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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Ausstellung badischer Volkskunst in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0013

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NEUE ARBEITEN VON ALBIN MÜLLER IN DARMSTADT



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B

ALBIN MÜLLER, SCHLAFZIMMER

AUSSTELLUNG KELLER & REINER, BERLIN

einer kleinen Wohnstube aus Rippoldsried bei Grafen-
hausen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind auf
die Felder der Wandtäfelung Nischen mit reicher Barock-
umrahmung und in diese verschnörkelte Vasen mit natura-
listischen Blumensträußen gemalt, ähnlich auf die Decken-
felder flache Bildtafeln mit Gartenblumenzweigen, von dem
Dorfkünstler flott und frisch hingesetzt. Dasselbe gilt von
den naiven landschaftlichen Darstellungen im oberen Wand-
friese einer Stube aus Bachheim aus dem 18. Jahrhundert.
Die Küche und Uhrmacherwerkstätte enthalten noch die
vollständige alte Einrichtung. □
□ Die ländliche Handwerkerkunst, welche seit dem frühen
Mittelalter aus der Bauernkunst hervorgewachsen ist und
sie erweitert und ergänzt hat, ist vertreten durch zahlreiche
Möbel, Spinnräder und Uhren, Töpfereien, Zinngeschirre
und Gläser, Grabkreuze und Wirtsschilder, Zunftladen,
Zunftzeichen und viele andere Geräte und Bedarfformen
.des täglichen Lebens. Nicht alles kann schlechthin vor-
bildlich sein; auch einzelne geringere Werke haben sich
eingefunden, da nicht jedes zur Ausstellung gegebene Stück
vorher in Augenschein genommen werden konnte. Wer aber
mit offenem Sinn diesen durchweg mit Fleiß und Hingebung
geschaffenen Werken gegenübertritt, wird viele Beispiele
praktischer Geschicklichkeit und des guten Geschmacks
unserer Dorfhandwerker finden. □
□ Die schwierige Aufgabe der Anordnung einer so großen
Menge von Einzelgegenständen ist so gelöst worden, daß
dieselben teils inhaltlich zusammengestellt wurden, wie die

Uhren, Grabkreuze, Trachten usw., oder es sind örtliche
Gruppen gebildet, welche die Erzeugnisse einzelner Ge-
biete zusammenfassen und vor dem Auge anziehende
Bilder vergangenen Lebens unserer Vorfahren vom Boden-
see bis an den Main erstehen lassen. Dabei bemerkt man,
daß im Gegensatz zum badischen Oberland die Rheinebene
und das ganze Unterland auch in früheren Zeiten ver-
hältnismäßig arm waren an Erzeugnissen der Volkskunst.
Diese verkehrsreichen Gebiete standen stets unter dem
allzu mächtigen Einflüsse der städtischen Kultur und Kunst.
□ Den bestimmenden Eindruck der letztgenannten Gruppen
geben die Möbel, insbesondere die Schränke, Himmelbett-
laden, Wiegen und Truhen. Man kann zwei Haupt-
gruppen unterscheiden: in den oberen Landesgegenden
und besonders auf dem Schwarzwald, wo vorzugsweise
Tannenholz zur Verfügung steht, überwiegen die einfachen
bäuerlichen Formen mit mehr oder weniger bunter Be-
malung, die sogenannten Kistenmöbel. In der Rheinebene
und im Odenwald sind sie infolge des eben erwähnten
Einflusses reicher gegliedert, sozusagen architektonischer
gestaltet, dabei die Ornamente in einer Art Kerbschnitt-
technik aus der Hartholzfläche herausgehoben, oder einzelne
bedeutsame Punkte durch hervortretende, spärliche Schnitze-
reien ausgezeichnet. Der Schmuck ist meist der heimischen
Pflanzenwelt entnommen, wo die Lieblingsblumen des
Landbewohners, die Rosen, Nelken, Tulpen usw. in natura-
listischer Auffassung überaus häufig Vorkommen, denen
sich aber auch, besonders im 18. Jahrhundert, vielfach
 
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