß neuerdings
wieder lebendig gemacht hat.

3. Der italienische Buchdruck. In der ersten Periode
(1465 — 80) unterscheidet sich das italienische gedruckte
Buch nicht wesentlich von dem gleichzeitigen in Deutsch-
land. Die deutschen Drucker üben zuerst die Kunst
allein aus. Um 1465 richten sie eine Druckerei in Subiaco
ein; 1469 kommt Johann von Speyer nach Venedig
(Plinius in Antiqua 1469), 1470 Wendelin von Speyer,
darnach Nikolaus Jenson (f 1481), zuletzt der bedeutendste,
Erhard Radtoldt von Augsburg (1476—86 in Venedig).
In der Mehrzahl der Drucke dieser Zeit findet sich die
gotische Type verwendet, im einzelnen machen die
Deutschen große Anstrengungen, durch Erfindung schöner
Antiquaschriften dem Geschmack des italienischen Publi-
kums zu gefallen. In den Titelleisten und Initialen herrscht
durchaus der italienische Stil.

Renaissance (1480—1520). Bald gewinnen die Ita-
liener, voran die Venezianer, einen eigenen Buchstil;
die Drucke dieser kurzen Spanne sind wohl mit die
schönsten, nein, sie sind überhaupt die schönsten, die je
gedruckt worden sind. Zuerst die Titelseiten, ein uner-
schöpflicher Reichtum edelster Erfindungen, Rahmenleisten,
weiße Linienspiele, gemischt aus antikem maureskem
natürlichem Gerank, wunderbar zitternd auf dem tief-
schwarzen Grunde, oder nur in dünnen Umrissen ge-
zeichnet, leicht, wie ein Schleier; dann die klare Antiqua,
den römischen Inschriften nachgebildet, ruhig und fest-
geschlossen im Satz, Blatt für Blatt; am Schluß, oft das
Schönste, der leuchtend rot gedruckte Text, nach unten
rhythmisch zugespitzt, mit dem höchst ornamentalen Buch-
druckersignet abschließend; ganz still und einfach steht das
auf der großen leeren Weiße des Papieres. Melchior Sessa,
Joh. Tacuino, Fil. Giunta, Luc. Ant. Giunta, Giorgio de
Rusconi, Aldus Pius Manutius, de Zani, de Vitalibus,
Gregorio de Gregoriis und viele andere edle Drucker und
Verleger in dem einzigen Venedig, mehr als, es ist traurig
zu sagen, heute in der ganzen Welt zu finden sind. So
wundervolle Drucke unserer Zeit, wie der Prolog von
Hofmannsthal zu Hofmanns Tänzen (Insel 1906) sind ohne
Vorbild dieser Venezianer nicht zu denken. Und die an-
tiken Schriftsteller Euklid, Plinius, Cicero, Livius, Aristoteles
und Herodot sind niemals wieder so gedruckt worden,
so in ihrem Geist, so ganz, daß sie selbst sich dran ge-
freut hätten. So klar gebaut sind die Titel, so deutlich
die Antiqua, so leserlich der Satz, so streng, so lapidar
und doch so einfach; der gleiche Geist, der diese Dich-
tungen und Schriften schuf, ein griechischer und römischer,
der lebt in diesen Formen wieder auf. In Florenz sind

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besonders Savonarolas Schriften oft um diese Zeit gedruckt
worden, meist tragen sie auf dem Titel figürliche Holz-
schnitte, in strenge Rahmen eingefaßt, in klaren Umrissen
und schattenlos gezeichnet; Gespräche von Gelehrten in
Hallen oder Räumen, einige darunter, die, wenn sie, an
die Wand als Lichtbild projiziert, vergrößert werden, wie
Freskomalereien von Masaccio wirken; so groß empfunden.
Verleger sind Bonacorsi, Niccolo di Lorenzo, bei dem die
berühmte Danteausgabe von 1481 gedruckt ist, mit ein-
gesetzten Kupferstichen aus Boticcellis Schule; Guinta,
Pacini, Bart, di Libri. In Mailand druckte Minutiano;
In Ferrara Rossi, in Forli Medesanus, in Brescia Boninus
de Boninis, in Rom Mazolinus, in Fossombrone Petrucci.
Die Spätrenaissance setzt bald nach 1520 ein; schneller
als die übrigen ist der Buchdruck in Italien verblüht, er
war zu schön, um lang zu leben. Nach dieser Zeit ist
nichts mehr entstanden, was dem Edelsten der Blütezeit
vergleichbar ist. Große Architekturwerke, Vitruv, Serlio,
Palladio, Chroniken und Topographien spielen eine große
Rolle. Auf den Titeln wird die schwere, antikisierende
Architekturumrahmung beliebt, mit wachsender Neigung
für Rollwerk, Fruchtkränze, Atlanten, volle Weiber. Die
Antiqua auf den Titeln wird ernst und groß, das Schwellende
und Lustige der Frankfurter Spätrenaissancedrucke fehlt.
Die innere Ausstattung bietet kaum noch Interessantes.
Erwähnenswert sind nur die kleinen Oktavbände in Kursiv-
schrift, in denen der Verlag Aldinus die römischen und
italienischen Dichter über 100 Iahre lang herausgibt; es
ist die Kursiv, in der der neueste Inselalmanach auf das
Jahr 1907 gedruckt ist.

4. Der französische Buchdruck. Die neue Erfindung
(in Paris eingeführt 1470) verbindet sich mit der Hand-
werkstradition der alteingesessenen Miniatorenschule und
durch diesen Umstand empfängt die französische Buch-
druckkunst ihren eigentümlichen Charakter. So erklärt sich,
daß sie bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts
an gotischen Gewohnheiten festhält. In den Livres d'heures
behauptet sich von selbst die beliebte Einrichtung: die um-
rahmenden Leisten mit gotischen Dornblatt- und Blumen-
ranken und kleinen Szenen dazwischen, die Kolorierung
und Vergoldung der Initialen. Aber auch in den übrigen
Drucken — neben den geistlichen Büchern vor allem antike
Dichter, Chroniken, Romane — herrscht die gotische Type,
trotzdem man im klaren Satzbild die Venezianer nach-
zuahmen beginnt; eine scharfe Textur ist es, exakt, wie
aus Metall geschnitten, gleichmäßig im Vergleich mit den
krausen lebendigen Formen der deutschen Drucker. Eben-
falls die Rankenleisten, äußerlich den venezianischen ähnlich,
näher betrachtet sind sie spitziger, distelartig, scharf, regel-
mäßig konstruiert: und der Holzschnitt ist hart, präzis im
Strich, scharfgeschliffen, fein schraffiert. Nichts ist so
sauber in der Technik, so gleichmäßig im Satz, so straff
und peinlich, so elegant im Eindruck wie die französischen
Frührenaissancedrucke, aber auf die Dauer ermüdet uns
das Musterhafte. In Paris sind die wichtigsten Drucker:
Du Pre und Gerard, Regnault, Verard, Rembolt, Hopyl,
Kerver, Vosfre, Hardouyn, Barbier. In Lyon, dem zweiten
Zentrum: P. Vincent, Nie. de Benedicts, Jean de Jouvelle,
Marechal, Fradin, Moylin. Die ausgesprochene Renaissance,
die in Antiqua druckt und feine venetianische Titelein-
fassungen und Initialen verwendet, ungefähr seit 1520, ver-
treten in Paris, wo damals die Bücherliebhaberei (auch
für schöne Einbände) so lebhaft war, wie nur in Venedig:
Simon de Colines, Josse Bade, Rob. Etienne, Geoffroy
Tory. In Lyon: Marion, Lescuyer, Janot, Rouille, Trechsel,
bei dem Holbeins Totentanz und Altes Testament gedruckt
wurden. Die Spätrenaissance hat in Frankreich mehr Sorg-
falt und Kraft bewahrt, als in den anderen Ländern. Für

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