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DAS BISMARCK-NATIONALDENKMAL AM RHEIN
Insel aus, gemacht. Sie nimmt die Spitze der Elisen-
höhe direkt von vorn, stellt also die Nahsicht vom
Flusse aus dar. Zum Gasthaus Elisenhof hinunter
fällt der Steinbruch berg- und felsenartig ab und gibt
der Elisenhöhe eine zugespitzte Form. Links von ihr
schichten sich die vorher erwähnten Weinberge, deren
horizontaler Ausdruck durch die in halber Berghöhe,
unter dem Steinbruch vorbeiführende Straße verstärkt
wird. Der rechts an den Steinbruch anschließende
Abhang ist bewaldet, ebenso der Bergrücken, dessen
sanfte Linien sich von beiden Seiten in einem ganz
flachen Winkel hinter der Denkmalsstelle zusammen-
schließen. Diese Ansicht läßt annehmen, daß eine
vertikale Betonung des Denkmals nicht ungünstig
wirken könnte. Die dritte Aufnahme nimmt die
Elisenhöhe ein Stück mehr flußabwärts vom Ufer aus,
schon gegen den Horizont. Die horizontale Schich-
tung der Weinberge ist mehr verschwunden; der Stein-
bruch steht ziemlich steil gegen die Luft, während
die Bergfläche rechts durch eine große Waldmasse
seinen markanten Anblick wesentlich mildert. Man
könnte hier zu dem Wunsch gelangen, das Denkmal
mehr an die Bergspitze zu verlegen und größer zu
gestalten, um es als Gegengewicht gegen die große
Waldmasse wirken zu lassen. Die vierte Aufnahme
veranschaulicht, wie sich die Fernsicht stromabwärts
immer deutlicher entwickelt. Der Bergabhang erscheint
jetzt ganz bewaldet und fällt in einem Winkel von
ungefähr 40 Grad zum Flusse ab; seine Linie bietet
sich dem Auge klar, ohne jede Überschneidung, gegen
den Horizont, verstärkt durch mehrere dem Beschauer
näher befindliche, parallel abfallende Abhänge. Ob-
wohl der Bergrücken vom Denkmalsplatz aus nach
hinten ganz flach, beinahe horizontal zurücktritt, be-
herrscht das Denkmal das ganze Landschaftsbild doch
unbedingt. Die Einzelformen einer größeren, archi-
tektonischen Anlage würden noch deutlich erkennbar
sein, das Ganze ginge jedoch schon hier in die Sil-
houette über. Eine räumlich ganz klare Gliederung
der Denkmalsmasse wird von diesem Schaubilde be-
dingt. Die fünfte Aufnahme ist sicher die wichtigste;
sie fordert direkt zum Studium heraus und ist mit
größter Überlegung darauf berechnet. (Wir führen
sie auf Seite 113 vor, erläutert durch ihren geometri-
schen Aufriß.) Diese Aufnahme ist deshalb die wich-
tigste, weil sie die stundenweit und mehrere Rhein-
windungen hindurch sich ziemlich gleichbleibende
Fernsicht darstellt, die man bei der Fahrt stromaufwärts
genießen soll. Man vergleiche die hier gegebenen
Abbildungen. Gegenüber liegt die Burg von Rüdes-
heim, dem Beschauer allerdings viel näher, aber doch
von der fernen Elisenhöhe einen Gegenwert, ein Gleich-
gewicht fordernd. Es ist nicht anders anzunehmen,
als daß die Herren des Kunstausschusses, die diese
Aufnahme veranlaßt haben, die selbe deutliche Emp-
findung hatten, denn das Gesichtsbild ist bewußt auf
diesen Eindruck berechnet. Zieht man nämlich von
dem »Dach« der Burg links (C) eine Horizontale durch
die Luft, so trifft sie bei D genau die Stelle der
Elisenhöhe, auf der das Denkmal stehen soll. Eine
horizontale Luftlinie von der Burgspitze (A) trifft bei
B die Elisenhöhe dort, wo ihr Rücken durch sich
vorschiebende Berge begrenzt wird. Errichtet man
auf E, dem Standpunkt des Photographen, eine Senk-
rechte, so erhält man in E und F die Scheitelpunkte
für gleichschenklige Winkel, die das Bild der Fern-
sicht deutlich aufschließen. Eingehendere Vergleiche
möge der Leser selbst anstellen; sie werden zu der
Überzeugung führen, daß hier der Kunstausschuß ganz
richtig empfunden hat: das Denkmal auf der Elisen-
höhe müsse in der Fernsicht der Rüdesheimer Burg
ein Gleichgewicht bieten. Ich nehme also an, daß
die Höhendifferenz der Luftlinien C—D und A—B
den Anhaltspunkt für die Z/öAe/z-Entwicklung des
Denkmals (ohne den Unterbau) in der Fernsicht bietet.
Nur ein Denkmal von dieser Höhe und klarer verti-
kaler Betonung könnte so, wie es die Wettbewerbs-
bedingungen verlangen, in der hauptsächlichen Fern-
sicht, von flußabwärts, zur Geltung kommen. o
□ Dieser Ansicht war, wie ich behaupte, der Kunst-
ausschuß, der diese Wettbewerbsbedingungen aufstellte,
von Anfang an, bis zu dem Tage, an dem die Preis-
richter, vor Beginn ihrer Detailarbeit, die Örtlichkeit
noch einmal in Augenschein nahmen. Da ließen
sich die Herren von jener ersten Nahsicht, die, wie oben
geschildert, den Bergcharakter der Elisenhöhe mindert,
allzusehr beeinflussen; sie verloren beim Anblick der
horizontalen Schichtung des Geländes im Süden den
Mut, dem Berge eine wuchtigere Anlage zuzutrauen.
Bevor also die Beurteilung der im Düsseldorfer Kunst-
palast aufgestellten Arbeiten begonnen wurde, hatte
die Majorität des Preisgerichtes den Grundsatz, es
dürfe nur ein flacheres, leicht wirkendes Denkmal in
Frage kommen, wohl schon durchgedrückt. (Während
ich dies schreibe, ist das Protokoll noch nicht er-
schienen; ich kann also nur eine, allerdings ziemlich
begründete Vermutung aussprechen.) Das war schade,
denn es sprach der Mehrzahl der Entwürfe, die sich
durch die Fernaufnahmen des Kunstausschusses hatten
beeinflussen lassen, das Todesurteil, das nur durch
eine nochmalige Ortsbesichtigung hätte revidiert werden
können. Doppelt schade, denn es befanden sich unter
der prinzipiell ausscheidenden Masse wirklich gute
Entwürfe mit Ansätzen zur Monumentalität, von der
manche preisgekrönten Arbeiten nur recht wenig zeigen.
n Der Unterschied in den Auffassungen, sowohl bei
den Preisrichtern als auch bei den konkurrierenden
Künstlern, geht tiefer. Man kann zwei Gruppen unter-
scheiden: nämlich die bürgerlich, in der Nähe emp-
findenden Süddeutschen, die sich an Details berauschen
können und schöne dekorative Einzelwerke hervor-
bringen; mit ihnen stimmen die Figurenplastiker und
Maler. Auf der anderen Seite stehen die kühler
und distanziert fühlenden Norddeutschen, die dem
Gesamteindruck gern eine, wenn auch schöne Einzel-
heit zum Opfer bringen und folgerichtig eine selb-
ständige, nicht im Wachstum des Ganzen begründete
Ornamentierung mit körperlichem Unbehagen verab-
scheuen; zu ihnen gehören die Baukünstler, die
architektonische, raumkünstlerische Verhältnisse ver-
langen. Also auf der einen Seite die Liebe für Deko-
ration als Selbstzweck, auf der anderen Seite das
DAS BISMARCK-NATIONALDENKMAL AM RHEIN
Insel aus, gemacht. Sie nimmt die Spitze der Elisen-
höhe direkt von vorn, stellt also die Nahsicht vom
Flusse aus dar. Zum Gasthaus Elisenhof hinunter
fällt der Steinbruch berg- und felsenartig ab und gibt
der Elisenhöhe eine zugespitzte Form. Links von ihr
schichten sich die vorher erwähnten Weinberge, deren
horizontaler Ausdruck durch die in halber Berghöhe,
unter dem Steinbruch vorbeiführende Straße verstärkt
wird. Der rechts an den Steinbruch anschließende
Abhang ist bewaldet, ebenso der Bergrücken, dessen
sanfte Linien sich von beiden Seiten in einem ganz
flachen Winkel hinter der Denkmalsstelle zusammen-
schließen. Diese Ansicht läßt annehmen, daß eine
vertikale Betonung des Denkmals nicht ungünstig
wirken könnte. Die dritte Aufnahme nimmt die
Elisenhöhe ein Stück mehr flußabwärts vom Ufer aus,
schon gegen den Horizont. Die horizontale Schich-
tung der Weinberge ist mehr verschwunden; der Stein-
bruch steht ziemlich steil gegen die Luft, während
die Bergfläche rechts durch eine große Waldmasse
seinen markanten Anblick wesentlich mildert. Man
könnte hier zu dem Wunsch gelangen, das Denkmal
mehr an die Bergspitze zu verlegen und größer zu
gestalten, um es als Gegengewicht gegen die große
Waldmasse wirken zu lassen. Die vierte Aufnahme
veranschaulicht, wie sich die Fernsicht stromabwärts
immer deutlicher entwickelt. Der Bergabhang erscheint
jetzt ganz bewaldet und fällt in einem Winkel von
ungefähr 40 Grad zum Flusse ab; seine Linie bietet
sich dem Auge klar, ohne jede Überschneidung, gegen
den Horizont, verstärkt durch mehrere dem Beschauer
näher befindliche, parallel abfallende Abhänge. Ob-
wohl der Bergrücken vom Denkmalsplatz aus nach
hinten ganz flach, beinahe horizontal zurücktritt, be-
herrscht das Denkmal das ganze Landschaftsbild doch
unbedingt. Die Einzelformen einer größeren, archi-
tektonischen Anlage würden noch deutlich erkennbar
sein, das Ganze ginge jedoch schon hier in die Sil-
houette über. Eine räumlich ganz klare Gliederung
der Denkmalsmasse wird von diesem Schaubilde be-
dingt. Die fünfte Aufnahme ist sicher die wichtigste;
sie fordert direkt zum Studium heraus und ist mit
größter Überlegung darauf berechnet. (Wir führen
sie auf Seite 113 vor, erläutert durch ihren geometri-
schen Aufriß.) Diese Aufnahme ist deshalb die wich-
tigste, weil sie die stundenweit und mehrere Rhein-
windungen hindurch sich ziemlich gleichbleibende
Fernsicht darstellt, die man bei der Fahrt stromaufwärts
genießen soll. Man vergleiche die hier gegebenen
Abbildungen. Gegenüber liegt die Burg von Rüdes-
heim, dem Beschauer allerdings viel näher, aber doch
von der fernen Elisenhöhe einen Gegenwert, ein Gleich-
gewicht fordernd. Es ist nicht anders anzunehmen,
als daß die Herren des Kunstausschusses, die diese
Aufnahme veranlaßt haben, die selbe deutliche Emp-
findung hatten, denn das Gesichtsbild ist bewußt auf
diesen Eindruck berechnet. Zieht man nämlich von
dem »Dach« der Burg links (C) eine Horizontale durch
die Luft, so trifft sie bei D genau die Stelle der
Elisenhöhe, auf der das Denkmal stehen soll. Eine
horizontale Luftlinie von der Burgspitze (A) trifft bei
B die Elisenhöhe dort, wo ihr Rücken durch sich
vorschiebende Berge begrenzt wird. Errichtet man
auf E, dem Standpunkt des Photographen, eine Senk-
rechte, so erhält man in E und F die Scheitelpunkte
für gleichschenklige Winkel, die das Bild der Fern-
sicht deutlich aufschließen. Eingehendere Vergleiche
möge der Leser selbst anstellen; sie werden zu der
Überzeugung führen, daß hier der Kunstausschuß ganz
richtig empfunden hat: das Denkmal auf der Elisen-
höhe müsse in der Fernsicht der Rüdesheimer Burg
ein Gleichgewicht bieten. Ich nehme also an, daß
die Höhendifferenz der Luftlinien C—D und A—B
den Anhaltspunkt für die Z/öAe/z-Entwicklung des
Denkmals (ohne den Unterbau) in der Fernsicht bietet.
Nur ein Denkmal von dieser Höhe und klarer verti-
kaler Betonung könnte so, wie es die Wettbewerbs-
bedingungen verlangen, in der hauptsächlichen Fern-
sicht, von flußabwärts, zur Geltung kommen. o
□ Dieser Ansicht war, wie ich behaupte, der Kunst-
ausschuß, der diese Wettbewerbsbedingungen aufstellte,
von Anfang an, bis zu dem Tage, an dem die Preis-
richter, vor Beginn ihrer Detailarbeit, die Örtlichkeit
noch einmal in Augenschein nahmen. Da ließen
sich die Herren von jener ersten Nahsicht, die, wie oben
geschildert, den Bergcharakter der Elisenhöhe mindert,
allzusehr beeinflussen; sie verloren beim Anblick der
horizontalen Schichtung des Geländes im Süden den
Mut, dem Berge eine wuchtigere Anlage zuzutrauen.
Bevor also die Beurteilung der im Düsseldorfer Kunst-
palast aufgestellten Arbeiten begonnen wurde, hatte
die Majorität des Preisgerichtes den Grundsatz, es
dürfe nur ein flacheres, leicht wirkendes Denkmal in
Frage kommen, wohl schon durchgedrückt. (Während
ich dies schreibe, ist das Protokoll noch nicht er-
schienen; ich kann also nur eine, allerdings ziemlich
begründete Vermutung aussprechen.) Das war schade,
denn es sprach der Mehrzahl der Entwürfe, die sich
durch die Fernaufnahmen des Kunstausschusses hatten
beeinflussen lassen, das Todesurteil, das nur durch
eine nochmalige Ortsbesichtigung hätte revidiert werden
können. Doppelt schade, denn es befanden sich unter
der prinzipiell ausscheidenden Masse wirklich gute
Entwürfe mit Ansätzen zur Monumentalität, von der
manche preisgekrönten Arbeiten nur recht wenig zeigen.
n Der Unterschied in den Auffassungen, sowohl bei
den Preisrichtern als auch bei den konkurrierenden
Künstlern, geht tiefer. Man kann zwei Gruppen unter-
scheiden: nämlich die bürgerlich, in der Nähe emp-
findenden Süddeutschen, die sich an Details berauschen
können und schöne dekorative Einzelwerke hervor-
bringen; mit ihnen stimmen die Figurenplastiker und
Maler. Auf der anderen Seite stehen die kühler
und distanziert fühlenden Norddeutschen, die dem
Gesamteindruck gern eine, wenn auch schöne Einzel-
heit zum Opfer bringen und folgerichtig eine selb-
ständige, nicht im Wachstum des Ganzen begründete
Ornamentierung mit körperlichem Unbehagen verab-
scheuen; zu ihnen gehören die Baukünstler, die
architektonische, raumkünstlerische Verhältnisse ver-
langen. Also auf der einen Seite die Liebe für Deko-
ration als Selbstzweck, auf der anderen Seite das