DIE LEIPZIGER SCHRIFTSCHULE
dem Tode seiner Eltern vertauschte er diesen Beruf mit
der Kunst, später als dies sonst in diesen Kreisen
üblich ist. Die lange Beschäftigung mit der Wissen-
schaft hatte ihn kritischer gemacht, als es einer freien
naiven Kunstausübung zuträglich sein mag. Aber
andererseits trug die größere Reife dazu bei, das
Wesentliche rascher zu erfassen. Nach einer kurzen
vorübergehenden Tätigkeit in einem großen Leipziger
Dekorationsmaleratelier besuchte Delitsch die Leipziger
Akademie und wurde bald der vertraute und bevor-
zugte Schüler des durch seine Rekonstruktionswerke
von Pompeji und Capri bekannt gewordenen Professors
Carl Weichardt (f 1905), und als dieser 1900 nach
Dresden berufen wurde, auch dessen provisorischer Stell-
vertreter. Im Jahre 1902 erfolgte bekanntlich die Umwand-
lung der bisherigen Akademie und Kunstgewerbeschule
in die heutige Akademie für graphische Künste und
1 OK
1VD
druck kamen. Schon der Prospekt dieser Ausstellung
ist ein Musterbeispiel vornehmer und schöner Schrift-
wirkung; aber auch die anderen Proben von geschrie-
benen Bücherzeichen, Karten oder Briefköpfen zeigen
die gleichen Vorzüge (vgl. dieAbb.). Nebst dem Schreib-
meister Delitsch waren an der genannten Ausstellung
noch seine beiden früheren Schüler Paul Crone,
welcher derzeit als Lehrer für Schrift an der Kunst-
gewerbeschule in Dessau wirkt, und Wilhelm Scheffel,
der als selbständiger Buchgewerbekünstler in Leipzig
tätig ist, ebenso Fräulein Elsa Gailwitz in Leipzig,
welche hauptsächlich originelle Kleisterpapiere ausge-
stellt hatte, in die z. B. Monogramme oder einzelne
Worte sehr geschmackvoll einkomponiert waren. o
n Die genannte Ausstellung war keineswegs einseitig,
wie man etwa glauben sollte, sondern rechtab wechslungs-
reich. Schon der Unterschied zwischen den bei Delitsch
C^Slter^^er\dels(oKa
SCHRIFTPROBEN DER
LEIPZIGER SCHRIFTSCHULE
Buchgewerbe, und Delitsch gründete mit Zustimmung
des Direktors eine Klasse für »geschriebene Schrift«,
an die sich auch eine Buchdruckabteilung anschloß.
Aber gerade diese Verbindung des unabänderlichen
Typensatzes mit der geschriebenen Schrift erwies sich
auf die Dauer nicht als glücklich, so daß mit dem
weiteren Ausbau der Leipziger Akademie die Buch-
druckklasse an Belwe überging, während Delitsch,
der seine Methode durch eingehende Studien bei
Rudolf von Larisch in Wien (1907) entsprechend
ausgebaut hatte, nun der alleinige Vertreter der Schrift-
schule wurde und eine eigene Fachklasse für die Schrift-
kunst erhielt. In dieser konnte nun das ganze Ge-
biet nach allen Seiten hin gepflegt werden. Gerade
heute, da inzwischen z. B. durch die Düsseldorfer
Schriftkurse für die preußischen Fachlehrer das Interesse
für diesen Zweig neubelebt worden ist, konnte Delitsch
durch seine ausschließliche Konzentration auf die ge-
schriebene Schrift bald die schönsten Resultate aufweisen,
die auch in der Stuttgarter Ausstellung 1911 zum Aus-
vorherrschenden Antiqua- und Kursivtypen, mit der
Frakturschrift bringt eine Belebung ins Programm.
Andererseits sorgt auch die verschiedenartige Größe
für einen mannigfaltigen Eindruck, da wir nicht nur
kleine Akzidenzdrücke, die nach der Schrift klischiert
wurden, sehen, sondern auch große Diplome, wie
das für den Kommerzienrat Karl Engelhorn, ja selbst
ganze Plakate, unter denen das der Dalcroce-Kurse
sowie das der Ausstellung selbst, welches in Linoleum-
schnitt hergestellt war, Hervorhebung verdienen. Auch
die Farbe kam sehr ansprechend zur Geltung, nament-
lich in den Bücherzeichen, zu denen die passenden
Kleisterpapier-Hintergründe sehr feinabgestimmtwaren.
Aber auch die Anwendung der künstlerischen Schrift
in der Buchbinderei zeigt zahlreiche geschmackvolle
Ausstellungsgegenstände, namentlich die hübsch dis-
ponierten Titel in einfacher Tuschschrift auf dem
weißen Pergamenteinband oder auf dem Pergament-
rücken von Bänden, die sonst in Kleisterpapier ge-
bunden waren oder auf Pergamentspangen, die sich
dem Tode seiner Eltern vertauschte er diesen Beruf mit
der Kunst, später als dies sonst in diesen Kreisen
üblich ist. Die lange Beschäftigung mit der Wissen-
schaft hatte ihn kritischer gemacht, als es einer freien
naiven Kunstausübung zuträglich sein mag. Aber
andererseits trug die größere Reife dazu bei, das
Wesentliche rascher zu erfassen. Nach einer kurzen
vorübergehenden Tätigkeit in einem großen Leipziger
Dekorationsmaleratelier besuchte Delitsch die Leipziger
Akademie und wurde bald der vertraute und bevor-
zugte Schüler des durch seine Rekonstruktionswerke
von Pompeji und Capri bekannt gewordenen Professors
Carl Weichardt (f 1905), und als dieser 1900 nach
Dresden berufen wurde, auch dessen provisorischer Stell-
vertreter. Im Jahre 1902 erfolgte bekanntlich die Umwand-
lung der bisherigen Akademie und Kunstgewerbeschule
in die heutige Akademie für graphische Künste und
1 OK
1VD
druck kamen. Schon der Prospekt dieser Ausstellung
ist ein Musterbeispiel vornehmer und schöner Schrift-
wirkung; aber auch die anderen Proben von geschrie-
benen Bücherzeichen, Karten oder Briefköpfen zeigen
die gleichen Vorzüge (vgl. dieAbb.). Nebst dem Schreib-
meister Delitsch waren an der genannten Ausstellung
noch seine beiden früheren Schüler Paul Crone,
welcher derzeit als Lehrer für Schrift an der Kunst-
gewerbeschule in Dessau wirkt, und Wilhelm Scheffel,
der als selbständiger Buchgewerbekünstler in Leipzig
tätig ist, ebenso Fräulein Elsa Gailwitz in Leipzig,
welche hauptsächlich originelle Kleisterpapiere ausge-
stellt hatte, in die z. B. Monogramme oder einzelne
Worte sehr geschmackvoll einkomponiert waren. o
n Die genannte Ausstellung war keineswegs einseitig,
wie man etwa glauben sollte, sondern rechtab wechslungs-
reich. Schon der Unterschied zwischen den bei Delitsch
C^Slter^^er\dels(oKa
SCHRIFTPROBEN DER
LEIPZIGER SCHRIFTSCHULE
Buchgewerbe, und Delitsch gründete mit Zustimmung
des Direktors eine Klasse für »geschriebene Schrift«,
an die sich auch eine Buchdruckabteilung anschloß.
Aber gerade diese Verbindung des unabänderlichen
Typensatzes mit der geschriebenen Schrift erwies sich
auf die Dauer nicht als glücklich, so daß mit dem
weiteren Ausbau der Leipziger Akademie die Buch-
druckklasse an Belwe überging, während Delitsch,
der seine Methode durch eingehende Studien bei
Rudolf von Larisch in Wien (1907) entsprechend
ausgebaut hatte, nun der alleinige Vertreter der Schrift-
schule wurde und eine eigene Fachklasse für die Schrift-
kunst erhielt. In dieser konnte nun das ganze Ge-
biet nach allen Seiten hin gepflegt werden. Gerade
heute, da inzwischen z. B. durch die Düsseldorfer
Schriftkurse für die preußischen Fachlehrer das Interesse
für diesen Zweig neubelebt worden ist, konnte Delitsch
durch seine ausschließliche Konzentration auf die ge-
schriebene Schrift bald die schönsten Resultate aufweisen,
die auch in der Stuttgarter Ausstellung 1911 zum Aus-
vorherrschenden Antiqua- und Kursivtypen, mit der
Frakturschrift bringt eine Belebung ins Programm.
Andererseits sorgt auch die verschiedenartige Größe
für einen mannigfaltigen Eindruck, da wir nicht nur
kleine Akzidenzdrücke, die nach der Schrift klischiert
wurden, sehen, sondern auch große Diplome, wie
das für den Kommerzienrat Karl Engelhorn, ja selbst
ganze Plakate, unter denen das der Dalcroce-Kurse
sowie das der Ausstellung selbst, welches in Linoleum-
schnitt hergestellt war, Hervorhebung verdienen. Auch
die Farbe kam sehr ansprechend zur Geltung, nament-
lich in den Bücherzeichen, zu denen die passenden
Kleisterpapier-Hintergründe sehr feinabgestimmtwaren.
Aber auch die Anwendung der künstlerischen Schrift
in der Buchbinderei zeigt zahlreiche geschmackvolle
Ausstellungsgegenstände, namentlich die hübsch dis-
ponierten Titel in einfacher Tuschschrift auf dem
weißen Pergamenteinband oder auf dem Pergament-
rücken von Bänden, die sonst in Kleisterpapier ge-
bunden waren oder auf Pergamentspangen, die sich