Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

DOI Artikel:
Schur, Ernst: China und Japan
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0112

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHINA UND JAPAN

105

Aber das eigentlich künstlerische, neue Interesse beginnt
sich China zuzuwenden, das das geistige Stammland der
ostasiatischen Kulturen ist. Hier harren unser noch Über-
raschungen und Offenbarungen und Japan verblaßt daneben.
Die Japaner erscheinen daneben als ein praktisches Volk,
das mit glücklichem Instinkt manches übernahm. Die Quel-
len weisen nach China, und während uns in Japan das
Kunstgewerbe fesselt, treten wir in China der großen,
hohen Kunst gegenüber. □
□ Größere Privatsammlungen haben dieser Wandlung schon
Rechnung getragen. Vor allem ist da die Sammlung Fischer
zu nennen, die nun als asiatisches Museum nach Köln
kommt. Die Gründung eines ostasiatischen Museums in
Berlin, dem alle Kunstfreunde mit Spannung entgegensehen,
bedeutet eine weitere Etappe auf diesem Wege, der uns
nicht nur zu einer Erweiterung unserer Kenntnisse führt,
sondern uns vor allem — und das ist das Lebendige —
neue ästhetische Genüsse seltenster Art vermitteln wird.
Die Kunstgeschichten werden sich anschicken müssen, Asien
einen bei weitem größeren Raum zu gewähren als bisher.
□ Vor zwei Jahren veranstaltete die Akademie zu Berlin
die Ausstellung einer großen Anzahl chinesischer Gemälde,
die zum erstenmal in Deutschland einen Einblick in die hohe
Kunst Chinas gestattete. Mit Staunen nahm man die Reife
und Schönheit dieser Werke wahr, die auf einer solchen
Höhe standen, daß keine historische Brücke zum Verständ-
nis des Künstlerischen nötig war. Diese Werke wirkten
unmittelbar; sie standen über der Zeit. Die Frage der Echt-
heit soll hier, nicht berührt werden. England ist uns, auch
was die Forschung anlangt, vorangegangen. Die Werke,
die uns in Spezialstudien in dieses Neuland einführen wollen,
tragen die Namen englischer Forscher. So war es auch
bei Japan seinerzeit der Fall. o
o Leider ist der Vorrat an Originalen selbst in China sehr
spärlich. In diesem Zusammenhang ist von den Kopien
zu sprechen, die die Japaner anfertigten und auf die wir
vielfach angewiesen sind. Sie sind oft der einzige Rest,
der erhalten ist und der uns eine Vorstellung von der Art
der chinesischen Malerei geben kann. Sie sind aber auch
Meisterwerke. Nicht Kopien in unserem Sinne, sondern
Schöpfungen, die gewissermaßen das Original ersetzen.
Die Japaner zeigen dadurch, wie hoch sie die Werke schätz-
ten. ln China wie in Japan fertigte man mit großem Fleiße
solche Kopien an; selbst große, anerkannte Künstler scheu-
ten sich nicht, Jahre auf ein solches Studium zu verwenden,
und ihr Ehrgeiz war, ein Werk zu schaffen, das dem Ori-
ginal ganz gleichwertig war. Diesen besonderen Begriff
einer Kopie muß man für China immer festhalten; unsere
Kenntnis ist zudem fast ganz auf sie angewiesen; damit
muß man rechnen. □
□ Viele andere Besonderheiten gibt es noch; so vor allem
die Perspektive, an die sich der Europäer schwer gewöhnen
kann. Aber längere Betrachtung erzieht auch hier zum
Verständnis, ja zum Genuß. Wie man früh-deutsche Bilder
genießt, trotzdem ihnen eine fremdartig-primitive Note
eigen ist, so entdeckt man auch hier eine Stilisierung, die
unserem realistischen Empfinden gerade in ihrer Fremdheit
ein hohes Kunstniveau dokumentiert. Neuerdings hat
Prof. Münsterberg eine chinesische Kunstgeschichte zu
schreiben unternommen (bei Schreiber, Eßlingen). Man
wird dieses Werk von Münsterberg, das zum erstenmal in
Deutschland eine Orientierung zu geben unternimmt und
das instruktiv und reichhaltig illustriert ist, mit Freuden be-
grüßen und es als gründliche Materialsammlung schätzen.
Es ist ein Anfang auf dem Wege, den wir in China noch
zu gehen haben. Manches ist noch unbewiesen und bedarf
der Aufklärung und Begründung. Das liegt aber in der
Sache; dem Autor kann es nicht zur Last gelegt werden.



Tiir eines Patrizierhauses in Lübeck. 18. Jahrhundert

Haustür einer modernen Villa in Breslau
 
Annotationen