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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Ausstellung badischer Volkskunst in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0015

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NEUE ARBEITEN VON ALBIN MÜLLER IN DARMSTADT

liegende menschliche Figur, Delphin usw. ausgeführt.
Ein Seitenstück dazu bilden die derben Kleienkotzer
(Mühlenköpfe) vom Oberland, welche oft recht lebendig
den entsprechenden Naturvorgang andeuten. Fast iiber-
zierliche Schnitzereien zeigen dagegen die Modelle für
Lebkuchenbäckerei aus Wertheim und anderen Gegenden,
von den Bäckern oft selbst gefertigt. □
□ Alte Bauerntöpfereien findet man in allen Gruppen der
Ausstellung, ein Beweis dafür, daß die volkstümliche
Töpferei, dank den
überall vorkommen-
den guten Tonlagern,
recht verbreitet war.
Manche haben ausge-
sprochene1 Eigenart,
wie die Erzeugnisse
verschiedener Hafner-
werkstätten des
Schwarzwaldes oder
die Spruchschüsseln
vonSonderrieth(Wert-
heim), andere erschei-
nen in den altherge-
brachten und auch
sonst überall vorkom-
menden Formen. □
d Einen Glanzpunkt
der Ausstellung bilden
die alten Durlacher
Fayencen, Erzeug-
nisse der von 1723 —
1840 daselbst bestan-
denen Fabrik. Obwohl
wegen ihrer Zinn-
glasur und Maltechnik
eigentlich zu den
Kunsttöpfereien ge-
hörig, sind sie doch in
ihrer einfachen Form-
gebung und volks-
tümlichen Bemalung
so sehr den Bedürf-
nissen und dem Ge-
schmack des kleinen
Mannes und der enge-
ren Heimat angepaßt,
daß sie in einer badi-
schen Volkskunstaus-
stellung nicht fehlen
dürfen. Es sind meist
Weinkrüge undTeller,
die auf Bestellung als
Neujahrs- oder Hoch-
zeitsgeschenke ange-
fertigt wurden, mit
dem Namen und
Standeszeichen oder
der Darstellung des Beschenkten bei seiner Arbeit, um-
geben von einer Rokokokartusche oder einem Kranz,
daneben mit Sinnsprüchen, bunten Blumensträußen oder
Streublümchen geschmückt. Verwandt mit diesen sind
die in kleineren Zusammenstellungen vorhandenen Mos-
bacher Fayencen, welche jedoch größeren Formenreichtum,
dafür aber nicht die treuherzigen Darstellungen aufweisen,
welche den Durlacher Fayencen ihren besonderen Reiz
verleihen. □
o Auf dem Schwarzwald war die Glasmacherei seit uralter
Zeit heimisch, wegen verschiedener Ursachen ist sie jedoch

gegen Ende des vorigen Jahrhunderts eingestellt worden.
Von ihren Erzeugnissen ist eine größere Sammlung von
Gebrauchs- und Ziergläsern ausgestellt, letztere farbig be-
malt oder geschliffen, unter ihnen die oft eigenartig ge-
formten Hochzeitsgläser bemerkenswert. Dort wurden im
18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch
zahlreiche Unterglasmalereien erstellt, meist Heiligenbilder
zur Ausschmückung des Herrgottswinkels in der Bauern-
stube , Weihebilder für Kirchen und Kapellen, sowie
Bildnisse für Wand-
schmuck; zu den letz-
ten Erzeugnissen die-
ser auf niedriger Stufe
gebliebenen Kunst-
iibung, die in der
Mitte des vorigen Jahr-
hunderts ganz einge-
gangen ist, gehören
in der ausgestellten
Sammlung mehrere
Bildnisse des jugend-
lichen Großherzogs
Friedrich I. und der
Großherzogin Luise.
— Ein wichtiger Zweig
der alten badischen
Volkskunst war die
bäuerliche Uhrmache-
rei auf dem Schwarz-
wald, die dann be-
kanntlich in der zwei-
ten Hälfte des ver-
gangenen Jahrhun-
derts zum modernen
Fabrikbetrieb überge-
gangen und Weltindu-
strie geworden ist. Sie
ist mit charakteristi-
schen Stücken von
1700 bis 1850 vertreten,
von der einfachsten
Holzuhr bis zur kunst-
reich zusammenge-
setzten Spieluhr. n
□ Daß das Zinnge-
schirr in den vergan-
genen Jahrhunderten
auch in unseren
Bauernhäusern über-
all Verbreitung ge-
funden hat, erkennt
man an den größeren
und kleineren Samm-
lungen aus allen Ge-
genden des Landes;
als markantestes Stück
dieses alten Bauern-
zinns ist ein prismatischer oder runder Weinkrug mit ein-
schraubbarem Deckel und darüberaufragendem rundem Griff-
henkel zu bezeichnen, oft mit geometrischen oder Pflanzen-
ornament geschmückt, dessen Umrisse punkt- oder linienartig
eingegraben sind. Häufig sind auch Humpen und Kannen,
letztere oft mit gewundenen Rippen versehen, namentlich aber
Schüsseln und Teller. Das Zinn ist im vorigen Jahrhundert
durch die billigeren Töpfereien allmählig verdrängt worden.
□ Zu den anziehendsten Werken der alten Volkskunst
gehören die schmiedeeisernen Grabkreuze, die wahrschein-
lich erst vom 16. Jahrhundert an in Süddeutschland Ver-
 
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