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ARBEITEN DER HANDWERKERSCHULE IN BIELEFELD
bildung und Schulung der formalen Phantasie suchen.
Es war mir überraschend, zu erfahren, daß in der
Provinz und im Kampf gegen Unverstand, bei
beschränkten äußeren Verhältnissen vor drei Jahren
ein Unternehmen ins Leben gerufen werden konnte,
das die grundlegenden und theoretisch längst formu-
lierten Ideen einer mustergültigen kunstgewerblichen
Schule in aller Stille und Bescheidenheit verwirk-
licht hat. °
□ So aber denke ich mir eine gesunde Entwickelung
aller der bewundernswerten Ansätze unserer kunst-
gewerblichen Kultur, daß einerseits die Verbindung
mit dem Handwerk noch mehr und nicht mehr bloß
in der Theorie aufgesucht wird, daß vielmehr aus
den Kreisen des Handwerks und der industriellen
Betriebe selbst ein Stamm von befähigten Köpfen den
Verstiegenheiten der rein formalen Phantasie durch
Betonung von Forderungen des Materials, Zweck des
Erzeugnisses und Solidität der Arbeit begegnet. Und
andererseits, daß gegenüber der strengen linearen und
farbigen Stilisierung, die in Unfruchtbarkeit der er-
findenden Phantasie enden kann, ein freies Spiel des
Geistes mehr als bisher betont wird. Dazu aber ge-
hört ein unbegrenzter Reichtum von Anschauungs-
formen; auch der Kunstgewerbler muß innen »voll
Figur« sein, was doch nur das Studium der Natur
zu geben vermag. Und wiederum ist dies die Lehr-
meinung des Leiters und der Lehrer der Bielefelder
Handwerkerschule, und auch hierdurch scheint mir
ihre schöne Zukunft gesichert zu sein. — °
□ Nicht mit Unrecht könnte man auch heute noch
einem großen Teil aller kunstgewerblichen Produktion
nachsagen, daß die Prinzipien der Materialgestaltung,
das Material selbst, die Käufer und der Preis exklu-
siv seien. Das Bemühen um Einheitlichkeit und
künstlerischen Ausdruck dessen, was uns täglich um-
geben soll, ist noch viel zu bewußt, in den Köpfen
Weniger geboren, für Wenige bestimmt. Man ist auch
allzusehr in Furcht, wieder in den Schlendrian des
sinnlosen Schmückens zu verfallen, als daß man auch
der künstlerischen Phantasie ihren Anteil am Kunst-
gewerbe gönnen möchte, jenen dekorativen und spie-
lerischen Momenten jenseits der Sachlichkeit, die dem
streng ordnenden, auslesenden, spekulativen Sinn der
Pfadfinder ■— damals mit Recht —■ unterliegen
mußten. Die Logiker sind auch heute noch am
Ruder, und die edle Gradlinigkeit der Empire und
Biedermeier, der Ausdruck des letzten, wenn auch
nicht originalen, so doch ganz und gar konsequenten
Stilepoche, kam ihrem gestrengen Geist zu Hilfe.
Und immer noch ist das moderne Kunstgewerbe
Reaktion auf die Renaissance-Verlogenheit unserer
Parvenütage vor 30 Jahren; »der« Stil als wirklicher
Ausdruck unserer selbst, wie wir heute sind, wird
sich erst, in der Hut jener logischen Köpfe, aber in
größerer Freiheit der Bewegung, bilden müssen. Wir
dürfen uns nicht mehr darauf beschränken, zu ver-
meiden, was Böse ist, sondern in Einfalt, aber mit
Geist und Geschmack wird darauf los zu schaffen
sein, und jeder wird auf eigenem Weg, wie früher
der anspruchlose Handwerker auch, zu einem Ziel ge-
langen, das doch nicht jenseits der Schranken eines
allgemeinen und herrschenden Geschmackes liegen
darf, d. h. das Kunstgewerbe wird populär werden.
So werden die Jungen sich an die Arbeit begeben.
Es wäre mit Freuden zu begrüßen, wenn auch die
Bielefelder Handwerkerschule an ihrem Teil solche
Zukunftsprobleme zu lösen immer bemüht bliebe. □
□ Im Januar dieses Jahres veranstaltete die Schule eine
Ausstellung der Erzeugnisse ihrer Zöglinge, und ein
großer Teil der hier abgebildeten Arbeiten war dort
zu sehen. Es erscheint mir überflüssig, den Lesern
dieser Zeitschrift die Qualitäten der durchaus erfreu-
lichen Arbeiten im einzelnen zu erläutern. Abgesehen
davon, daß Schülerleistungen überhaupt nicht zur
Demonstration allgemein formaler Mängel oder Vor-
züge dienen sollten, hier um so weniger, als die meisten
Schüler entweder ganz jung sind, oder die älteren
ARBEITEN DER HANDWERKERSCHULE IN BIELEFELD
bildung und Schulung der formalen Phantasie suchen.
Es war mir überraschend, zu erfahren, daß in der
Provinz und im Kampf gegen Unverstand, bei
beschränkten äußeren Verhältnissen vor drei Jahren
ein Unternehmen ins Leben gerufen werden konnte,
das die grundlegenden und theoretisch längst formu-
lierten Ideen einer mustergültigen kunstgewerblichen
Schule in aller Stille und Bescheidenheit verwirk-
licht hat. °
□ So aber denke ich mir eine gesunde Entwickelung
aller der bewundernswerten Ansätze unserer kunst-
gewerblichen Kultur, daß einerseits die Verbindung
mit dem Handwerk noch mehr und nicht mehr bloß
in der Theorie aufgesucht wird, daß vielmehr aus
den Kreisen des Handwerks und der industriellen
Betriebe selbst ein Stamm von befähigten Köpfen den
Verstiegenheiten der rein formalen Phantasie durch
Betonung von Forderungen des Materials, Zweck des
Erzeugnisses und Solidität der Arbeit begegnet. Und
andererseits, daß gegenüber der strengen linearen und
farbigen Stilisierung, die in Unfruchtbarkeit der er-
findenden Phantasie enden kann, ein freies Spiel des
Geistes mehr als bisher betont wird. Dazu aber ge-
hört ein unbegrenzter Reichtum von Anschauungs-
formen; auch der Kunstgewerbler muß innen »voll
Figur« sein, was doch nur das Studium der Natur
zu geben vermag. Und wiederum ist dies die Lehr-
meinung des Leiters und der Lehrer der Bielefelder
Handwerkerschule, und auch hierdurch scheint mir
ihre schöne Zukunft gesichert zu sein. — °
□ Nicht mit Unrecht könnte man auch heute noch
einem großen Teil aller kunstgewerblichen Produktion
nachsagen, daß die Prinzipien der Materialgestaltung,
das Material selbst, die Käufer und der Preis exklu-
siv seien. Das Bemühen um Einheitlichkeit und
künstlerischen Ausdruck dessen, was uns täglich um-
geben soll, ist noch viel zu bewußt, in den Köpfen
Weniger geboren, für Wenige bestimmt. Man ist auch
allzusehr in Furcht, wieder in den Schlendrian des
sinnlosen Schmückens zu verfallen, als daß man auch
der künstlerischen Phantasie ihren Anteil am Kunst-
gewerbe gönnen möchte, jenen dekorativen und spie-
lerischen Momenten jenseits der Sachlichkeit, die dem
streng ordnenden, auslesenden, spekulativen Sinn der
Pfadfinder ■— damals mit Recht —■ unterliegen
mußten. Die Logiker sind auch heute noch am
Ruder, und die edle Gradlinigkeit der Empire und
Biedermeier, der Ausdruck des letzten, wenn auch
nicht originalen, so doch ganz und gar konsequenten
Stilepoche, kam ihrem gestrengen Geist zu Hilfe.
Und immer noch ist das moderne Kunstgewerbe
Reaktion auf die Renaissance-Verlogenheit unserer
Parvenütage vor 30 Jahren; »der« Stil als wirklicher
Ausdruck unserer selbst, wie wir heute sind, wird
sich erst, in der Hut jener logischen Köpfe, aber in
größerer Freiheit der Bewegung, bilden müssen. Wir
dürfen uns nicht mehr darauf beschränken, zu ver-
meiden, was Böse ist, sondern in Einfalt, aber mit
Geist und Geschmack wird darauf los zu schaffen
sein, und jeder wird auf eigenem Weg, wie früher
der anspruchlose Handwerker auch, zu einem Ziel ge-
langen, das doch nicht jenseits der Schranken eines
allgemeinen und herrschenden Geschmackes liegen
darf, d. h. das Kunstgewerbe wird populär werden.
So werden die Jungen sich an die Arbeit begeben.
Es wäre mit Freuden zu begrüßen, wenn auch die
Bielefelder Handwerkerschule an ihrem Teil solche
Zukunftsprobleme zu lösen immer bemüht bliebe. □
□ Im Januar dieses Jahres veranstaltete die Schule eine
Ausstellung der Erzeugnisse ihrer Zöglinge, und ein
großer Teil der hier abgebildeten Arbeiten war dort
zu sehen. Es erscheint mir überflüssig, den Lesern
dieser Zeitschrift die Qualitäten der durchaus erfreu-
lichen Arbeiten im einzelnen zu erläutern. Abgesehen
davon, daß Schülerleistungen überhaupt nicht zur
Demonstration allgemein formaler Mängel oder Vor-
züge dienen sollten, hier um so weniger, als die meisten
Schüler entweder ganz jung sind, oder die älteren