Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

DOI Artikel:
Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0095

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

87

ständnis für Kunst auf mannigfache Weise zu fördern.
Jünger als dieser Künstler siedelte der Straßburger Leo
Hornecher nach Vollendung seiner Studien in München und
Paris sich in seiner Vaterstadt an und wußte sich mit seiner
Bildniskunst die Gunst seiner Landsleute zu erwerben.
Annähernd zur gleichen Zeit mit Hornecker trafen einige
andere Elsässer Künstler in Straßburg ein, so daß von nun
ab eine kleine Künstlerkolonie beisammen war. Nennen
wir zunächst Carl Spindler, auf den wir als einen führenden
reichsländischen Kunstgewerbe noch zurückkommen
werden, dann Ouslav Stoskopf, der — gleichfalls Maler —
für das reichsländische Kunstleben dadurch so bedeutsam
wurde, daß er unermüdlich für den Zusammenschluß der
Künstler untereinander wie für die Fühlung zwischen
Künstlern und Kunstfreunden arbeitete. Auch von ihm
wird in anderem Zusammenhange noch die Rede sein.
Ferner schloß sich Joseph Sattler, der nachmals als Zeichner
zu so hohem Ansehen gelangte, dem kleinen Kreise an;
wiewohl von Geburt kein Elsässer, hat er im Elsaß seine
künstlerische Heimat gefunden, in welche er nach einem
langjährigen Aufenthalt in Berlin seit zwei Jahren wieder
zurückgekehrt ist. Auch der Straßburger Bildhauer Alfred
Marzolff gehörte in diesen Kreis, dem jetzt beschieden ist,
nach jahrelanger, langsam vorrückender Arbeit ein regeres
Kunstleben in Straßburg und dem ganzen Reichsland er-
stehen zu sehen.

In diese Zeit fällt auch die Errichtung einer städtischen
Kunstgewerbeschule zu Straßburg, deren Wirken hier im
Zusammenhang mit dem elsässischen Kunstgewerbe nicht
übersehen werden darf. Diese Schule, deren Leitung seit
Anfang in den Händen von Professor Anton Seder liegt,
hat es sich angelegen sein lassen, den Handwerken der
verschiedenen Gebiete, insonderheit der Schreinerei,
Schlosserei, Goldschmiedekunst und der Töpferei eine ver-
tiefte Kenntnis materialgerechter Behandlung zu bieten, und
die technische Seite der Handwerke, sehr zu deren Nutzen,
kräftig zu betonen. Auch für eine gründlichere Vorbildung
der Zeichenlehrer im Lande hat die Straßburger Kunst-
gewerbeschule höchst Ersprießliches geleistet. Im übrigen
wollte es ein sonderbarer Zufall, daß diese Anstalt an den
Erfolgen des modernen Kunstgewerbes im Reichslande
bislang nur wenig Anteil hatte. Unter den zweifellos
zahlreichen Talenten, welche hier ihre Ausbildung fanden,
sind bisher nur verschwindend wenige dem Kunstgewerbe
treu geblieben. Dagegen ist es ein Beweis für die Tüchtig-
keit der Straßburger Schule, daß aus ihr mehrere erfolg-
reiche jüngere Mitglieder der reichsländischen Künstler-
schaft hervorgegangen sind. Hier sei im Vorbeigehen der
Verdienste gedacht, welche die an der Anstalt tätigen
Künstler durch ihre Lehrtätigkeit erworben haben. Es sind
dies in erster Linie die Maler C. Jordan und G. Daubner,
sowie der Bildhauer A. Muschweck.

Doch ist hier, wo es sich vornehmlich um das Kunst-
gewerbe handelt, nicht der Ort, auf die seit jener Zeit er-
freulich angewachsene Zahl tüchtiger Künstler näher ein-
zugehen, welche in Elsaß-Lothringen und besonders in
Straßburg, Metz und Colmar der Ausübung ihrer Kunst
leben.

Von der künstlerischen Bewegung im Reichsland zweigte
sich bald, wenn auch wohl etwas später als in manchen
anderen Teilen Deutschlands, das Kunstgewerbe ab. Der
erste Künstler, der dies zielbewußt tat, und mit wachsendem
Erfolge künstlerische Marketerien hervorbrachte, Möbel
entwarf, Applikationsstickereien zeichnete und sich durch
so vielseitige Arbeit an die Spitze des elsässischen Kunst-
gewerbes stellte, war Carl Spindler. Ursprünglich Maler,
wandte er sich der modernen Intarsiatechnik zu, wie die-
selbe auch durch E. Galle und Majorelle in Nancy erfolg-

reich in den Dienst des modernen Kunstgewerbes gestellt
worden war. Spindler verstand es, diese Technik in
persönlicher Weise weiterzubilden. Zunächst schon da-
durch, daß er eine nicht geringfügige Verführung des
Materials ausschaltete, indem er seine Hölzer nicht färbte.
Er ist dadurch für den ganzen Umkreis seiner Darstellungen
auf die vergleichsweise einfache Skala der natürlichen Holz-
farbe beschränkt, doch verleiht eben diese Beschränkung
seinen Intarsien den Reiz besonderer Materialgerechtigkeit,
verleiht ihnen eine Art von Stil. Wenn ich Spindler den
führenden reichsländischen Kunstgewerbler nenne, so ge-
schieht es, weil er es war, der durch Beschickung großer
internationaler und nationaler Ausstellungen (Paris 1900,
St. Louis 1904, Dresden 1906) das Kunstgewerbe der Reichs-
lande mit dem deutschen .und ausländischen Kunstgewerbe
in einen erfolgreichen Wettbewerb treten ließ. Sein Vor-
gang hat dadurch auf die elsaß-lothringische Kunstgewerbe-
Produktion höchst anregend gewirkt, und sein künstlerisches
Ansehen war bald stark genug, um ihn zu einem Vor-
kämpfer der kunstgewerblichen Bewegung im Lande zu
machen.

Der Einfluß des modernen Kunstempfindens hat sich
in Elsaß-Lothringen auch bereits als kräftig genug erwiesen,
daß große Fabrikbetriebe einen Teil ihrer Produktionskraft
in den Dienst des Kunstgewerbes stellen. Hier seien vor-
züglich zwei Großbetriebe genannt, welche neben der Be-
schaffung der tagtäglichen Gebrauchsgegenstände ihre Er-
zeugnisse mehr und mehr den Forderungen des modernen
Kunstgeschmackes anpassen. So die Porzellan- und Fayence-
Fabrik Utzschneider & Cie. in Saargemünd. Die Geschirre
dieser Fabrik sind weit über die Grenzen des Produktions-
landes hinaus verbreitet; weniger bekannt sind, so sehr sie
es verdienten, die im engeren Sinn kunstgewerblichen
Leistungen der Fabrik. Hierher rechne ich einige Service,
welche in Dekor und Fabrikationsart sich eng an die ein-
heimische Bauernkunst anschließen; große Blumen von
derber Zeichnung und Farbe, aber trotzdem oder gerade
deshalb von guter einheitlicher Gesamtwirkung. Ferner
ließ die Fabrik vor einigen Jahren ein Tafelservice mit
typisch elsässischen Dorf- und Bauernbildern nach Zeich-
nungen des unterelsässischen Malers H. Loux erscheinen.
Manche von den Bildern auf diesen Tellern und Platten
sind so charakteristisch elsässisch, daß zu ihrem Lobe
weiter nichts gesagt zu werden braucht. Sie spiegeln die
Persönlichkeit des Künstlers, der sie hervorbrachte, und
den Charakter des Landes, dem sie entstammen, das ist
es, was dies Service wertvoll macht. Ferner nennen wir
die Kristallfabrik von St. Louis (Lothringen), mit Baccarat
die größte der Welt. Bereits im Jahre 1767 gegründet,
hat diese Fabrik das Verdienst, als erste auf dem euro-
päischen Festland Kristall hergestellt und dadurch diesen
Fabrikationszweig eingeführt zu haben. Die Fabrik be-
schäftigt zurzeit über 2000 Arbeiter und nimmt infolge-
dessen schon als Betrieb von solcher Ausdehnung im
Industrieleben der Reichslande eine wichtige Stellung ein.
Die retrospektive Sammlung der besten Erzeugnisse, welche
die Fabrik während ihres langen Bestehens hervorgebracht
hat, ist durch ihre Vollständigkeit für die Geschichte der
europäischen Kristallfabrikation von großer Wichtigkeit und
bezeugt, wie die Fabrik inmitten der vielen verschiedenen
Moden, die an ihr vorübergegangen, jeweils bestrebt war,
den Besten ihrer Zeit genug zu tun.

Auch Kunstgläser, diese wertvollen Einzelobjekte einer
raffinierten Technik, welche dem Geschmack des Urhebers
genug Spielraum läßt, um den Namen der »Kunst« zu ver-
dienen, werden im Reichsland hervorgebracht. D. Christian
in Meisenthal (Lothringen), der eine Zeitlang mit dem nach-
mals so bekannt gewordenen Galle aus Nancy zusammen
 
Annotationen