PETER BEHRENS UND DIE A. E. G.
155
gangenheit so zu Ehren bringen zu müssen, wie sie
noch jede schöpferische Epoche geehrt und ange-
wandt hat. Darum knüpfte er beim späten, schon
klassizistisch beruhigten Barock an. Und darum
auch meinte er gelegentlich zu Ludwig Ho ff mann,
dem Freunde und Erben der Museumsentwürfe:
»Wenn wir es jetzt noch erreichen, daß unsere
Arbeiten einem Künstler wie Gabriel von Seidl ge-
fallen, so haben wir alles erreicht, was wir können.«
Seidl, der Eklektiker reinsten Wassers, sollte dem
Schöpfer des Wertheimbaues sozusagen die Abso-
lution erteilen! □
□ In der Tat: so selbstunbewußt pflegen starke
Schöpfernaturen ihr Licht nicht unter den Scheffel
zu stellen. Wir müssen den Autoren des Buches
recht geben, wenn sie meinen, daß dieser Bau-
meister vielleicht bis zuletzt nicht gewußt habe,
wie modern er gewesen ist. Am Darmstädter Mu-
seum oder am Rathause der Kleinstadt Ballenstedt
brauchte er es auch nicht zu wissen, geht man
aber die baugeschichtliche Entwicklung des Wert-
heimpalastes durch, vergleicht man etwa den ersten
mit dem zweiten Lichthof, zwei beliebige Treppen-
aufgänge, zwei Pfeilerfüllungen hier und dort, so
erkennt man, wie die reife Schönheit des letzten
Anbaues ihr reges Widerspiel auch in der freien
Anmut der Innenarchitektur findet, und wie zaghaft
in den älteren Bauteilen der moderne Geist nach
Luft ringt. Er war stärker als Messel, und hat ihn
fortgerissen, hat ein tüchtiges Talent zu den Wir-
kungen des schöpferischen Genies emporgeführt.
Ein Künstler mit weniger Ehrfurcht vor den Ge-
gebenheiten, vor dem seelischen Hunger der Zeit
wäre an seinem unverhofften Glück gescheitert.
Messel erwuchs an ihm zur Größe. Und als er
sein Höchstmaß erreicht hatte, starb er, ein Mann
auf der Höhe des Lebens. Sein Geschick hat sich
so vollendet, wie er sich’s nicht besser wünschen
konnte. □
□ Das neue Buch, so dankenswert es ist, läßt
einige Wünsche offen. Der Leser würde gern auch
Messels mißglückte Versuche mit dem Bau von
Berliner Arbeiterhäusern kennen lernen, die er in
seinem Amt als Baumeister der Spar- und Bau-
vereins entwarf, aus den Mietshäusern am Kurfürsten-
damm wären mindestens Einzelheiten sehenswert,
und für die ganze Entwicklung durch die kritischen
Jahre 1886—96 sind Grundrisse zum besseren Ver-
ständnis unentbehrlich. Für die späteren Haupt-
werke freilich auch und erst recht. Und darum
berührt es seltsam, daß der Verfasser, mit einer
Ausnahme, auf die bildliche Zugabe von Grund-
rissen so völlig verzichtet hat. Unser Publikum
ist heute gottlob doch wieder so weit, um in
Grundrißzeichnungen einigermaßen lesen zu können.
EUGEN KALKSCHMIDT.
Rudolf Czapek, Grundprobleme
der Malerei. S. 79:
□ Eine fruchtbare Bildkonzeption setzt das
gleichzeitige Auftreten der technischen Auf-
fassung voraus. Diese bewegt sich aber natur-
gemäß innerhalb der Grenzen des bekannten Materials
und seiner verschiedenen Behandlungsarten. □
Peter Behrens, Ventilator der A. E. G.
A. E. G., Alte Form eines Ventilators
155
gangenheit so zu Ehren bringen zu müssen, wie sie
noch jede schöpferische Epoche geehrt und ange-
wandt hat. Darum knüpfte er beim späten, schon
klassizistisch beruhigten Barock an. Und darum
auch meinte er gelegentlich zu Ludwig Ho ff mann,
dem Freunde und Erben der Museumsentwürfe:
»Wenn wir es jetzt noch erreichen, daß unsere
Arbeiten einem Künstler wie Gabriel von Seidl ge-
fallen, so haben wir alles erreicht, was wir können.«
Seidl, der Eklektiker reinsten Wassers, sollte dem
Schöpfer des Wertheimbaues sozusagen die Abso-
lution erteilen! □
□ In der Tat: so selbstunbewußt pflegen starke
Schöpfernaturen ihr Licht nicht unter den Scheffel
zu stellen. Wir müssen den Autoren des Buches
recht geben, wenn sie meinen, daß dieser Bau-
meister vielleicht bis zuletzt nicht gewußt habe,
wie modern er gewesen ist. Am Darmstädter Mu-
seum oder am Rathause der Kleinstadt Ballenstedt
brauchte er es auch nicht zu wissen, geht man
aber die baugeschichtliche Entwicklung des Wert-
heimpalastes durch, vergleicht man etwa den ersten
mit dem zweiten Lichthof, zwei beliebige Treppen-
aufgänge, zwei Pfeilerfüllungen hier und dort, so
erkennt man, wie die reife Schönheit des letzten
Anbaues ihr reges Widerspiel auch in der freien
Anmut der Innenarchitektur findet, und wie zaghaft
in den älteren Bauteilen der moderne Geist nach
Luft ringt. Er war stärker als Messel, und hat ihn
fortgerissen, hat ein tüchtiges Talent zu den Wir-
kungen des schöpferischen Genies emporgeführt.
Ein Künstler mit weniger Ehrfurcht vor den Ge-
gebenheiten, vor dem seelischen Hunger der Zeit
wäre an seinem unverhofften Glück gescheitert.
Messel erwuchs an ihm zur Größe. Und als er
sein Höchstmaß erreicht hatte, starb er, ein Mann
auf der Höhe des Lebens. Sein Geschick hat sich
so vollendet, wie er sich’s nicht besser wünschen
konnte. □
□ Das neue Buch, so dankenswert es ist, läßt
einige Wünsche offen. Der Leser würde gern auch
Messels mißglückte Versuche mit dem Bau von
Berliner Arbeiterhäusern kennen lernen, die er in
seinem Amt als Baumeister der Spar- und Bau-
vereins entwarf, aus den Mietshäusern am Kurfürsten-
damm wären mindestens Einzelheiten sehenswert,
und für die ganze Entwicklung durch die kritischen
Jahre 1886—96 sind Grundrisse zum besseren Ver-
ständnis unentbehrlich. Für die späteren Haupt-
werke freilich auch und erst recht. Und darum
berührt es seltsam, daß der Verfasser, mit einer
Ausnahme, auf die bildliche Zugabe von Grund-
rissen so völlig verzichtet hat. Unser Publikum
ist heute gottlob doch wieder so weit, um in
Grundrißzeichnungen einigermaßen lesen zu können.
EUGEN KALKSCHMIDT.
Rudolf Czapek, Grundprobleme
der Malerei. S. 79:
□ Eine fruchtbare Bildkonzeption setzt das
gleichzeitige Auftreten der technischen Auf-
fassung voraus. Diese bewegt sich aber natur-
gemäß innerhalb der Grenzen des bekannten Materials
und seiner verschiedenen Behandlungsarten. □
Peter Behrens, Ventilator der A. E. G.
A. E. G., Alte Form eines Ventilators