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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Breuer, Robert: Neue Porzellane der Berliner Manufaktur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0149

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PORZELLANE DER KGL. MANUFAKTUR IN BERLIN



Kgl. Porzellanmanufaktur Berlin: W. Robra, Truthahn.
Farben unter der Glasur

Kgl. Porzellanmanufaktur Berlin: H. Schwegerle, Europa.
Farben unter der Glasur

Vorstellung von Schwertschlag, Gipfelsturm und Wellen-
bruch. Europäisches Porzellan gehört in die Vitrine,
das chinesische schmückt den Tempel, die Straße der
Götter, den Vorhof zum Sohne des Himmels. —
Es ist unwahrscheinlich, daß solche Gegensätze
jemals verschwinden werden, sie können sich im
besten Falle mildern. Selbst das dänische Porzellan
der letzten Jahre spiegelt den Dandy; es ist in all
seiner sanften Schönheit doch nur die feminine
Form einer größeren Plastik, es bleibt im Bereich
des Glasschrankes und des Nippes. Man könnte
sich nicht vorstellen, daß nach der dänischen Manier
eine Pieta oder ein Kruzifixus zur Körperlichkeit
erhoben würde; China aber hat porzellanene Male
des Buddha. Das sind Unterschiede der Rassen;
niemand kann sie überspringen. Immerhin, das
dänische Porzellan war eine Befreiung vom Erbe
des Rokoko; es ließ das keramische Material sich
selber finden, ließ es sich einstellen in den Zu-
sammenhang des modernen Empfindens für die
Fläche und deren modellierende Energien. Nicht
viel anders steht es nun um die Porzellane, die im
Schatten der Dänen sich des parfümierten Schnür-
leibes entledigten, um dem lichtreichen Material
wenigstens die Anklänge der Urwirkung zurück-
zugeben. In diesem Sinne hat auch die Berliner
Manufaktur dem Porzellan eine Renaissance bereitet.
Es ist hinlänglich bekannt, wie erfolgreich die Ber-
liner Fabrik während der letzten Jahre an einer
Wiedereroberung des Porzellans, an dessen Ent-
fesselung aus den Lähmungen der Stilomanie ge-
arbeitet hat. Diese Fortschritte verdankt sie nicht

zum wenigsten ihrem jetzigen Direktor, dem Pro-
fessor Schmuz-Baudiß. Er gehört zu denen, die
der Materialseele des Porzellans nachspüren, die
den Zierat überwinden und den dekorativen Aus-
druck gewinnen möchten. Es gibt keinen andern
Weg als diesen, von der Puppenstube zum archi-
tektonischen Organismus, um das von Europa zer-
knitterte Porzellan der asiatischen Sinnlichkeit wieder-
zugeben. □

□ Es war keineswegs leicht, der Berliner Fabrik
neue Ideale zu weisen. Beinahe ein viertel Jahr-
hundert war solche Mühe einigermaßen vergeblich
gewesen. Schon in den siebziger Jahren hatte sich
die Manufaktur so fest gefahren, daß die Frage
ihrer Reorganisation dem öffentlichen Interesse ge-
hörte. Wenn man nun wohl auch sagen darf, daß
sie mit solchem Verfall das Schicksal aller übrigen
Gewerke jener Zeit teilte, so scheint es doch
interessant genug, einmal zu erfahren, welches Urteil
maßgebende Kreise über das Berliner Porzellan
der Gründerjahre sprachen, und welche Mittel
vorgeschlagen wurden, die verirrten Nachfolger
Wegelys wieder auf den Weg des Erfolges zu
führen. Für solchen Unterricht gibt es kaum ein
besseres Mittel als ein Protokoll aus dem Jahre
1878. Es berichtet von Verhandlungen, die sich
damit befaßten, die Berliner Manufaktur wieder
auf diejenige Stufe zu erheben, welche sie nach der
Absicht ihres erhabenen Gründers, nach der Meinung
der Vertreter des preußischen Volkes und des ge-
 
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