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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0187

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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arten, die für Dauereinbände bestimmt sind. Es wäre zu
erstreben, daß vor allem für die künstlerisch verzierten
Lederwaren sowie für wertvolle Ledermöbel ähnliche Ga-
rantien durchgesetzt würden. Der Zustand ist heute schon
so, daß selbst der Fabrikant nicht mehr in der Lage ist,
an dem fertigen Produkt festzustellen, welches Leder eigent-
lich zur Verarbeitung kam, oder ob gar Kunstleder, ein
natürlich minderwertiges Surrogat, verwandt worden ist.
Zum Schluß gab der Vortragende einen Überblick über
die verschiedenen Verzierungsarten und über die Gegen-
stände, die in alter oder neuer Zeit aus Leder hergestellt
worden sind. w.
NEUBAUTEN
o Hamburg. Das Vorlesungsgebäude, das den Grundstock
der wahrscheinlich unausbleiblichen künftigen Hamburger
Universität bilden soll und das, wie es dasteht, eine wahr-
haft großartige Schenkung des Hamburger Kaufherrn Edm.
J. A. Siemers an den Staat ist, wurde am 13. Mai feierlich ein-
geweiht. Der Bau ist ein großer Block, in dessen Mitte sich
ein mächtiger Rundbau erhebt, der übereinander zwei große
runde Hörsäle enthält. In seiner zentralen Geschlossen-
heit macht der Bau fast den Eindruck einer Klosteranlage
und auch der Baustil, eine fast alle Formen der Renaissance
umfassende Architektur stellt sich auf diese Wirkung ein.
Im Innern ist der Bau sehr bemerkenswert durch eine
vollständige Abweichung von eingeborener hamburgischer
Bauweise, und auch die Modeströmung der letzten Jahre ist
hier ignoriert; die Architekten Distel und Grubitz getrauten
sich wieder farbig zu werden. Die große monumentale
Querhalle ist unter einer leicht getönten Wölbung ganz
farbig gehalten; der Beton, der hier das Baumaterial auch
für die skulptierten Teile abgibt, ist mit einer braunroten
Farbe überstrichen, so, daß stellenweise die rohe Farbe
des Betons an den plastischen Teilen sichtbar bleibt; außer-
dem sind einzelne Teile durch graublaue Färbung und
diskrete Vergoldung hervorgehoben. Die farbige Eindring-
lichkeit dieser Querhalle aber wird noch gesteigert durch
die Perspektiven in die Korridore, die an Wölbung und
Wand mit einem ganz satten tiefen Grün gestrichen sind,
was in den langen Fluchten der Korridore einen ganz un-
gewohnten, aber sehr warmen Eindruck gibt; in den Schei-
dein der Wölbung sind etwas ungeschlachte weiße Rosetten
gemalt und die in rohem Beton ausgehauenen Türpfosten
sind durch schwarze Linien abgesetzt. Im Haupttreppen-
hause führt der ziegelrote Farbenton auch an den Beton-
Treppenbalustraden bis zum zweiten Vistibül hinauf, dessen
Decke schwer kassettiert ist; die Kassetten sind in gelbroter
Stimmung mit Frührenaissanceornamenten und sehr fein
gezeichneten Figuren (von Otto Fischer-Trachau) ausgefüllt.
Dann beginnt eine blaugraue, gelbgrau gestrichelte Wand-
färbung, die in dem oberen Vistibül, das vor dem zweiten
großen Hörsaal im Rundbau liegt, von gelber Wandfärbung
abgelöst wird; die Decke dieses Raumes ist ganz hellfarbig
und leicht gelblich gestrichelt und die Ochsenaugenfenster,
die aus der Wölbung heraus in das Dach des Mittelbaues
führen, sind mit einer mattgrünen Umrahmung eingefaßt.
Der untere große Hörsaal ist grauweiß auf grobem Besen-
wurf mit gelben und grünen Einfassungen der vertieften
Füllungen. Der Besenwurf gibt den Flächen eine bei
diesen großen Ausmaßen stoffartige Tiefe; nur wird sich
dann die Abnützung in späteren Jahren recht häßlich zeigen
und auch die Erneuerung wird sehr schwierig sein. Der
obere Hörsaal ist in einem kalten hellen Grün gehalten

und ebenfalls auf Besenwurf. Das große Korn dieses
Besenwurfes ist noch dadurch betont, daß der Maler es
mit einem dunkleren Grün graniert hat, so kommt auch
die angedeutete ornamentale Plastik an dem Fries unter
der Galerie nur aus der Ferne betrachtet zur Geltung. Die
reicher kassettierte Rundwölbung dieses Hörsaals ist dann
noch mit grauweißen breiten Strichen abgezogen. Die
wohl aus akustischen Gründen in beiden Hörsälen hinter
der Dozentenestrade angebrachte hohe Holzverkleidung,
aus von senkrechten Maschinenprofilleisten gegliederten
Brettdielen ist aus sehr weichem Holz, das nur dunkelgrau
gebeizt ist, ohne auch nur matten Glanz zu zeigen. In
ebenso farbiger Intensität sind die einzelnen Zimmer ge-
halten, so daß dieser Bau, soweit es eine farbige Innen-
behandlung betrifft, eine sehenswürdige Abwechslung von
der Normal-Innenkunst der letzten Jahre bedeutet, mig.
AUSSTELLUNGEN
□ Hamburg. R. Luksch und C. O. Czeschka, die Lehrer
an der Staatlichen Kunstgewerbeschule, hatten im April
und Mai ihre Arbeiten im Ausstellungssaale des Museums
für Kunst und Gewerbe zusammengestellt. Wer Hamburg
und sein Kunstleben kennt, weiß, daß die moderne Kunst,
nachdem sie lange nur Schrittchen für Schrittchen Boden
gewann, doch nun auf der Paßhöhe angelangt ist und man
gewöhnt sich nunmehr sogar an die Wiener, die doch zu
dem, was man in Hamburg bodenständig, heimatkünstlerisch,
niedersächsisch heißt, fast wie Antipoden stehen. Aber
sowenig die Welthandelsstadt Hamburg, die nun allgemach
auch Großstadt wird, von ihrer Bodenständigkeit leben
kann, sowenig kann sie sich gegen das, was Darmstädter,
Münchner, Wiener Kunst heißt, hermetisch abschließen, und
so ist denn auch die Opposition nach und nach verstummt,
die anhub, als Direktor Meyer für seine Anstalt auch aus
Wien Lehrkräfte herbeiholte; ja Luksch, der Wiener, hat
sogar für den bodenständigsten, norddeutschesten Detlev
v. Liniencron das wunderfeine Grabmonument geschaffen.
Und vielleicht wird es auch einmal Wirklichkeit, daß das
fragmentarische Rondell am Jungfernstieg auch den Jung-
fernbrunnen von Luksch erhält, dessen Modell unter seinen
ausgestellten Arbeiten zu sehen ist. Die anderen Arbeiten
Luksch’ sind Skulpturen aus verschiedenen Zeiten und
Materialien, in denen Luksch’ Plastik von nüchternster
Sachlichkeit und von philosophischer Tiefe (Der Wanderer)
die Skala bis zu weitester Dekadenz des Stils durchläuft.
Dieselbe weitausspannende Reihe von trockener Sachlich-
keit bis zur verwegensten Fabulistik des Stils durchlaufen
die Arbeiten von Czeschka: die Holzschnitte und Schwarz-
weißzeichnungen für das Wiener Staatsdruckereiwerk und
die anderen für die Drucktechnik bestimmten Entwürfe
und Originalholzschnitte lassen einen ganz anderen Meister
vermuten, als z. B. die nach Brüssel bestimmten Kartons
für Stickerei. Es mag freilich auch die Entwicklung des
Künstlers mitsprechen, denn die eigenartige Ornamentik
Czeschkas beherrscht seine letzten Arbeiten aus seiner
Hamburger Zeit; ich müßte für meinen Teil noch einiges
Widerstreben überwinden, um mich zu dieser Ornamentik
bekennen zu können. Ganz wunderbar sind aber Czeschkas
Porträtstudien in Kreide. Jedenfalls gibt diese Übersicht
auf die Arbeiten der beiden Wiener den Hamburgern Ge-
legenheit, zu erkennen, daß es auch außerhalb der boden-
ständigen Kunst und althamburgischer Kunstweise Kräfte
gibt, die allen Gewalten zum Trotz sich erhalten. — o
Hllg.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwag, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. in Leipzig
 
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