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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Schur, Ernst: Die neue Sezession: (Malerei und Raumkunst)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0137

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130

ARBEITEN DER HANDWERKERSCHULE IN BIELEFELD

hier einen können. Es beginnt der Aufstieg zu einer
hohen, großen Kunst, die der Allgemeinheit im neuen
Sinne dienen will. □
o Dies alles sagt sich der Kritiker und hält sich frei von
allzu naher Gunst und Mißgunst. Denn all dies sind nur
Erkenntnisse, die die Künstler zur Tat machen sollen. □
□ Damit dies aber geschehe, dazu muß Leben, intensives
Leben sich in der Kunst regen. Und darum begrüßen wir
die junge Schar der Neuen Sezession, die nach ihrer Art
der Kunst dienen will. □
□ Wenn man all das ge-
sehen hat, treten einem
später, nachher, zu Hause,
wenn man still bei sich
ist, die Lebhaftigkeit und
die Schönheit der Farben,
dieser breiten und kraft-
vollen Mischungen aller
Töne, deren geheimes,
selbsteigenes Leben nun
voller vor dem Auge auf-
blüht, vor die Sinne. Man
geht spazieren, und es
fallen einem die Bilder
ein, die in ihrer Gesamt-
heit doch das Gemein-
same haben: die Freude
an dem materiellen Leben
der Farben. Das Schmei-
cheln der Nuancen, die
Monumentalität mancher
Schöpfungen, die von
ungezügelter Sinnlichkeit
und Kraft strotzen; lauter
Sattheit und Fülle. Flüssig
und weich andere; Mi-
schungen von wechseln-
dem Charakter. Alle aber
sind einer neuen, dekora-
tiven Art auf der Spur.
Primitivität und Exotik
vereint. Bunte Blumen
von strotzender Pracht,
die ihr intensives Leben
zu sprengen scheinen.
Porträts von frappieren-
der Schlagkraft. Überall
eine fast barbarische
Freude am Prunken und
eine scharf zupackende,
fast visionär arbeitende
Gestaltungskraft, die das
Objekt vergewaltigt, die
das Naturmotiv unter-
streicht, verzerrt und es
dadurch gewaltsam ins
Monumentale steigern will. Diese Bilder könnten Entwürfe
für Teppiche, Gobelins und Stickereien darstellen. Damit ist
der oben bezeichnete Zusammenhang mit der Raumkunst, die
kunstgewerbliche Note wieder erwiesen. Daher auch die Stili-
sierungswut, die Vorliebe ebenso für das Primitive wie für das
Exotische, in Beiden schlummert und reizt das Dekorative . . .
□ Und nun denke man an die alte Sezession und ihre
unvergänglichen Verdienste! Ging über sie nicht dasselbe
Sturzbad von Erregungen und Entrüstungen hernieder? Und
sie haben sich nun, diese Stürmer von ehedem, diese
pietätlosen Revolutionäre, zu reifen Meistern entwickelt.
Besteht da wirklich ein so großer Unterschied? Sie alle
wollen ja im Grunde ein und dasselbe, sagen es nur mit

veränderten Mitteln. In der Gegenwart mögen sie sich
trennen; ihr Ziel ist das gleiche. Und was wollen sie
letzten Endes: Zeitkultur bekennen. Und ich denke, wir
können uns freuen, daß das mit so wilder Wut geschieht,
denn zum Künstler gehört Einseitigkeit und ein bißchen
wilder Wahnsinn. □
□ Man kann diese Linie ebenso in der französischen
Malerei zurückverfolgen, über van Gogh, Cezanne bis zu
Manet hin. Natürlich mit Abwandlungen und Verände-
rungen, abgedämpft und immernoch mitdemTraditionellen,
trotz aller Neuheit, alt-
meisterlich gemischt. In
dem Hinstreben zu den
Reizen einer absoluten
Malerei liegen schon die
Anfänge zu dem, was uns
heute so unglaublich er-
scheint. Heute begreifen
wir kaum noch, was den
Zeitgenossen damals an
Manets Werk so fremd
erschien. Es stand höch-
stens nur darum über
allem Zeitlichen, weil es
unbekümmert um das
den Tagesinteressen und
-wünschen Dienende sich
selbstsuchte. Aber darum
gerade wurde es zum
Dokument der Zeit. Um
dieses Bekenntniswerks
willen steht Manets Werk
in reifer Schönheit an der
Wende einer Zeitentwick-
lung; esbetont selbstherr-
lich den absoluten Wert
suchender Kunst. Vor
solchen Werken wird das
Sehen zum Erlebnis. □
□ Und sollten solche
Zeiten vorüber sein?
Sollte nicht jede Epoche
ihre Kunst haben, haben
müssen und nur hoffen
können, daß auch aus dem
wildesten Gebaren die
charakteristische Geste
sich befreit? Anders ist
es ja gar nicht möglich,
o Was wollen denn diese
jungen Künstler anderes?
Sie wollen Werke schaf-
fen, in denen ihr Wille
— und also auch der
Zeitwille, jedenfalls ein
Teil dieses Zeitwillens —
zur Erscheinung kommt und so stark wollen sie das tun,
daß das Auge zuerst zurückschreckt, das Sehen also — so
oder so — zum Erlebnis wird. □
□ Man kann zugeben, daß diese Suchenden talentlos sind,
daß sie Reife vermissen lassen; sie haben den Drang, die
Sehnsucht, den Willen. Dennoch lebt in ihnen Zukunft;
sie haben den Spürsinn danach. Und es ist — dafür sind
diese Tendenzen zu allgemein verbreitet, in Wien, in Mün-
chen, in Berlin — als sicher anzunehmen, daß noch die
Meister kommen, die aus dem Chaos uns die Form ge-
stalten. Leben wollen wir in der Kunst, Anstürmen, Ein-
reißen und Aufbauen und darum sind alle Jungen uns
immer willkommen! n

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Handwerkerschule Bielefeld: Schrifttafel. Lehrer Godewols,
Schüler Lithographengehilfe R. Heidemann
 
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