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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Hillig, Hugo: Die "Ausstellung bemalter Wohnräume" und die "Tapetenausstellung" in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0181

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174

TAPETEN UND BEMALTE WOHNRÄUME IN HAMBURG

□ Was ich hier schreibe, soll nicht so aufgefaßt werden,
als daß sie nichts in der Dekorationsmalerei zu suchen
hätten. Im Gegenteil; der Gegensatz zwischen hoher und
angewandter Malerei, der weder beiden Kategorien von
Malern, noch der Raumkunst selber zuträglich ist, könnte,
wenn auch nicht verschwinden, so aber doch gemildert
werden und für die Kunstmaler liegen nicht zuletzt auch
wirtschaftliche Gründe vor, die Propaganda der Dekorations-
maler um ein größeres Arbeitsfeld zu unterstützen. Aber
sie müssen sich den Gedanken abgewöhnen, daß die De-
korationsmalerei ein Beruf so nebenher sei, ein Rudiment
der Malerei überhaupt, das zu tief stehe, um gehoben
werden zu können, oder das nun auf den Wink gehorchen
werde. Dazu ist die Dekorationsmalerei als Gewerbe zu
alt, um solche Hoffnungen zu rechtfertigen. Es nimmt,
wie die Namen Schaper, Gußmann, Wähler, Mössel,
Männchen, Böhland, Koch u. a. zeigen, künstlerische An-
regungen ganz gern auf und verarbeitet sie; aber die Ge-
nannten sind Künstler, denen das Handwerkliche der
Dekorationsmalerei nicht zu gering war, um sich selbst
damit zu befassen. □
o Das Experiment, Künstler heranzuziehen, ist auch in
der Ausstellung bemalter Wohnräume gemacht worden.
Aber .hier ist es zum größten Teil verunglückt. Da sind
Architekten, wie z. B. Haering, Rzekonski, Haiger, die in
der Ausstellung den Beweis erbringen, daß sie weder in-
telligent genug, noch künstlerisch befähigt sind, der Deko-
rationsmalerei neue Wege zu weisen. Käme es darauf an,
aus alten Kupferstichen und Lithographien die verwelkten
Anschauungen über Wohnungskunst auf moderne Wohn-
räume zu übertragen, so könnte das Malergewerbe dies
vortrefflich selbst, denn darin wurzelt seine Tradition, die
leider noch lebendig genug ist, um sofort, auch ohne
künstlerische Mithilfe wieder agil zu werden. Was diese
Leute, die sich für Künstler halten, den Malern zeigen
wollen, hatte das Malergewerbe eben wieder vergessen,
um diese Wendung zu gebrauchen. Die von diesen
Künstlern für neu ausgegebene Dekorationsmalerei be-
zeichnet ja gerade ihren tiefsten Verfall in unlebendige,
schematische Schablonenarbeit. Was diese Künstler ent-
worfen haben, läßt bei ihnen jedes Verständnis vermissen
für die technischen Bedingungen der Raumausmalung; sie
verstehen vom Handwerklichen der Stubenmalerei viel zu
wenig, um für sie als Anreger auftreten zu können. Nur
ein blasierter, übermüdeter, vor allen unberufenen und be-
rufen scheinenden Einflüsterungen in seinem persönlichen
Geschmack ratlos gewordener, innerlich kraftloser Snob
kann diese Art von Wohnungskunst ernst nehmen. □
□ Noch mehr gilt das für den »Raumkünstler« Rudolf Alex-
ander Schröder, den Finanzmann derVereinigtenWerkstätten
für Kunst im Handwerk. Für die kindische Kunst Rudolf
Alexander Schröders wird sich das gesunde Handwerk
schönstens bedanken. Es ist eine Anmaßung sonder-
gleichen, wenn Schröder als Raumkünstler auftreten will.
Seine »Kunst« ist nicht einmal dekadent, dazu ist sie zu
geistlos; sie ist kunstgewerblicher Kretinismus, das wird
das rechte Wort sein. Wenn jemandem das Wort
und der Titel »Raumkünstler« gefällt, so mag er ihn
sich beilegen. Aber der Titel allein macht ihn noch nicht
dazu, das können nur seine Leistungen tun. Darüber gab
es schon in Brüssel ein Kopfschütteln; nun sind die in
Brüssel unverkauften Möbel nach Hamburg gebracht und
Schröder hat nun, weil er seine Engeleintapete von Brüssel
doch nicht in der Ausstellung bemalter Wohnräume zeigen
konnte, eine Wandbemalung entworfen, die zum Erbarmen
ist; es ist zu bedauern, daß eine Malerfirma, und zwar
eine, die in anderen Räumen ihre vorzügliche Leistungs-
fähigkeit beweist, sich zur praktischen Ausführung der

skurrilen Ideen Schröders hergegeben hat; das ist nicht
Raumkunst, sondern Mißhandlung des Malers, Provozierung
des unverbildeten Geschmacks, Beleidigung des Ausstel-
lungsprinzips. □
p So sehr man auch kritisch sein mag gegen die Arbeiten
der Maler ohne künstlerische Assistenz, so vorteilhaft heben
sie sich in allem, was hier in Betracht kommt, von den
Arbeiten dieser Künstler ab. Es kann natürlich eine Aus-
stellung in Hamburg noch weniger als eine in München
Dekorationsmalereien in einwandfreier Vollendung zeigen.
Um bei jedem einzelnen Raum die kritische Sonde anzu-
legen, reicht hier der Platz nicht aus, aber man darf auch
nicht vergessen, daß es Ausstellungsarbeit ist und daß der
Maler unter ganz anderen Bedingungen für die Ausstellung
schaffen muß, als der Möbeltischler, der Teppichhändler,
die Beleuchtungskörperfabrik. Die Malerarbeit ist Voll-
endungsarbeit am Bau und ist mit dem Bau verwachsen,
muß also Mängel am Bau und in seiner Fertigstellung auch
auf sich übertragen lassen. Deshalb verdienen auch die
Mängel in den einzelnen Räumen, mögen sie die Bemalung
in bezug auf dekorative Idee, farbigen Zusammenklang,
Raumstimmung, Wohnlichkeit, Verhältnis zu Beleuchtung,
Möblierung, Wandschmuck, Fußbodenbehandlung, Fenster-
behandlung und letzte Ausstattung betreffen, eine schonende
Nachsicht. Die Tapetenausstellung hat es darin besser
und sie war deshalb auch zur Zeit ihrer Eröffnung fertig,
woran es die Ausstellung bemalter Wohnräume, nament-
lich in den den Künstlern überlassenen Wohnräumen, sehr
fehlen ließ. p
p Aber die Mängel prinzipieller Art fehlen der Tapeten-
ausstellung noch weniger; sie müssen ja schon in dem
totzureitenden Prinzip liegen: überall Tapete. Und weil
im Tapetenwesen das Händlertum ein ausschlaggebender
Faktor ist, und zwar einer, der sich noch selten das Ge-
schäft mit Skrupeln des guten Geschmacks verdorben hat,
so sind die Mißklänge in der Tapetenausstellung im Ver-
hältnis noch zahlreicher. Wir finden hier, daß das Händler-
tum, was es auch in bezug auf Materialien in der Aus-
stellung bemalter Wohnräume tut, nur wenig von seiner
vornehmsten Funktion, Pionier für das Neue, Gute, Bessere,
Vernünftigere zu sein, spüren läßt. Bei den Farben- und
Lackhändlern finden wir mittels Lackierung imitierte Fließen,
mittels Abziehbildern imitierte Intarsien, mittels Abzugs
hergestellte Holzmaser, bei den Tapetenhändlern finden
wir die schönen Diaphanien, imitierte Glasmalereien aus
geöltem bedrucktem Papier, finden auch Holzdecken aus
Papierstuck und finden Papiertapete, die wie Ledertapete
aussieht, finden auch hier das Treppenhaus mit papierenen
Majolikafließen beklebt. Auch sonst folgte die Tapete in
den angewandten Beispielen den undisziplinierten Ent-
würfen französischer Tapetenzeichner, folgt einer süßlichen
Laune der Mode neben der anderen und läßt von den
guten Künstlerentwürfen für Tapeten vorwiegend nur
Stichproben sehen. Dagegen aber zeigt die Tapeten-
industrie, daß sie auch anders kann, sie liefert für den
Balkan und den Orient die Tapeten, die dem Geschmack
jener Völker entsprechen und das ist nicht sehr erbaulich,
wenn man bedenkt, daß diese Greuel deutsches Erzeugnis
sind. °
□ Es ist nicht daran zu denken, daß die Maler die Tapete
verdrängen, sie ist ein Wandbekleidungsmaterial von ganz
bestimmten Vorzügen, ein Material, das vor allem dem noch
auf lange Zeit hinaus vorherrschenden Wohnungswesen
der Großstadt entspricht. □
□ Aber das Malergewerbe hat — cum grano salis —
ebensogut einen Platz an der Sonne und den verdient es,
wenn es ihn mit ernsten Absichten erobert und mit kluger
Umsicht und Einsicht zu behaupten weiß. a
 
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