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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Bender, Ewald: Rudolf Bosselt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0155

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PORZELLANE DER KGL. MANUFAKTUR IN BERLIN

ergeben ein Drittes, die Harmonie des Seelischen. So an-
geboren und eigentümlich scheintdiesemTalentdasfriedliche
Nebeneinander von Empfindung und Gedanke, von Müssen
und Wollen, daß sein Schaffen trotz der Überlegtheit der
Wirkungen und Mittel wie eine Naivität wirkt, selbstver-
ständlich und eindeutig, zur Harmonie prädestiniert. n
□ Es hängt mit dieser Geistesart im Innersten zusammen,
daß Bosselt in seiner Kunst weniger zum kubischen als
zum malerischen Ausdruck der Erscheinung neigt. Schon
die Medaillen lassen seine Vorliebe für die Reliefanschauung
deutlich erkennen. Seine Bildwerke sprechen durch den
Umriß, es reizt ihn, das leise Leben der Flächen nach-
zuformen. Man spürt in seinen Arbeiten nichts von den
Gewaltsamkeiten des zusammengeballten Raumes, den
dramatischen Akzenten rein kubischer Gestaltungen. Wie
ein Lyriker singt er von der Schönheit und Harmonie
des weiblichen Körpers, der ihm als eine Kombination
geschwungener Flächen und Linien erscheint. Man ist
versucht, nachzutasten mit spitzen und zärtlichen Fingern.

Man fühlt, daß seine Figuren von außen nach innen ge-
baut sind und eigentlich nur als Oberfläche existieren.
Hier legen sich Flächen wie eine Rüstung um einen ima-
ginären Kern, werden harmonisch zusammengeschweißt;
ganz beherrscht läuft der Umriß um die Figur herum,
still und schön. □
Der Weg von solcher Formenanschauung und solchen
Problemen der plastischen Erscheinung zu dem höheren
Kunstgewerbe ist nicht allzuweit. Es gibt Tierplastiken
von Bosselt in strenger Stilisierung; sie sprechen deutlich
genug. Ein großer und reifer Kunstverstand äußert sich
in Reinheit, Man möchte wohl annehmen, dieser Künstler
müsse ein vortrefflicher Lehrer sein. Wie eine Selbstver-
ständlichkeit erfahren wir, das man Rudolf Bosselt zum
Direktor der Kunstgewerbeschule nach Magdeburg berufen
hat. Diese Bewußtheit über Ziele und Grenzen der eigenen
Kunst und der Kunst überhaupt ist selten und von un-
schätzbarem Wert für eine reifende Jugend, die nichts
so nötig hat als Vertrauen und eine sicher leitende Hand.
EWALD BENDER.


Kgl. Porzellanmanufaktur Berlin: Cakesdose. Emaille und Gold über der Glasur
 
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