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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Engel, Julius: Die Kunstgewerbliche Bewegung in Magdeburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0077

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FRITZ VON HEIDER.

PANTHERFRIES IM BESITZ DES MAGDEBURGER MUSEUMS

DIE KUNSTGEWERBLICHE BEWEGUNG IN MAGDEBURG

Von Julius Engel

ü

F. Nigg. Signet für
A. Wohlfeld-Magdeburg

NTER den Städten, welche
sich frühzeitig der mo-
dernen Bewegung im
Kunstgewerbe angenommen ha-
ben und durch Berufung geeig-
neter Kräfte derselben eine neue
Pflegestätte bereiteten, muß Magde-
burg mit an erster Stelle genannt
werden. Es soll hier der Einfluß
und der Umfang der neuen Be-
wegung nach der kunstgewerb-
lichen Seite hin festgestellt und mit wenigen kräftigen
Strichen umschrieben werden. Wir werden dabei
hauptsächlich vier Gruppen ins Auge fassen: Die
Ausstattung des Innenraumes, das Buchdruckgewerbe,
die Textilkunst und die Keramik, und es ist bezeich-
nend für die Entwicklung der neuen Richtung in
Magdeburg, daß die auf diesen vier Gebieten ent-
faltete kunstgewerbliche Tätigkeit nicht im Schöße
des Gewerbes selbst erwuchs, sondern ihre An-
regungen hauptsächlich Personen zu verdanken hatte,
die der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule an-
gehörten und zum Teil noch angehören. Es ist be-
kannt, daß eine Gruppe Magdeburger Künstler zu-
erst bei Gelegenheit der Ausstellung in St. Louis die
Blicke der Welt auf Magdeburg als eine Kunststadt
lenkten. Eine Betrachtung des modernen Kunst-
gewerbes hat sich deshalb im wesentlichen mit den
Persönlichkeiten zu befassen, die heute noch einen
solchen Einfluß ausüben.

I. DIE INNENRAUMAUSSTATTUNG.
Die Führerschaft auf dem Gebiete des Innenraums
gebührt Albin Müller, der bei der Veröffentlichung
dieser Zeilen bereits nicht mehr Magdeburg angehört,
sondern einem ehrenvollen Rufe des Großherzogs von
Hessen als Professor und Leiter eines eigenen Ateliers
nach Darmstadt Folge geleistet hat. Müller hat in
Dresden frische Lorbeeren geerntet. Seine unermüd-
liche Schaffenslust, die ihm Magdeburg fast zu eng
werden ließ, hat sich inzwischen schon wieder in so

Kunsigewerbeblatt. N. F. XVIII. H. 4

reger Weise betätigt, daß wir nicht nur eine Auslese
neuer Formen und Geräte der Kleinkunst, sondern
auch eine neue Zimmereinrichtung vorführen können.
Zunächst aber sei noch ein kurzer Nachtrag zur
Dresdener Ausstellung gestattet. Es liegt nämlich
eine bisher noch nicht bekannte Ansicht des Trau-
zimmers und des Empfangszimmers vor, die wir dem
Leserkreise nicht vorenthalten dürfen. Das um so mehr,
als Magdeburger Kunstgewerbefleiß und künstlerisches
Streben eng mit ihnen verbunden sind und die Räume
nach ihrer Zweckbestimmung im öffentlichen Leben der
Stadt gerade in diesen Tagen Gegenstand des Studiums
und der Beachtung weiter Kreise sind. Müller war
nicht bloß zum Berater der Provinz Sachsen auf der
Ausstellung ausersehen, sondern die Schöpfung des
von einem Kunstfreunde gestifteten Standesamtszimmers,
des Wohn- und Empfangszimmers im neuen städti-
schen Museum und eines Herrenarbeitszimmers war
ihm von den städtischen Behörden übertragen worden.
Diese Aufträge verdienen besondere Anerkennung,
weil sie den dabei beteiligten Magdeburger Firmen,
die sich ihrer Aufgabe in vorzüglicher Weise entledig-
ten, Gelegenheit gaben, sich im Großen geschlossen
zu betätigen und von ihrer handwerklichen Kunst-
fertigkeit überzeugende Proben abzulegen. Freilich
hätte man es den Gewerbetreibenden ohne künstle-
rische Unterstützung allein überlassen, sich zu äußern,
so würde man auch diesmal über die Resultate
früherer Ausstellungen — die verbesserte Auflage
und die meisterhaftere Technik zugegeben — kaum
hinausgekommen sein. Von Kunst im neuzeitlichen
Sinne hätte man dann aber wohl schwerlich reden
können. An solchen Leistungen hat es ja auch in Dres-
den nicht gefehlt und vermutlich hätte auch Magdeburg
ebenfalls Erfolge errungen. Daß man aber gerade bei
der Gelegenheit von dieser Stadt als einer Führerin im
modernen Kunstgewerbe sprach, verdankt sie wesent-
lich dem Einsprüche und der künstlerischen Eigen-
art Albin Müllers. Bei dieser Gelegenheit kann ich
nicht umhin, einen kritischen Einwand gegen das
Trauzimmer zu erwähnen, der seinen Weg in die
 
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