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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Schur, Ernst: China und Japan
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Otto, Karl Heinrich: Die Zukunft des Kunstgewerbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0113

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106

DIE ZUKUNFT DES KUNSTGEWERBES

Im Gegenteil, er ist sichtlich bemüht gewesen, alle Unklar-
heiten und vage Annahmen abzuweisen und nur das histo-
risch zuverlässige Material zu berücksichtigen. Daß dies
so spärlich ist und daß dann Kombinationen und Mut-
maßungen einsetzen müssen, ist durch den Stoff gefordert
und begründet. Jedenfalls wird man bei weiteren Studien
von diesem Werk ausgehen müssen. Deutsche Forschung
muß sich auf diesem Gebiet erst seine Literatur schaffen.
□ Aber wo sind die Originale, auf die sich der Forscher
und Freund der Kunst stützen kann? China ist auch in
seinem Unglück ein monumentales Land. Ununterbrochene
Unruhen fegten über China hin, seit Anbeginn der Ge-
schichte. Dynastienwechsel auf Dynastienwechsel, wo wir
starres Gleichbleiben und ewige Konvention dekretieren
wollen und solche frühreife Erkenntnis dem aufhorchenden
Jünger vermitteln. □
□ Wen packt nicht ein Schmerz, wenn er hört, daß ein
besonders kunstsinniger Kaiser sich eine so große Samm-

lung der kostbarsten Gemälde aus der Frühzeit des Mittel-
alters anlegte, daß der Katalog allein über dreißig Bände
umfaßte und daß dann irgendwelche unzivilisierte Horden
kamen und alles vernichteten? Gerade diese Zeit ist uns
die wertvollste; ihre Werke geben die feinsten Genüsse.
Aber werden wir da überhaupt noch auf Entdeckungen
hoffen können? Und wenn, wird Deutschland etwas da-
von erhalten? Fast scheint das ausgeschlossen, denn
diese Werke sind selbst in China so selten, daß sie ehr-
fürchtig und mit heiliger Scheu betrachtet werden. Aber
aller Voraussicht nach gibt es solche Entdeckungen gar nicht
mehr. Die heiligen Stätten, die Sammler, die Tempel, die
kaiserlichen Schatzhäuser bewahren alles, was noch aus
der Vergangenheit erhalten ist und bewahren es mit eifer-
süchtigen Augen. Nur selten sind diese Schätze zugänglich
und der Fremde, dem ein flüchtiger Besuch verstattet wird,
sieht nur den schönen Schein der Dinge. n
ERNST SCHUR.

DIE ZUKUNFT DES KUNSTGEWERBES
Von Karl Heinrich Otto

EINE Zukunftsfrage, gleich auf welchem Gebiete oder
für welchen Stand, kann nur aus Vergangenheit und
Gegenwart heraus beleuchtet und besprochen werden.
Wir sind oft gar zu gern geneigt, Zukünftiges von
allem loszulösen, es als etwas zu denken, das ganz un-
vermittelt, überraschend auf uns einstürmen, uns bedrängen
oder befreien wird. Es nimmt alles seinen natürlichen
Lauf; auch die Zukunft wird mal Gegenwart und die
Gegenwart mal Vergangenheit; und wir ersehen schon bei
Vorwegnahme einer kleinen Zeitspanne, bei einer Anleihe
an die Zukunft, daß sie ohne Rückhalt nicht genommen,
ohne einen Gegenwartswechsel auf Ziel nicht gedeckt
werden kann. Wer in solchen Fragen, die, wie wir sehen
werden, von einer ganzen Menge anderer aktueller Fragen
abhängig sind, nur durch rosig gefärbte Gläser sieht, der
wird sehr bald zur Starbrille greifen müssen, um die Dinge
nicht mit sich durchgehen zu lassen. Sehr viele prophe-
tische Sprünge ins Ungewisse haben, wie bei der Echter-
nacher Sprungprozession, den Rücksprung machen müssen,
um leidliche Fühlung mit der Gegenwart zu behalten. Alle
zurzeit noch führenden Kräfte innerhalb unseres Themas
waren auch anfänglich etwas sehr gegenwartsflüchtig und
damit zukunftseinsam; sie verloren die lebenswarme Fühlung
selbst bei der mehr als willigen kleinen Gefolgschaft. Es
waren Vorposten ohne Rückendeckung, und wir wissen,
daß sie nur wenige Angriffe erfolgreich abzuschlagen ver-
mochten. Sie mußten schließlich auf das »große Sammeln
hin Halt machen«, um nicht ganz abgeschnitten zu werden.
Schon heute, da wir noch kaum eine Geschichte der mo-
dernen Entwickelung schreiben können, haben wir doch
immerhin so viel Klärung, daß sehr viele Fehler erkannt
und zum Teil verbessert werden konnten. Das Variete-
und Spezialistentheater für Feinschmecker lenkte wieder
mehr zur Volksbühne, den Brettern, die die Welt bedeuten,
über. Ein wirkliches Kunstgewerbe kann eben nur von
Grund auf wachsen, es kann nicht so ohne weiteres
Handel und Wandel, Produktion, Angebot und Verbrauch
von hergebrachten Bahnen abdrängen und in neue Geleise
zwängen ohne brauchbare, erprobte Ubergangsweichen;
sonst gibt’s immer den berühmten Kladderadatsch. Solchen

können wir nirgends gebrauchen, denn dadurch wird jeg-
liche Entwickelung um Jahre zurückgestellt. □
□ Heute, wo das Kunstgewerbe zu einem Streitobjekt
ganzer Parteien und Richtungen, des Erwerbs- und Bildungs-
wesens, ja auch zu einem Angelpunkt zwischen Handwerk
und Industrie und Künstler und Kaufmann geworden ist,
besteht die Forderung, Zukünftiges nur aus Vergangenheit
und Gegenwart heraus vorzubereiten und zu lösen, mehr
denn je zu Recht. Es sind nicht einseitige Bildungsfragen,
um die es sich dabei handelt; es sind Fragen wirtschaft-
licher, sozialer und kultureller Natur, tiefeinschneidende
Lebensfragen von allgemeiner Bedeutung. Man kann heute
nicht so ohne weiteres und nicht ohne die allerschwersten
Folgen befürchten zu müssen: eine Produktionsäußerung,
ein Absatzgebiet oder ein kulturelles Bedürfnis ausschalten.
Gerade Kunst und Kunstgewerbe bedürfen eines sehr gut
gesicherten Unterbaues, einer materiellen Wohlfahrt, eines
wirtschaftlichen Überschusses und einer nicht nur ober-
flächlichen Gesittung und Gesinnung. Die Geschichte
bietet uns gerade dafür vortreffliche Anhaltspunkte. Solche
Zustände können aber wirklich nicht durch einseitige Maß-
nahmen der an der Lösung am meisten interessierten
Stände und Berufe geschaffen werden; es kann hier immer
nur Teilarbeit geleistet werden; Teilarbeit für wirtschaft-
liche Hebung, Teilarbeit für Standeshebung, für Berufs-
veredelung, Leistungssteigerung und dergleichen mehr, und
zwar nur beschränkt auf kleine Kreise. Alle Kongresse
und Verbandstagungen bestätigen das, obgleich die Arbeit
nur innerhalb eines verhältnismäßig kleinen Organismus
zu vollziehen ist, dem gegenüber das Leben selbst wie die
Riesensumme vieler Organismen und Mechanismen steht.
Also ein kleines Konkretum einem gewaltigen Unberechen-
baren und Unbeugbaren gegenüber, dem im großen ganzen
nur mit Witz und List beizukommen ist. Unsere vielen
Interessenverbände mit unzählbaren Sonderbestrebungen
beweisen das ja. □
□ Leuchtet man einmal in die Dinge hinein und über-
sieht dabei die vereinzelten Glanzlichter, so wird man ge-
wahr, wie viel Unzulänglichkeiten sich hinter ihrer Er-
scheinung verbergen. Wir haben es fühlbar erlebt, daß
 
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