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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Sprechsaal für die Leser / Neue Bücher / Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0105

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NEUE BÜCHER

des deutschen Buchgewerbevereins in Leipzig, Dr. Ludwig
Volkmann, genannt. Er hat sich auf allen Spezialgebieten
tüchtige und beste Mitarbeiter geholt. Dr. Paul Klemm
hat das Kapitel »Papier« geschrieben. Er behandelt die
einzelnen Fabrikationszweige getrennt und bespricht die
Papiere für den Werkdruck, Kunstdruck, Akzidenzdruck
und die Buchbinderpapiere. Die Behandlung des Papieres
folgt und dann das schwierige Thema des Papier-Einkaufes.
Sind wir mit der Papierfabrikation auch noch nicht ganz
auf der Höhe, die von der sehr gesteigerten Qualität der
Druckmittel erfordert wird, so ist ein großer Fortschritt,
der zu den besten Erwartungen berechtigt, doch nicht zu
verkennen. Die Schrift und den Schriftguß behandelt
Friedrich Bauer eingehend. Er schilderte, z. B. in einem
Vergleich einer in Druckschrift geschriebenen Seite mit
einer in derselben Schrift gedruckten Seite die vielen
ästhetischen und praktischen Forderungen, die man an
eine gute Schrift zu stellen habe. Mit Genugtuung liest
man, daß Bauer auf ganz neuzeitlichem Boden steht und
sich mit unseren besten Schriftkünstlern wie König, Behrens
und anderen einig zeigt, daß die Drucktype sich aus dem
Federstrich entwickelt habe und es auch ferner tun muß;
daneben schildert er auch, wie andere Künstler z. B Lang
und Grimm-Sachsenberg traditionslos sich zur Pinselschrift
bekennen. Neben diesen, im Grunde doch freischaffenden
Künstlern gibt es andere, die einen vorhandenen Schrift-
charakter »ausgestalten wollen«. Das moderne Gewissen
dürfte diese Kopisten eigentlich nur vom technischen Ge-
sichtspunkt aus gelten lassen, indem sie etwa für einen
kleineren Schriftgrad eine Schriftart schlanker gestalten.
Bauer hält eine Wiederbelebung der Fraktur durch Neu-
schnitt für möglich. Mancher Leser wird dabei den Kopf
schütteln. Das hindert aber nicht, daß man den folgenden
technischen Darstellungen über alle Einzelheiten, wie den
Stempelschnitt, die Matrize, das Gießen, mit größtem In-
teresse folgt, da sie klar geschrieben und von ausgezeich-
neten Illustrationen erläutert sind. Die sich hier anschließen-
den Schriftproben ergaben ein nahezu erschöpfendes Bild
unserer im Gebrauch befindlichen Schriften. Ein Meister
des modernen Buchdrucks, Carl Ernst Poeschel, war der
geeignete Mann, um über -»Zeitgemäße Satzgestaltung« zu
schreiben. Er hat Haare auf den Zähnen und gibt seine
Ansichten in Form von Kritiken, die er den geschickt ge-
wählten Beispielen und Gegenbeispielen beifügt. Seine
Beweisführung ist schlagend und sehr amüsant und sie
kann, in all ihrer Kürze den bedürftigen Leser ein gut
Stück weiter bringen. (Aber, mancher lernts nie, und der
gehört zu den Minderbegabten. Es ist komisch, wieviel
Leute partout Akzidenzsetzer sein wollen; sie sind nicht
davon abzubringen.) Ausführlich ist das Wesen und der
materielle Vorzug des Maschinensatzes von Otto Säuberlich
geschildert. Das Kapitel »Die Stereotypie«, hat der Vater
der Stereotypie, Carl Kempe, übernommen, doch ist er
leider darüber gestorben und hat nur zwei Manuskriptseiten
hinterlassen. Hermann Kempe hat die angefangenen Ge-
danken in seinem Sinne zu Ende gebracht. Es folgen Ab-
handlungen über Galvanoplastik von Georg Fritz, Schnell-
pressenbau von Dr. ing. Aug. König. Erstaunliche Er-
findungen! ln einer vollständig bänderlosen doppelbreiten
Vierrollen-Rotations-Druckmaschine druckt man eine 64
seitige Zeitung, die unten gefalzt herausfällt. Oder eine
fünffarbige Zeitschrift läuft in einem Weg durch die Maschine
und wird gefalzt und geheftet ausgespieen. Manche dieser
Maschinen sind nicht nur in ihrer zwangsläufigen Zweck-
gerechtigkeit, sondern auch in ihrer symmetrischen An-
ordnung vielartiger Funktionszentren wahre kunstgewerb-
liche Meisterstücke. A. Niethammer besprach die Druck-

farbe sorgfältig und seine Ausführungen sind durch zum
Teil vollendete Druckproben belegt. Es folgen Kapitel
über den Buchdruck von Friedrich Bauer, den Illustrations-
druck von Eugen Mahlau, den Dreifarbendruck von Her-
mann Förster (bekanntlich eine der ersten Autoritäten auf
diesem Gebiete), die Reliefzurichtung für den Illustrations-
druck (die »Majorsecke« der Kunstdruckereien! In den
meisten Druckereien befindet sich ein geheiligter Raum,
den »noch kein Mensch betrat«, und in dem, wie man sich
flüsternd erzählt, der beste Angestellte des Hauses gerade
eben die allein seligmachende Zauber-Kunstzurichtung
erfindet) von Schwärzier. Die kartographische Repro-
duktionstechnik, beschrieben von Eduard Wagner, ist wohl
der letzte Druckzweig, in dem sich die direkten Verfahren
(Lithographie usw.) noch erfolgreich in künstlerischem Sinne
gegen die photomechanischen Methoden behaupten. Der
Musikaliendruck (Otto Säuberlich) wird noch beinahe genau
so gehandhabt, wie seit alter Zeit, nur, daß die Phono-
graphen und dergleichen viele Notenstecher brotlos ge-
macht haben. Sehr wichtig für das moderne Buch sind
die photomechanischen Reproduktionsverfahren, Hochdruck,
Tiefdruck, Flachdruck; Dr. E. Goldberg führt den Leser
sicher und klar durch das Gewirre der vielfältigen Metho-
den. Dr. Albert, der unermüdliche Erfinder, beschreibt
den Albert-Prozeß, der sich die Aufgabe stellt, die Zer-
legung der Tonwerte eines Originals, die bisher im photo-
graphischen Negativprozeß erfolgte, in den Kopierakt zu
verlegen. Die Tonbildung wird eine korrektere und er-
möglicht eine sehr treue Wiedergabe des stofflichen
Charakters der Bildvorlagen. Carl Sonntag gibt einen
Abriß der Geschichte der Buchbinderkunst. Diese Kunst
ist im Maschinen-Zeitalter ziemlich ruiniert worden. Etwas
gewaltsam schnell mußten die Maschinen für Buchbinder-
zwecke erfunden werden, damit die Buchbinder mit der
mächtig anschwellenden Hochflut der Druckerzeugnisse
fertig werden konnten. Leider wurden in dieser Hast die
maschinellen Hilfsmittel auf alle und jeden Einband an-
gewendet und die Folge davon war, daß das Kunstgewerb-
liche der Buchbinderei ganz vernachlässigt wurde. Aber
manche der für einen guten Einband notwendigen Ver-
richtungen lassen sich schlechterdings nicht durch Maschinen
ausführen; so sind, nachdem die Forderungen nach Quali-
tät auch in der Buchbinderei laut geworden, manche Ver-
leger dazu zurückgekehrt, unter gewissen Bedingungen
den Handbetrieb wieder aufzunehmen. Die Forderungen
der Bücherliebhaber in Bezug auf Format usw. vertritt in
seinem Kapitel Buch und Bibliothek erfolgreich Ludwig
Petzendorfer. Zum Schluß läßt unter der Rubrik Die neue
Buchkunst Jean Loubier unsere buchgewerblich tätigen
Künstler noch einmal Revue passieren und prüft, inwieweit
der einzelne zur Befriedigung unserer ästhetischen Be-
dürfnisse beigetragen hat. Eine stattliche Reihe! Man
darf hoffen, daß ein jeder unserer trefflichen Fachleute
hier an den richtigen Mann kommen möge. Auf jeden
Fall: Leben überall. — Mit diesen kurzen Sätzen ist der
reiche Inhalt des schönen Werkes nur ganz flüchtig an-
gedeutet; möge es viele aufmerksame Leser finden, denn
es stellt eine schlechthin monumentale Monographie des
modernen Buchgewerbes dar. /? rt
□ Unter dem Titel »Kunststoffe« erscheint seit 1. Januar
dieses Jahres eine neue Zeitschrift in J. F. Lehmanns Ver-
lag in München (jährlich 24 Hefte, Bezugspreis M. 16.—),
die sich der Erzeugung und Verwendung künstlicher Stoffe
widmen und alle wissenschaftlichen, gewerblichen und
gesetzgeberischen Bestrebungen in zusammenfassender
Weise behandeln will, denen der Aufschwung der in
Betracht kommenden Industrien zu danken ist. □
 
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